Ein Tag im Leben des Landjägers
27.06.2025 Bezirk Sissach, Gesellschaft, Baselbiet, Kultur, SissachHeiner Oberers fünftes Buch widmet sich dem Ortspolizisten Matthias Bitterlin (1840 – 1916)
Mit «Der Landjäger – Matthias Bitterlin, Hüter der Ordnung» hat Heiner Oberer ein Buch über einen Sissacher geschrieben, der sich neben der ...
Heiner Oberers fünftes Buch widmet sich dem Ortspolizisten Matthias Bitterlin (1840 – 1916)
Mit «Der Landjäger – Matthias Bitterlin, Hüter der Ordnung» hat Heiner Oberer ein Buch über einen Sissacher geschrieben, der sich neben der Erfüllung seiner beruflichen und familiären Pflichten auch als Chronist hervorgetan hat.
Christian Horisberger
Als gelernter Metzger und Koch hat Heiner Oberer über eine denkwürdige öffentliche Metzgete geschrieben und als praktizierender Fasnächtler über die fünf Tage vom «Sissecher Fasnechtsumzug» bis zum «Chluuri». Seine Liebe zur Mundart liess ihn zahllose Kolumnen verfassen, die er als Sammlung in Buchform herausgab. Die Erforschung seines eigenen Stammbaums schliesslich mündete im Buch «Von Sissach nach Ohio», in dem er die Lebensgeschichte von Verena Oberer-Waibel nachzeichnet, die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Amerika ausgewandert war.
Die Recherche zum Werk über seine Ururgrossmutter Verena führte Heiner Oberer zur zentralen Figur seines fünften Buchs, das soeben erschienen ist: zu Matthias Bitterlin. Im historischen Roman «Der Landjäger – Matthias Bitterlin, Hüter der Ordnung» schildert der Autor einen fiktiven Tag im Leben des einstigen Sissacher Dorfpolizisten, der sich ausgangs des 19. und anfangs des 20. Jahrhunderts neben seinen beruflichen und familiären Pflichten als Autor der Bürger-Familienbücher von Sissach und Itingen und der ersten Sissacher Heimatkunde (1892) hervorgetan hat. Auch bei der Gründung der «Volksstimme» hatte Bitterlin eine – wenn auch nicht tragende – Rolle gespielt.
Dieser Mann, der damals aus Kirchenbüchern zahllose Personendaten zusammengetragen, geordnet, mit Querverweisen versehen und in «Bürger-Familienbüchern» publiziert hatte, fasziniere ihn, sagt Oberer. Aus eigener Erfahrung wisse er, was für ein Puzzle-Spiel Ahnenforschung sein kann – «und im Gegensatz zu mir hatte Bitterlin weder Computer noch Internet und geschrieben hat er mit der Feder und ohne Tipp-Ex …». Oberers Worte lassen grossen Respekt vor Bitterlins Leistung erkennen. Sein Buch kann auch als Würdigung des einstigen Landjägers von Sissach betrachtet werden.
Von der Mutter weggegeben
Im Vorwort schreibt Oberer: «Bitterlin wird von Zeitgenossen als reger und aufgeschlossener Geist beschrieben.» Geboren wurde er am 16. Juli 1840 als uneheliches Kind in Läufelfingen. «Als circa Einjähriger gibt ihn seine Mutter in die Pflege von Johannes und Anna Barbara Vollenweider-Gysin nach Ormalingen», heisst es weiter. «Es war eine entbehrungsreiche Jugendzeit. (…) Mit 13 Jahren kann Bitterlin die Pflegefamilie endlich verlassen und kehrt zurück zur Mutter nach Basel.»
Er heiratet 1872 und wird neunfacher Vater. Zwei Söhne sterben im Kindesalter. Durch seine Wahl zum Landjäger kam die Familie Bitterlin nach Sissach. Das Zuhause der Bitterlins war das alte Schulhäuschen neben der reformierten Kirche. Noch heute erinnert die Inschrift Naturalverpflegung am Wohnhaus an eine weitere Aufgabe der Eheleute. Hier durften gemäss obrigkeitlicher Verordnung Handwerksburschen auf der Walz, aber auch Vagabunden gratis übernachten und sich mit Suppe und Brot verpflegen.
Bevor er im Jahr 1876 von der Gemeinde Sissach als Ortspolizist angestellt wurde, war er bereits «Hüter der Ordnung» bei der Kantonspolizei Basel, später jener von Baselland. Als Bitterlin am 4. November 1916 76-jährig stirbt, wird dessen Sohn Hugo zu seinem Nachfolger als Sissacher Ortspolizist. Matthias Bitterlin hatte das Amt als Landjäger 40 Jahre ausgeübt.
Auf knapp 100, teils mit historischen Dokumenten illustrierten Seiten verdichtet der Autor die recherchierten Fakten über den Landjäger und das Sissach jener Zeit zu einem «Tag im Leben von…». Es handelt sich um einen historischen Roman. Diese Form gebe ihm erzählerische Freiheiten, die er beim Buch über seine Ururgrossmutter nicht gehabt habe, sagt Oberer: «Dort musste jede Zeile einem Faktencheck standhalten.» Im historischen Roman hingegen kann er den streng gläubigen und dem Alkohol nicht abgeneigten Protagonisten reden, seufzen oder grübeln lassen, er kann beschreiben, wie Bitterlin im «Rebstock» einkehrt, über das vornehme Wirtshausschild «Hôtel du Lion» staunt oder sich darüber ärgert, dass das «Dyyg» zum Himmel stinkt, weil im Mühlekanal tote Katzen und Hunde entsorgt werden.
Mit Mundart-Ausdrücken gespickt
Das Format gibt Oberer auch die Möglichkeit, Begebenheiten aus dem Sissach jener Zeit mit Bitterlins persönlicher Geschichte zu verweben. Gleichwohl seien die im «Landjäger»- Buch erwähnten Namen, Funktionen und Daten historisch wasserdicht, versichert der Autor. Zudem enthält das Buch zahlreiche Passagen, die er von Original-Dokumenten übernommen hat und die entsprechend hervorgehoben sind.
Oberer, der Vater der Mundart-Kolumne in der «Volksstimme», wäre nicht Oberer, würde er seinen Landjäger nicht oft Mundart-Ausdrücke benutzen lassen, die aus dem heutigen Sprachgebrauch so gut wie verschwunden sind, um diese dann im Anhang des Buchs zu erklären. Diese sieben Seiten sind ein weiterer Grund, das 136 Seiten umfassende Hardcover-Buch in die persönliche Bibliothek zu stellen. Ausserdem im Anhang zu finden sind die Kurzbiografie Matthias Bitterlins, Auszüge aus der von ihm verfassten Heimatkunde aus dem Jahr 1892 sowie aus Sissacher Gemeinderatsprotokollen von damals.
«Der Landjäger» ist in einer Auflage von 400 Exemplaren im Eigenverlag erschienen und erhältlich bei Heiner Oberer persönlich oder bei der Papeterie Pfaff in Sissach. Am 15. August (19 Uhr) wird der Autor im Jakobshof in Sissach eine Lesung aus seinem fünften Buch und ersten historischen Roman halten.