Jodeln ist etwas Intuitives
06.06.2025 Kultur, Baselbiet, Kultur, ReigoldswilIn einer Woche beginnt das Nordwestschweizerische Jodlerfest. Sarah Schmutz, Präsidentin des Jodlerklubs Oberer Hauenstein, bereitet sich mit ihrer Gruppe auf den Auftritt in Reigoldswil vor und erklärt, was es für diese traditionelle Gesangsform braucht.
Iris ...
In einer Woche beginnt das Nordwestschweizerische Jodlerfest. Sarah Schmutz, Präsidentin des Jodlerklubs Oberer Hauenstein, bereitet sich mit ihrer Gruppe auf den Auftritt in Reigoldswil vor und erklärt, was es für diese traditionelle Gesangsform braucht.
Iris Bösiger
Am übernächsten Wochenende ist es so weit: In Reigoldswil werden sich viele Jodler-Formationen aus der gesamten Nordwestschweiz versammeln und für drei Tage das Fünflibertal erklingen lassen. Doch wenn man etwas genauer hinschaut, sieht man, dass auch bei dieser Tradition, die bis in die Steinzeit zurückreicht, ein stetiger Wandel herrscht.
Was macht das Jodeln denn aus und wie kann man es lernen? Für Sarah Schmutz, die Präsidentin des Jodlerklubs Oberer Hauenstein, ist es etwas Intuitives, das Freude, Tradition und Wachstum vereint. Wie bei allen Arten des Singens spielt auch beim Jodeln die Arbeit mit dem Zwerchfell eine zentrale Sache. «Guet stütze» sind zwei Wörter, die bestimmt alle Gesangsinteressierten schon einmal gehört haben. Der Fokus liegt also auf dem Brustkorb und nicht nur auf der Kehle. Aus dem Bauch kommt die Kraft.
Man unterscheidet zwischen zwei Stimmen, die jeder hat. Die Kopfstimme ist die Stimme, die man braucht, um hohe Töne gut zu singen. Sie braucht meist eine grössere Luftzufuhr und ist in den meisten Arten des Singens mit keinem Druck des Kehlkopfs verbunden. Mit der Bruststimme werden die tieferen Töne mit viel Kraft und Ausdruck gesungen.
Hände in den Hosentaschen
Ein wichtiges Merkmal des Jodelns ist, dass man die Grenzen dieser beiden Stimmen auslotet, wenn nicht gar gezielt überschreitet. Das heisst also, dass man mit der Kopfstimme auch in tiefere Töne abtaucht als üblich, und dass man mit der Bruststimme weiter nach oben geht, als es die Stimme in ihrer Beschaffenheit «erlaubt».
Die Tonabfolgen der Jodel-Lieder sind aber meist so komponiert, dass die Auf- oder Abstiege technisch gut funktionieren. Sie bieten sozusagen ein musikalisches Sprungbrett. Mit einem regelmässigen Training kann man seine Stimme also in beide Richtungen ausdehnen. Zwischen den beiden Stimmen liegt meist nur ein Halbton oder Ganzton, und was beim Wechsel dieser Stimmen passiert, wird als Kehlkopfschlag, Registerbruch oder Passagio bezeichnet. «Das erzeugt den bekannten Klang in der Stimme», erklärt Schmutz. Wer schon einmal einen Mariah-Carey-Song gehört hat, weiss, was damit gemeint ist. Der Kehlkopf und das Zwerchfell leisten da also ganze Arbeit.
Eine Jodlerformation steht traditionell in der Tracht in einer Gruppe zusammen. Die Hände der Damen und Herren sind unter der Schürze beziehungsweise in den Hosentaschen. Tanzen oder gar Bewegen gehört nicht dazu. Das sieht einfach aus, kann aber tatsächlich eine grosse Herausforderung sein, da man sich während des Singens aller Arten intuitiv auch irgendwie bewegen würde. Aber auch das ist Teil dieser Musik und wird parallel zur Gesangstechnik mit erlernt.
Auch einmal ein «krummer» Ton
«Es gibt in der Schweiz grosse Unterschiede in der Art, wie gejodelt wird», erklärt Sarah Schmutz. In der Region Bern sind die Formationen sehr stark: «Das sind auch so ‹Chächi›.» Gerade bei den Muotatalern dürfe auch mal ein krummer Ton mit dabei sein. Die Melodien könnten älplerisch und wild sein. In der Region Luzern jodle man sehr gepflegt und mit einem Hauch von Klassik, wo auch das Vibrato, bekannt vom Operngesang, Teil davon sein könne, erläutert Schmutz. Die Ostschweizer wiederum seien sehr traditionsverbunden und pflegten das Singen der «Zäuerli», an anderen Orten auch «Jutz» oder «Ruguschi» genannt. «Ein Naturjutz beschreibt eine Melodie ohne Text. Da kann sehr viel improvisiert werden. Das liegt nicht jeder und jedem.» Laut Präsidentin Sarah Schmutz hat der Jodlerklub Oberer Hauenstein einen grossen Vorteil: «Da es in unserer Region keine bestimmte Art zu jodeln gibt und die Tradition nicht so tief verwurzelt ist wie in anderen Regionen, sind wir nicht gebunden und können uns aller dieser Formen bedienen und damit eine grosse Vielfalt abdecken».
Literatur und Wachstum
Die Jodler-Literatur in der Schweiz ist sehr umfassend und reicht weit zurück. Aber auch zeitgenössische Kompositionen sind stark mit im Rennen. Ueli Moor, Mirjam Schafroth und Fredy Wallimann sind zum Beispiel sehr beliebt und begeistern mit ihren Stücken die Jodlerwelt. «Wir bedienen uns auch an Liedern aus anderen Sparten und kreieren unser eigenes Jodel-Cover daraus», erzählt Schmutz. Neben ihrem Auftritt auf einem Album von Gölä, wo der Jodlerklub «Heimweh» der Band Plüsch gesungen hat, haben sie sich auch an bekannten Liedern wie «Amazing Grace» bis hin zu «Jambo Jambo» versucht. Zugleich steht auch immer die Wahrung der Tradition im Vordergrund und man sorgt dafür, dass die «alten Hits» nicht vergessen gehen. Eine wunderbare Fusion von Altbewährt und Zeitgemäss lässt diese Musik also weder stillstehen noch vergessen.
Wer Sarah Schmutz und ihre Truppe live erleben möchte, kann das am Samstag, 14. Juni, um 21.10 Uhr, im Lokal «Spitzflüeli» tun, wo sie ihr Wettbewerbslied «Früehlig i de Bärge» von Ueli Moor zum Besten geben werden. Wenn die dreiköpfige Fachjury ihnen eine Note 1 oder 2 gibt, qualifizieren sich die Jodlerinnen und Jodler vom Oberen Hauenstein für das 32. Eidgenössische Jodlerfest, das im kommenden Jahr in Basel stattfinden wird.