Edmund Nüsperli – Wegbereiter der Arbeitssicherheit
30.10.2025 Baselbiet, PorträtVom Fabrikanten zum Fabrikinspektor
In Waldenburg wuchs er auf – und von hier aus führte sein Weg nach Aarau, Winterthur, Paris und London, bis er schliesslich im Dienst des Bundes stand. Edmund Nüsperli (1838–1890) gilt als Vorkämpfer für den Schutz von ...
Vom Fabrikanten zum Fabrikinspektor
In Waldenburg wuchs er auf – und von hier aus führte sein Weg nach Aarau, Winterthur, Paris und London, bis er schliesslich im Dienst des Bundes stand. Edmund Nüsperli (1838–1890) gilt als Vorkämpfer für den Schutz von Arbeiterinnen und Arbeitern.
Hanspeter Gautschin
Edmund Nüsperli entstammte einer Pfarrer- und Lehrerfamilie. Sein Vater Friedrich prägte im Baselbiet das Bildungswesen, gründete Vereine und setzte sich für die Einführung neuer Lehrmethoden ein. In diesem Umfeld lernte Edmund früh, wie wichtig Wissen, Verantwortung und Gemeinsinn sind. Schon in jungen Jahren zeigte er technisches Geschick, verbrachte seine Freizeit in Werkstätten von Handwerkern und sog praktisches Können auf. Statt eine akademische Laufbahn einzuschlagen, entschied er sich für eine Mechanikerlehre in Gelterkinden – ein Weg, der ihm unmittelbaren Zugang zu Technik und Industrie eröffnete.
Seine Wanderjahre führten ihn durch die Schweiz bis nach Paris und London. In den grossen Industriestädten erlebte er nicht nur den technischen Fortschritt, sondern auch die Schattenseiten der Industrialisierung: lange Arbeitszeiten, fehlende Absicherungen, Krankheiten und Unfälle. Diese Eindrücke prägten ihn. Zurück in der Schweiz, gründete er in La Neuveville eine Maschinenbauwerkstätte, wo er als Unternehmer Verantwortung übernahm. Doch sein eigentliches Lebenswerk begann im Jahr 1878, als er vom Bundesrat zu einem der ersten eidgenössischen Fabrikinspektoren gewählt wurde.
Von nun an besuchte er Fabriken in allen Landesteilen, prüfte Maschinen, sprach mit Arbeitern und erarbeitete Vorschläge für sichere Arbeitsbedingungen. Er beobachtete genau, wo Gefahren lauerten, und suchte nach technischen Lösungen. Sein Name ist bis heute verbunden mit Schutzkappen für Kreissägen, Sicherungen für Transmissionen und einem Fahrstuhlmodell mit automatischer Vorrichtung – Erfindungen, die in ihrer Zeit bahnbrechend waren.
Eine Auswahl solcher Schutzgeräte stellte er 1883 an der ersten Schweizer Landesausstellung in Zürich vor. Begleitet wurde die Präsentation von einer Broschüre mit 110 Beispielen von Schutzvorrichtungen, die damals für Aufsehen sorgte und zur Grundlage einer frei zugänglichen Modellsammlung wurde.
Gegen Phosphorvergiftungen
Eindringlich warnte Nüsperli vor den tödlichen Gefahren des gelben Phosphors, der bei der Zündholzproduktion eingesetzt wurde. Phosphorvergiftungen, die ganze Gesichter zerfrassen, waren ein grausames Schicksal vieler Arbeiterinnen. Unermüdlich kämpfte er für sichere Alternativen und forderte ein Verbot des Giftes. Nachdem der Bundesrat 1889 die Einführung eines Zündhölzchenmonopols beantragt hatte, konnte im Jahr 1898 das «Bundesgesetz betreffend die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen» verabschiedet werden. Es beinhaltete das Verbot der Fabrikation, der Einfuhr, der Ausfuhr und des Verkaufs von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor – ein entscheidender Schritt im Sinne von Nüsperlis Engagement, auch wenn er die Umsetzung nicht mehr selbst erlebte.
Sein Einsatz galt nicht dem Profit, sondern dem Wohl der Menschen. Kollegen beschrieben ihn als ernsthaften, unbeirrbaren Charakter mit einem grossen Herzen. Für ihn war klar: Fortschritt durfte nicht nur den Maschinen dienen, sondern musste auch den Arbeitern zugutekommen. Am 9. Juni 1890 erlitt er in Aarau, wenige Stunden nach einer Gemeindeversammlung, einen Herzschlag. Er wurde 51 Jahre alt. Zurück blieb seine Frau Ida Luise, geb. Witz, die ihn jahrzehntelang unterstützt hatte und ihn um 36 Jahre überlebte.
Mit Edmund Nüsperli trat ein Oberbaselbieter auf die Bühne der Schweizer Geschichte, der die Arbeitssicherheit prägte wie kaum ein anderer. Fast vergessen, und doch bis heute spürbar – immer dann, wenn wir in Werkstätten oder Fabriken auf Vorrichtungen treffen, die für uns selbstverständlich sind.
Künstler, Dichter, Macher und Visionäre
vs. In unserer Serie stellt Hanspeter Gautschin Menschen aus dem Oberbaselbiet vor, die einst prägend wirkten, heute aber fast vergessen sind. Es sind Künstlerinnen, Dichter, engagierte Macherinnen, stille Visionäre – ebenso wie Unternehmer, Tüftler und Gestalter der Industriewelt, die mit Innovationsgeist und Tatkraft die Entwicklung unserer Region vorantrieben. Persönlichkeiten, die das kulturelle, soziale, geistige oder wirtschaftliche Leben des Oberbaselbiets nachhaltig geprägt haben. Mit erzählerischem Gespür und einem feinen Blick für das Wesentliche lässt Gautschin diese Lebensgeschichten wieder aufleuchten – als Erinnerung, Inspiration und als Beitrag zur regionalen Identität.
Hanspeter Gautschin (1956) lebt in Oberdorf und blickt auf eine facettenreiche Laufbahn im Kulturbereich zurück. Als ehemaliger Impresario, Kulturförderer und Museumsleiter erzählt er mit Vorliebe Geschichten über Menschen, Kultur und das Leben im Alltag.

