Kein Schatten für Netzenstrasse
03.05.2024 Sissach, Verkehr, Bezirk Sissach, NaturPräsident der Landschaftskommission fordert Bäume
Die öffentliche Hand unternehme nicht genug, um etwas gegen die steigenden Temperaturen im Siedlungsgebiet zu tun. Dies findet Urs Chrétien, Präsident der Sissacher Landschaftskommission.
Christian ...
Präsident der Landschaftskommission fordert Bäume
Die öffentliche Hand unternehme nicht genug, um etwas gegen die steigenden Temperaturen im Siedlungsgebiet zu tun. Dies findet Urs Chrétien, Präsident der Sissacher Landschaftskommission.
Christian Horisberger
Wenn das Thermometer in den Sommermonaten weit mehr als 30 Grad anzeigt, ist es im Siedlungsraum mit seinen vielen asphaltierten Strassen und Plätzen unangenehm bis unerträglich heiss. In Städten sind die Entsiegelung und die Pflanzung von Bäumen zur Hitzeminderung bereits gängige Praxis. Auch in Dörfern bekämpfen die Behörden die «Hitzeinseln». Einmal mehr, einmal weniger, wie Beispiele aus Sissach zeigen.
Im Zuge von Strassensanierungen im oberen Teil der Haupt- und Bahnhofstrasse liess die Gemeinde mehrere Bäume in den Strassenraum und an den Strassenrand pflanzen, einige davon in eine sogenannte «Schwammstadt»-Rabatte (die «Volksstimme» berichtete). Die Gemeinde will damit Erfahrungen sammeln für weitere Anwendungen dieses Systems. So weit, so vorbildlich.
Seit Ende Januar wird die Kantonsstrasse zwischen dem westlichen Dorfausgang und dem Netzenkreisel erneuert. Die Arbeiten kommen voran und werden voraussichtlich Ende Jahr abgeschlossen sein. Auf der Baustelle deutet bisher allerdings nichts darauf hin, dass hier Bäume gepflanzt werden.
Das stösst Urs Chrétien, dem Präsidenten der Landschaftskommission der Gemeinde Sissach, sauer auf. Denn im Zonenplan Siedlung von 2003 ist rechts von der Netzenstrasse (in Fahrtrichtung Autobahn) bis zur 90-Grad-Kurve eine Baumreihe markiert und von dort bis zum zweiten Kreisel eine Allee mit Bäumen beidseits der Strasse. Laut Zonenreglement müssen diese Bäume bei einer Bautätigkeit gepflanzt werden. Hat das Tiefbauamt also seine Hausaufgaben nicht gemacht und den Sissacher Zonenplan nicht konsultiert? Doch, es hat: Laut Auskunft der Bau- und Umweltschutzdirektion sind diese Bäume entlang der Strasse auf Privatgrund im Gewerbegebiet eingezeichnet. Damit wäre der Kanton aus dem Schneider. Bäume müssen nur dann gepflanzt werden, wenn auf den Gewerbearealen etwas gebaut wird. Dies war voriges Jahr bei der Carrosserie Zumbrunn der Fall.
Augenschein verlangt
Damit gibt sich Chrétien aber nicht zufrieden. Selbst wenn keine Verletzung des Zonenreglements vorliegen sollte, müsse es das Ziel und der Wille von Gemeinde und Kanton sein, dass die Beschattung und Begrünung im Siedlungsgebiet zunehmen – für die Menschen und die Natur: «Es sollte in der heutigen Zeit selbstverständlich sein, dass dafür jede sich bietende Gelegenheit genutzt wird.» Doch die Gemeinde sei offenbar nicht gewillt, ihre guten Vorsätze gegen die Klimaerwärmung im Siedlungsgebiet umzusetzen, sobald es konkret werde.
Der Präsident der Landschaftskommission hat sich nun schriftlich an den Gemeinderat gewandt. Er fordert diesen auf, gemeinsam mit Vertretern seiner Kommission, der Bau- und Planungskommission, der kantonalen Fachstelle für Umwelt und Energie sowie dem Tiefbauamt einen Augenschein durchzuführen, um zu prüfen, «ob es in Sissach tatsächlich nicht möglich ist, auf oder entlang einer Kantonsstrasse Bäume zu pflanzen».
«Was Urs Chrétien behauptet, stimmt einfach nicht. Wir haben nicht nichts getan», wehrt sich der zuständige Sissacher Gemeinderat Stephan Marti. «Wir haben geschaut, was unsere Optionen sind und was gepflanzt werden kann.» Im Bereich der Carrosserie Zumbrunn würden im Zuge der Strassenbauarbeiten zwei weitere Bäume gepflanzt sowie weitere entlang des Jumbo-Baumarkt-Grundstücks im Zusammenhang mit dem Bau einer neuen Zuliefer-Einfahrt. Der Hobbymarkt sei zudem verpflichtet worden, den Wegfall der Grünfläche anderswo auf seinem Gelände zu kompensieren.
SBB-Grünstreifen aufwerten
Wie Marti weiter ausführt, habe die Gemeinde beim Sanierungsprojekt die Pflanzung von Bäumen im Strassenraum – auf der Strasse also – angeregt. Das Tiefbauamt habe sich klar dagegen ausgesprochen, da sich dies andernorts nicht bewährt habe – einerseits aus Sicherheitsgründen, andererseits wegen des Unterhalts und Konflikten mit Leitungen im Boden.
Urs Chrétien kennt diese Hürden und weiss auch, «dass es etwas kosten würde», diese Bäume zu pflanzen. «Aber es kann doch nicht sein, wenn auf Kosten der Natur auf das Richtige verzichtet wird, während für den Bau und die Gestaltung von Kreiseln keine Mühen und Kosten gescheut werden.» Aber: Sollte es tatsächlich nicht möglich sein, schattenspendende Bäume auf der Nordseite der Strasse zu pflanzen, will Chrétien prüfen lassen, ob stattdessen der Grasstreifen entlang der Bahnlinie ökologisch aufgewertet werden kann. Er habe von den SBB dazu bereits positive Signale erhalten.
Gemeinderat Marti ist diesbezüglich weniger optimistisch als Chrétien. «Die Sicherheit geht der Bahn über alles. Da lässt sie sich grundsätzlich nicht reinreden.» Er habe diese Erfahrung bei der Planung des (vom Volk abgelehnten) Veloständerprojekts gemacht, als über ökologische Ausgleichsmassnahmen für die zu fällenden Bäume diskutiert wurde: «Die SBB haben dies nur beschränkt unterstützt.»
Strassenchef Stephan Marti ist der Meinung, dass die Gemeinde bereits getan hat, was sinnvoll und realistisch ist. Das Anliegen Chrétiens werde aber im Gemeinderat noch thematisiert.