Ein volles Gemeindehaus
21.01.2025 Bezirk Sissach, Gesellschaft, Baselbiet, Kultur, Bezirk SissachDie Kulturkommission Sissach bringt im Rahmen des Jubiläumsjahres «Sissach2025» Vergangenheit und Gegenwart in einen Dialog. Alte Gemälde und Zeichnungen hängen im Gemeindehaus aktuellen Fotografien des Theaterfotografen Ernst Rudin (70) gegenüber.
...Die Kulturkommission Sissach bringt im Rahmen des Jubiläumsjahres «Sissach2025» Vergangenheit und Gegenwart in einen Dialog. Alte Gemälde und Zeichnungen hängen im Gemeindehaus aktuellen Fotografien des Theaterfotografen Ernst Rudin (70) gegenüber.
Melanie Frei
«Noocherütsche!», war am vergangenen Freitag im Sissacher Gemeindehaus nicht selten zu hören. Die Ausstellung «Sissach gestern und heute» im Rahmen des Jubiläumsjahres «Sissach2025» war gut besucht. Die Kulturkommission hatte eingeladen, um eine besondere Gegenüberstellung von historischen Gemälden und Zeichnungen von Sissach aus dem Archiv mit aktuellen Fotografien zu präsentieren. «Am Anfang hatte ich befürchtet, dass kaum jemand kommen würde», gestand am Freitagabend Doris Jrman, eine der vier treibenden Kräfte hinter der Ausstellung und Mitglied der Kulturkommission Sissach.
Es war vielleicht nicht der geeignetste Ort für eine Vernissage, zumal einige Bilder im Treppenhaus hängen und es ein regelrechtes Gedränge gab, um nach oben zu gelangen. Natürlich blieb jeder stehen und nahm sich die Zeit, um die nebeneinander hängenden Fotografien und älteren Werke zu betrachten.
Nichtsdestotrotz war die Stimmung gut. Zwei Trachtenfrauen unter den Besucherinnen und Besucher verteilten kleine Säckchen mit getrockneten Apfelschnitzen, während draussen Anisbrötchen und Punsch gereicht wurden – eine passende Einstimmung auf einen besonderen Abend.
Die Hauptperson des Abends hiess Ernst Rudin (70). «Ein echter Sissacher», wie Daniel Wüthrich, Präsident der Sissacher Kulturkommission, Rudin in seiner Ansprache begrüsste. «Stimmt nicht ganz», gab Ernst Rudin nachher zu verstehen. «Ich bin in Lausen geboren und aufgewachsen.» Seine Mutter sei aber in Sissach aufgewachsen, weshalb er eine enge Verbundenheit mit der Gemeinde verspüre. Aber auch er selbst hat während 35 Jahren hier mit seiner Familie gelebt.
Die Orte, die es zu fotografieren galt, waren ihm also vertraut. «Meine Motive wählte ich aus einer Auswahl von Bildern aus, die mir Doris Jrman und Mitglieder der Kulturkommission zusammengestellt hatten.»
Auch Orte lösen Emotionen aus
Rudin wählte seine Motive sorgfältig aus, oft nicht die bekannten Wahrzeichen von Sissach, sondern versteckte Winkel und weniger beachtete Ecken des Dorfes. «Meine Bilder sollen keine Konkurrenz zu den älteren Werken sein, sondern eine einfache Dokumentation davon, wie es heute aussieht», sagt er. «Also kein Warten auf den goldenen Sonnenuntergang auf der Sissacher Fluh», wie er scherzend beifügt.
«Dieses Projekt war für mich besonders spannend, weil es so anders war als meine übliche Arbeit», erklärte er in seiner Rede. Rudin ist eigentlich Theaterfotograf und gewohnt, aus dem Publikum heraus den Moment auf der Theaterbühne einzufangen – voller Emotionen, Begegnungen und Bewegung. Doch diesmal ging es nicht um Menschen, sondern um Orte.
Dass Orte auch Emotionen auslösen können, wurde am Freitagabend deutlich. Es war schön zu beobachten, wie alteingesessene Sissacherinnen und Sissacher die Orte auf den ausgestellten alten Werken wiedererkannten, zum Beispiel die «Rhyfelderstross» (1974), eine Federzeichnung des Künstlers Paul Wirz. Gemeinsam schwelgte man in Erinnerungen und tauschte sich darüber aus, wie es damals war.
Unter den älteren Werken waren Druckgrafiken, Federzeichnungen und Gemälde zu sehen, darunter auch Arbeiten des Gelterkinder Künstlers Fritz Pümpin. Den Werken ohne Farbe, zum Beispiel den Federzeichnungen, wurde eine Schwarzweissfotografie gegenübergestellt – so originalgetreu wie eben möglich, sagt Rudin. «Ich wollte das Alltägliche einfangen – unverfälscht. Die Fotos sollten keinen Wow-Effekt erzeugen.»
Die Ausstellung zeigt eindrücklich, wie sich Sissach in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Rudin stellte fest, dass vor allem die Infrastruktur für den Individualverkehr stark gewachsen ist – Verkehrsschilder, Parkplätze und Markierungen prägen heute das Ortsbild. Gleichzeitig seien viele historische Winkel erhalten geblieben.
Auch in der umgebenden Landschaft sind Veränderungen sichtbar: Waren früher fast alle Wiesen mit Obstbäumen gesprenkelt, sind diese heute weitgehend verschwunden. Dafür stehen am Ufer der Ergolz heute mehr und grössere Bäume als auf den alten Bildern.
Von der Theaterfotografie
Studiert hat Rudin Spanisch und Literatur und arbeitete am Gymnasium und an verschiedenen Schweizer Universitäten. Seine Leidenschaft entdeckte er in Kuba, wo er für ein Forschungsprojekt des Schweizerischen Nationalfonds das dortige Theaterschaffen studierte. Dort erlernte er das Handwerk der Fotografie, um seine schriftlichen Arbeiten zu dokumentieren und zu illustrieren, und fand seine Liebe zur Theaterfotografie.
Im Kuba der 1990er-Jahre, wo Theaterbilder damals noch eine Seltenheit waren, sorgten seine Fotos für Begeisterung. Zahlreiche Ausstellungen folgten und Rudin etablierte sich als Theaterfotograf – eine Karriere, in die er eher zufällig gerutscht ist.
Nun führt ihn seine Leidenschaft für die Fotografie zurück nach Sissach ins Gemeindehaus. Warum gerade an diesem Ort? «Es war Zeit für eine neue Ausstellung», erklärt Doris Jrman. «Wir wollten mit der Gegenüberstellung von Alt und Neu die Geschichte des Orts sichtbar machen.» Bis auf die Kosten für den Fotografen und die Rahmung wurde alles ehrenamtlich gemacht.
Der grosse Besucherandrang bei der Vernissage zeigt, dass ein solches Ausstellungskonzept begeistert. Die Fotografien von Ernst Rudin sind mehr als Dokumentationen – sie sind ein stiller Dialog mit der Vergangenheit, der gleichzeitig auf subtile Weise von der nicht immer nur in ästhetischer Hinsicht vorteilhaften Entwicklung des Orts erzählt.
Die Ausstellung ist während der Öffnungszeiten des Gemeindehauses öffentlich zugänglich.
Auch das «ChinaHouse» feiert mit
je. Thomas Müller, pensionierter Wissenschafts- und Politikjournalist sowie Lebenspartner der Basler Ständerätin Eva Herzog, berichtete am Freitag im Sissacher «ChinaHouse» von einer Veloreise durch Tadschikistan und Kirgistan. Mit zwei Kollegen fuhr er entlang der Grenze zu Afghanistan und durch das Pamir-Hochgebirge.
Der Anlass war der Auftakt zum Jahresthema des «ChinaHouse» mit dem Titel «Die Sissacherin Ursula Graf und ihre Seidenstrassen». Das Programm ist Teil des Jubiläumsjahres «Sissach2025».
Mehr Informationen unter: www.chinahouse-basel.ch