Hier wird seit 20 Jahren im Dunkeln gegessen
04.03.2025 Basel, Gesellschaft, Gastronomie, SissachSeit 25 Jahren in Zürich und seit 20 Jahren in Basel: Das Restaurant «Blindekuh» hat sich in den beiden Städten etabliert. Es bietet Unterstützung für sehbehinderte Menschen und wird seit Kurzem von einem Sissacher geführt.
André ...
Seit 25 Jahren in Zürich und seit 20 Jahren in Basel: Das Restaurant «Blindekuh» hat sich in den beiden Städten etabliert. Es bietet Unterstützung für sehbehinderte Menschen und wird seit Kurzem von einem Sissacher geführt.
André Frauchiger
Johannes Tschopp aus Sissach ist seit Kurzem Gesamtbetriebsleiter der bekannten «Blindekuh»-Restaurants in Zürich und Basel. Er kommt ins Schwärmen, wenn er von «seinen» beiden Lokalen spricht: «Unser Ziel ist, das Verständnis für blinde und sehbehinderte Menschen zu fördern. Die Erfahrungen sind fast ausschliesslich erfreulich.»
Am 28. Februar 2005 nahm das Basler Restaurant auf dem umgenutzten ehemaligen Industrieareal Gundeldingerfeld den Betrieb auf. Sechs Jahre zuvor, 1999, war das erste Lokal dieser Art in Zürich eröffnet worden. Die «Blindekuh»-Lokale in den beiden Städten beschäftigen heute zusammen rund 60 Angestellte, rund ein Drittel von ihnen sind blind oder sehbehindert. Getragen werden die beiden Lokale von der Stiftung Blindekuh.
Der Clou: Nicht-Sehbehinderte werden von blinden und sehbehinderten Serviceprofis an ihre Tische begleitet und dann kulinarisch verwöhnt. Gegessen und getrunken wird in völliger Dunkelheit. Der Gast ist herausgefordert: Er muss ohne visuelle Reize auskommen, muss riechen, kosten und fühlen. Auch hat er sein Besteck und seinen Teller zu ertasten, um schliesslich sein Essen einnehmen zu können.
Erfahrener Gastwirt
Johannes Tschopp ist seit Oktober vergangenen Jahres Gesamtleiter der «Blindekuh»-Restaurants. Er gehört zu den renommiertesten Gastwirten der Schweiz. Seine beruflichen Stationen waren unter anderem das Bad Bubendorf und in den Jahren 1993 bis 2012 der «Goldene Sternen» im Basler St. Alban-Quartier. Während viereinhalb Jahren leitete er zudem das Schloss Bottmingen. Der 67-Jährige wohnt seit jeher mit seiner Familie (vier Kinder) «aus Überzeugung» in Sissach. In der Stadt, im urbanen Raum, arbeiten und auf dem Land wohnen – das gefalle ihm.
Der neue Gesamtleiter will die «Blindekuh» erfolgreich in die Zukunft führen. Für ihn steht das Erlebnis für die Gäste im Vordergrund. Das Essen im Dunkeln sei für die Gäste eine besondere Herausforderung.
Für die Bedienung und Betreuung im bis zu 120 Plätze bietenden Dunkelrestaurant in Basel sind sechs blinde oder sehbehinderte Mitarbeitende angestellt. Sie führen die Gäste durch die Eingangsschleuse, die dafür sorgt, dass kein Eingangslicht die Dunkelheit im Innern bricht. An der Rezeption kann ausgewählt werden zwischen verschiedenen Gerichten und einem Überraschungsmenü mit mehreren Gängen.
Überraschende Erfahrungen
Was genau auf den Teller kommt und in der Dunkelheit gegessen wird, ist eine Überraschung. Tschopp erzählt, es sei schon vorgekommen, dass Gäste Lammfleisch im Dunkeln für gut befunden hätten und darüber im Nachhinein erstaunt gewesen seien, weil sie Lammfleisch sonst verschmähten. Wer nichts sehen könne, ändere eben manchmal seine Meinung, so der Sissacher.
Im Stich gelassen werden die Gäste im Dunkeln aber nicht; die Servicemitarbeitenden sorgen sich umfassend für ihr Wohl. Schulklassen sind ebenfalls willkommen; sie werden dann oft mit Spaghetti Napoli verwöhnt. Vier Mitarbeitende in der Küche sind für die Zubereitung der Speisen verantwortlich.
Tschopp verfolgt ein neues Projekt: Sehbehinderte sollen nicht nur in der «Blindekuh» ausgebildet werden und arbeiten, sondern auch in einem Partnerrestaurant und einem «normalen» Umfeld. Dies soll ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen.
Finanziell ist das Restaurant nach wie vor nicht auf Rosen gebettet. Für Neuanschaffungen wie Küchengeräte benötigt das Restaurant Spenden oder es werden finanzielle Mittel über Fundraising generiert. Die «Blindekuh» wird nicht von der öffentlichen Hand unterstützt.
Am kürzlichen Jubiläumsabend gab Tschopp interessante Zahlen bekannt: In den vergangenen 20 Jahren konnten im Basler Dunkelrestaurant rund 185 000 Gäste bewirtet werden. Für das Jahr 2024 bezifferte sich der Betriebsumsatz auf fast 1,6 Millionen Franken.