Es fehlen nicht Paragrafen, sondern Polizisten
27.08.2024 Bezirk Sissach, Polizei, Politik, SissachAn einer Podiumsveranstaltung zum Thema Sicherheit von SVPnahen Kreisen kam der Ärger aus der Bevölkerung über den Umgang von Politik und Justiz mit kriminellen Ausländern zum Ausdruck. Eine Landrätin und ein Richter legten die Gründe dar.
Christian ...
An einer Podiumsveranstaltung zum Thema Sicherheit von SVPnahen Kreisen kam der Ärger aus der Bevölkerung über den Umgang von Politik und Justiz mit kriminellen Ausländern zum Ausdruck. Eine Landrätin und ein Richter legten die Gründe dar.
Christian Horisberger
Die Juso wertete die Veranstaltung in Sissach, bei der es um die «angebliche Asylkriminalität im Oberbaselbiet» gehe, in einer Medienmitteilung als «rechte Angstmacherei und Hetze». Wer sich die Zeit nahm und die Veranstaltung besuchte, auf die es die Jungsozialisten mit ihrer Parole abgesehen hatten, stellte etwas anderes fest.
Am Informations- und Diskussionsabend mit Exponentinnen und Exponenten der SVP kamen Verunsicherung, Ängste, auch Wut und Ohnmacht aufgrund von Kriminaldelikten, derzeit oft begangen von jungen Flüchtlingen aus Nordafrika, zum Ausdruck. Und die Initiantinnen der Veranstaltung, Julia Strasser und Sarah Regez, liessen auch keine Zweifel daran, dass sie für die wachsende Kriminalität im Land vor allem ausländische Staatsangehörige verantwortlich machen. Die beiden Gäste auf dem Podium, Ex-Polizistin, Landrätin und Gemeinderätin Jacqueline Wunderer aus Röschenz, und Strafrichter Daniel Ivanov, beide SVP, zeigten vor rund 60 Besucherinnen und Besuchern der Veranstaltung im Sissacher Jakobshof die politischen und rechtlichen Voraussetzungen auf, die für und gegen die These mit der Ausländerkriminalität sprechen. Objektiv und ohne Hetze.
Die Gastgeberinnen unterbreiteten dem Publikum zunächst statistisches Material: 2023 seien in der Schweiz 17 000 Straftaten begangen worden, 28 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Aufs Konto von Schweizerinnen und Schweizern seien 42 Prozent gegangen, 23 wurden von Ausländern mit Schweizer Wohnsitz verübt, 14 Prozent von Asylsuchenden und 21 Prozent von übrigen ausländischen Staatsangehörigen. Und in den Schweizer Gefängnissen liege der Ausländeranteil bei 70 Prozent.
Zu wenige Polizisten
Im Verlauf des Abends wurden die Politikerin und der Richter vom Publikum sowie von Gesprächsleiterin Sarah Regez, Strategiechefin der Jungen SVP Schweiz, mit Themen wie Selbstverteidigung, Bürgerwehren, Ausschaffung abgelehnter Asylbewerber oder «Kuscheljustiz» konfrontiert. Jacqueline Wunderer sagte, dass die Politik genügend Paragrafen für die Verfolgung und Verurteilung Straffälliger erlassen habe. Es fehle jedoch an Ressourcen bei der Polizei sowie bei der Grenzkontrolle. Das Personal aufzustocken sei kostspielig und eine Frage dessen, ob die Bevölkerung dazu bereit ist, anderswo Abstriche zu machen oder mehr Steuern zu bezahlen.
Strafrichter Ivanov erklärte, dass sich die Baselbieter Richterinnen und Richter bei der Bemessung der Strafen an einen vorgegebenen Rahmen halten müssten. Dieser orientiere sich an den anderen Kantonen und am Bundesgericht. Die ausgesprochenen Strafen erachte er als angemessen und nicht als «Kuscheljustiz». Davon, das Recht in die eigene Hand zu nehmen, ob mit einer Bürgerwehr oder Gewalt gegen einen Einbrecher, rieten beide dringend ab. Das Gewaltmonopol sei bei der Polizei und dies sei – auch zum Schutz der Bevölkerung – völlig richtig, so Ivanov. Anstatt sich beispielsweise in bewaffneten Bürgerwehren zu organisieren, solle man zum Schutz vor Einbrechern in der Nachbarschaft füreinander schauen und sich austauschen.
Gewaltanwendung gegen einen Einbrecher sei nur dann angebracht, wenn man selber angegriffen werde. Ansonsten könne man sich selber strafbar machen. Ex-Polizistin Wunderer merkte an, dass man bei einem Einbruch keinesfalls die Konfrontation suchen solle: «Man weiss nie, mit wem man es zu tun hat und ob die Person bewaffnet ist.» Daher: «Beobachten und die Polizei alarmieren.»
Unverständnis wurde über die angeblich «zu komfortablen» Schweizer Strafanstalten geäussert; das sei keine Abschreckung für Straftäter und «für Vergewaltiger viel zu gut». Wunderer hielt dem entgegen, dass sie in Venezuela ein menschenunwürdiges Gefängnis gesehen habe, in dem täglich Insassen sterben. «Das wäre der Schweiz nicht würdig, ich bin froh, dass wir nicht solche Zustände haben.»
Eine gewisse Hilflosigkeit wurde im Publikum und auch auf dem Podium in Bezug auf die unbefriedigend vollzogene Ausschaffung straffälliger und abgelehnter Asylbewerber deutlich. Die Asylverfahren verliefen zügig, bei negativen Entscheiden müssten die Leute das Land verlassen, so Ivanov, «aber sie gehen nicht». Eine Ausreise erzwingen lasse sich nicht in Staaten, die «ihre Leute» nicht zurücknähmen. Eine Besucherin fand, die Schweiz solle deshalb ihre Auslandshilfe an die Bedingung knüpfen, dass diese Länder ihre Staatsbürger im Falle einer Ausweisung zurücknehmen. Es gebe bereits Vorstösse der SVP mit diesem Ziel, sagte Wunderer dazu, «aber solange wir damit im National- und im Ständerat keine Mehrheit finden, geht nichts». Um Mehrheiten zu schaffen, müsse man informieren und sensibilisieren. Das brauche seine Zeit und könne einen manchmal ohnmächtig machen, sagte sie. Machtlos fühle sie sich hingegen, wenn ihre Partei wie bei der Masseneinwanderungsinitiative eine Abstimmung gewinne und die dann nicht umgesetzt werde: «Das ist unschweizerisch.»
Hauptinitiantin Julia Strasser von der Sissacher SVP kündigte weitere Aktivitäten zur Information der Bevölkerung im Interesse von mehr Sicherheit an. Wahrscheinlich werden die Juso auch dann wieder von rechter Hetze schreiben, anstatt zur Kenntnis zu nehmen, wo bei den Menschen, die solche Veranstaltungen besuchen, der Schuh drückt.