Herzstück der Stromversorgung
13.06.2025 Bezirk Liestal, Gesellschaft, Region, Bezirk Liestal, Baselbiet, Energie/UmweltNeue Netzleitstelle der EBL ging in Betrieb
In der grossflächigen Arealentwicklung an ihrem Hauptsitz in Liestal nahm die EBL Mitte Mai mit der neuen Netzleitstelle ein zentrales Element in Betrieb. Über die Netzleitstelle wird der Strom ins ganze Oberbaselbiet gesteuert. Der ...
Neue Netzleitstelle der EBL ging in Betrieb
In der grossflächigen Arealentwicklung an ihrem Hauptsitz in Liestal nahm die EBL Mitte Mai mit der neuen Netzleitstelle ein zentrales Element in Betrieb. Über die Netzleitstelle wird der Strom ins ganze Oberbaselbiet gesteuert. Der Neubau setzt in Sachen Sicherheit höchste Standards.
Tobias Gfeller
Für den Zugang in die Zentrale der neuen Netzleitstelle im zweiten Obergeschoss braucht es zusätzlich zum elektronischen Schlüssel einen Fingerabdruck. Nur wenigen Mitarbeitenden ist der Zugang erlaubt, erklärt Wolfgang Fosseler, Leiter Netzbetrieb Strom der Genossenschaft Elektra Baselland (EBL). Nicht einmal die Geschäftsleitung hat Zutritt. Sämtliche Details des Netzbetriebs von Liestal aufwärts sind digitalisiert aufgearbeitet und leuchten je nach Wunsch auf. Weil diese sensiblen Informationen auch im Falle eines kompletten Systemausfalls verfügbar sein müssen, hängen sie auch klassisch auf Papier an den Wänden.
So weit soll es aber nicht kommen. Darauf ist die neue Netzleitstelle ausgerichtet. Kommt es in gewissen Gebieten zu Stromausfällen oder fällt gleich im ganzen Netzgebiet der EBL der Strom aus, versammelt sich ein enger Kreis an verantwortlichen Mitarbeitenden in diesem Raum und arbeitet an der Behebung des Problems. In gravierenden Fällen können sie den Raum gleich mit zwei Türen hintereinander verschliessen und sich komplett von der Aussenwelt abkoppeln. Auch ist in solchen Situationen ein «Notfall-Sitzungszimmer» vorgesehen, in dem sich die Verantwortlichen besprechen können.
Die Netzleitstelle hat in Sachen innere Energieversorgung mehrere Redundanzen. Bei einem kompletten Stromausfall in Liestal kann sie dank Notstromdiesel, Generatoren und Batterien während 72 Stunden autark funktionieren. Dies sind Vorgaben des Bundes, da es sich bei der Netzleitstelle um «kritische Infrastruktur» handelt. «Die Netzleitstelle ist im Krisenfall die Infrastruktur, über die das Stromnetz weiterläuft oder wieder in Gang gebracht werden muss», beschreibt Wolfgang Hechler, Gesamtprojektleiter Arealentwicklung bei der EBL, die Funktion der Leitstelle.
Die klassische Problembehebung funktioniert im Kleinen, wenn in einzelnen Quartieren oder Gemeinden der Strom ausfällt. Über die Netzleitstelle kann in einem solchen Fall die Stromversorgung umgeschaltet werden, damit der Strom über alternative Wege dorthin fliesst. Die Netzleitstelle funktioniere ähnlich wie eine Verkehrsleitstelle, die schaut, dass der Verkehr stets fliesst, auch wenn es irgendwo einen Unterbruch gibt, erklärt Hechler.
Alternativer Versorgungsweg
Für fast alle Gemeinden gebe es einen alternativen Versorgungsweg, falls der klassische Zugang unterbrochen ist. Ziel müsse immer ein stabiles Stromnetz sein, betont Wolfgang Fosseler. Im Durchschnitt soll jede Kundin und jeder Kunde der EBL maximal von einem Stromunterbruch von 15 Minuten im Jahr betroffen sein. Mit der neuen Netzleitstelle erhöhe sich die Stromnetzstabilität, frohlockt Fosseler. «Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Netzleitstelle das Herzstück der Stromversorgung ist.» Mit 99,99 Prozent Gesamtverfügbarkeit überträfen die relevanten Systeme der Netzleitstelle die Verfügbarkeit von Systemen üblicher Bürogebäude bei Weitem, schreibt die EBL.
Entsprechend hoch sind die Anforderungen an eine kritische Infrastruktur, gerade auch in Sachen Sicherheit. Grössere Stromausfälle – sogenannte «Blackouts» wie zuletzt in Spanien und Portugal – sind als mögliche Krisen in der Schweiz gelistet. «Die Ansprüche an das Stromnetz nehmen laufend zu. Entsprechend muss sich auch die Infrastruktur entwickeln», mahnt Arealentwickler Wolfgang Hechler. Die Ansprüche kämen vor allem von der Gesetzgebung, aber auch von Kundinnen und Kunden, ergänzt Fosseler. Die Produktion, die Verteilung und die Anforderungen an die Stabilität des Stroms seien vielfältiger und damit komplexer geworden.
Erdbebensicherheit
Zu Beginn der vier Jahre dauernden Planung für die neue Netzleitstelle wurde eine Gefährdungsanalyse erstellt, was das Gebäude bedrohen könnte. Zuoberst steht gemäss Wolfgang Hechler in der Region Basel immer ein mögliches Erdbeben. Wer sich in der neuen Netzleitstelle umsieht, erkennt manche Massnahmen wie die dicken Wände und Türen auf den ersten Blick, auf Details muss man hingewiesen werden. So stehen Schränke mit elementarer Infrastruktur auf Gummifüssen und sind über Ketten an den Decken und Wänden befestigt. «Alles muss sich bewegen können, ohne dass es kaputtgeht oder etwas anderes kaputt macht», erläutert Hechler.
Gleich nach der Erdbebenertüchtigung folgt der Hochwasserschutz. Bei Starkregen wie am 4. Juni schliessen sich automatisch Klappschotts an den Zugängen, was das Eindringen von Wasser bis über einen Meter Höhe verhindern soll. Auch gegen Unfälle mit auslaufenden Flüssigkeiten auf der Autobahn und vor Einbrüchen ist die Netzleitstelle umfassend geschützt.
Die Kosten von einer «hohen einstelligen Millionensumme» resultieren denn auch zu grossen Teilen aus den strengen Vorgaben für die kritische Infrastruktur. Dafür sichert die neue Netzleitstelle die Versorgungssicherheit über die kommenden Jahrzehnte und ist bereits heute so konzipiert, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt an die sich wandelnden Bedürfnisse angepasst werden kann. Eine lohnende Investition für unsere Zukunft, sind die Verantwortlichen überzeugt.