«Jetzt müssen wir die Reihen schliessen»
14.08.2025 Region, Wirtschaft, FinanzenSommerapéro der Handelskammer beider Basel im Schatten des Zollhammers
Der Entscheid von US-Präsident Donald Trump, die Schweiz mit ausserordentlich hohen Zöllen zu «bestrafen», war Hauptthema am Sommerapéro der Handelskammer beider Basel. Vertreter ...
Sommerapéro der Handelskammer beider Basel im Schatten des Zollhammers
Der Entscheid von US-Präsident Donald Trump, die Schweiz mit ausserordentlich hohen Zöllen zu «bestrafen», war Hauptthema am Sommerapéro der Handelskammer beider Basel. Vertreter aus Politik und Wirtschaft äusserten sich besorgt – und fordern Massnahmen im Inland.
Regula Vogt-Kohler
Als ausgerechnet am Nationalfeiertag die von US-Präsident Donald Trump beschlossenen Zölle für die Schweiz bekannt wurden, war die Überraschung gross – und negativ: Niemand hatte damit gerechnet, dass der Zoll mit 39 Prozent noch höher liegen würde als im Frühling angekündigt. So jedenfalls sagten es Vertreterinnen und Vertreter von Politik und Wirtschaft gegenüber der «Volksstimme» am Sommerapéro der Handelskammer beider Basel (HKBB), der am Dienstag in Basel stattfand.
Während sich die Gesprächspartnerinnen und -partner aus der Wirtschaft bedeckt hielten und sich (wenn überhaupt) nur anonym zitieren liessen, äusserten sich die für die Volkswirtschaft zuständigen Regierungsräte relativ unverblümt. Für Kaspar Sutter (SP), Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt, ist der Zollentscheid mit einem «unberechenbaren Gegenüber» erklärbar. Thomi Jourdan (EVP), Vorsteher der Baselbieter Volkswirtschaftsdirektion, sprach von einer «absurden Situation» und einem «erratischen Gegenüber».
Für die Exportnation Schweiz sei es ein schlechter Entscheid, sagte Sutter. Da der seit dem 7. August geltende Zoll von 39 Prozent die Pharmabranche nicht einschliesst, sei Basel-Stadt im Moment nur am Rand betroffen. Der noch ausstehende Entscheid bezüglich Pharma und die herumschwirrenden Androhungen in exorbitanter Höhe sorgten aber auch im basel-städtischen Regierungsrat für eine gewisse Unruhe, so Sutter.
Wettbewerbsnachteil zur EU
«Der Basler Regierungsrat verfolgt mit Sorge, wie den Unternehmen und insbesondere der Life-Science-Branche durch die Androhung von willkürlichen Zöllen unternehmerische Entscheide abgerungen werden sollen», heisst es in einer Medienmitteilung zur Regierungsratssitzung am Vormittag vor dem HKBB-Sommerapéro. Und weiter: «Innovative Firmen sind für ihre Investitionen auf stabile Rahmenbedingungen, Rechtssicherheit, gut ausgebildete Arbeitskräfte, starke Forschungsinstitute und Wissenschaftsfreiheit angewiesen. Die Schweiz und Basel-Stadt bieten dies.»
Für die Baselbieter Unternehmen sei es eine grosse Herausforderung, sagte der Baselbieter Volkswirtschaftsdirektor Thomi Jourdan. «Es zeigt, wie wichtig es ist, dass man Handelsbeziehungen breit und auf einer rechtssicheren Ebene aufstellt.» Einem Klumpenrisiko gelte es, möglichst auszuweichen.
«Wir als Kanton setzen uns ein für eine Verlängerung der Kurzarbeitszeit. Das darf man aber nicht machen mit der Idee, dass es bald wieder anders werde.» Jourdan äusserte die Befürchtung, dass Arbeitsplätze ins benachbarte EU-Ausland verschoben werden könnten. Mit dem deutlich niedrigen US-Zoll von 15 Prozent verfügt die EU gegenüber der Schweiz über einen Wettbewerbsvorteil. Neue Handelsbeziehungen könnten sich schnell entwickeln, sagte Jourdan. Deshalb gelte es, jetzt zu verhandeln, um diesen «komparativen Nachteil» zu den Nachbarländern schnell zu beheben.
Der Kanton Baselland sei daran interessiert, die Pharma-Produktionsstandorte in der Region zu behalten. Das sei wichtig für Baselbieter Unternehmen, die in der Messtechnik, im Maschinenbau und der Feinmechanik tätig seien. Sie dienen häufig als Zulieferer für die grossen Pharma-Firmen.
«Aus allgemeiner Sicht bleibe die Hoffnung, dass es der Schweizer Wirtschaft gelingt, sich so weiterzuentwickeln, dass sie weiter bestehen kann.» Diese gesamtwirtschaftliche Perspektive müsse man trennen von der Optik der einzelnen Unternehmen, die unterschiedlich stark betroffen seien, sagte Jourdan.
Schwierige Situation für KMU
«Grosse Unternehmen können sich organisieren, für KMU wird es schwierig», fasste Elisabeth Schneider-Schneiter, HKBB-Präsidentin und Baselbieter Nationalrätin («Mitte»), die Ausgangslage für die betroffenen Firmen zusammen. Während hinter den Kulissen die Unruhe gross sein dürfte, gebe man sich nach aussen gefasst und vor allem zugeknöpft. «Zölle sind für die Pharmabranche nicht das primäre Problem, es ist die Preisgestaltung in den USA», sagte ein Vertreter der Pharmabranche.
Von der Vertreterin eines stark betroffenen Baselbieter Unternehmens war zu hören, dass nun verschiedene Möglichkeiten geprüft würden, wie man den US-Zöllen ausweichen könnte. Ein offizielles Statement will die Firma aber zurzeit nicht abgeben. Anonym bleiben wollte auch der Vertreter eines anderen im Baselbiet ansässigen Unternehmens, das auch zu den Starkbetroffenen zählt. Zur Frage, was er von Organisationen wie der HKBB erwarte, verwies er auf das Netzwerk, durch das man an Kontakte kommen könne, die einem einzelnen KMU nicht zur Verfügung stünden.
Verlässlich und verletzlich
Die USA hätten lange als verlässlicher Partner gegolten, sagte Elisabeth Schneider-Schneiter in ihrer Ansprache. Verlässlichkeit sei ein entscheidender Standortvorteil – das gelte für die Wirtschaft ebenso wie für die Politik und die ganze Gesellschaft. Der Zollentscheid von Donald Trump lasse die Schweiz erleben, dass sie verletzlich sei. Nun gelte es, alles daran zu setzen, dass die Zölle reduziert werden. Der Bundesrat müsse mit der Exportwirtschaft Lösungen suchen. Und: «Wir müssen aufhören mit der Selbstzerfleischung und den Schuldzuweisungen.»
An die Politik hat die HKBB-Präsidentin klare Forderungen: Es gelte nun, die Unternehmen zu entlasten. Das heisst konkret etwa, dass für die Finanzierung der 13. AHV-Rente die Erhöhung der Beiträge von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden keine Option sein dürfe. Zudem soll die Aussetzung der OECD-Mindeststeuer geprüft werden. Keine Lösung seien Strafzölle, betonte Schneider-Schneiter.
An die Unternehmen richtete sie den Appell, mitzuteilen, wo der Schuh drücke, und an Umfragen teilzunehmen. «Jetzt müssen wir die Reihen schliessen», so die Nationalrätin. Die Schweiz müsse jetzt neue Wege gehen und aus ihrer Komfortzone herauskommen.