Die Alleskönner sterben aus
30.01.2025 Baselbiet, Gesellschaft, Gemeinden, Baselbiet, RegionGemeindeverwaltungen müssen sich breiter aufstellen
Mit der Zunahme von Aufgaben, die an die Gemeinden übertragen werden, steigen die Anforderungen ans Personal. Das kann eine Gemeindeverwalterin oder ein Gemeindeverwalter allein nicht mehr stemmen. Die Aufgaben werden auf ...
Gemeindeverwaltungen müssen sich breiter aufstellen
Mit der Zunahme von Aufgaben, die an die Gemeinden übertragen werden, steigen die Anforderungen ans Personal. Das kann eine Gemeindeverwalterin oder ein Gemeindeverwalter allein nicht mehr stemmen. Die Aufgaben werden auf mehr Schultern verteilt, Kooperationen werden gesucht.
Christian Horisberger
In der vergangenen Woche wurden die Abgänge zweier Gemeindeverwalterinnen im Oberbaselbiet bekannt gegeben. Waldenburg vermeldete die Trennung von Regula Roth per Ende Januar und Rothenfluh hat sich noch während der Probezeit von Miyuki Verheijen getrennt, wie die Gemeinde mitteilt. Sie hatte ihre Stelle Anfang Jahr angetreten.
Weitere personelle Wechsel oder Verschiebungen in Verwaltungen gab es in jüngerer Vergangenheit durch den Zusammenschluss der Verwaltungen von Känerkinden und Wittinsburg per Anfang dieses Jahres. Diese kam zustande, weil Wittinsburg nach einem Abgang keine zufriedenstellende Verwalter-Lösung gefunden hat. Auch beim Verwaltungsverbund Rünenberg-Kilchberg-Zeglingen (Rü-Ki-Ze), der mit Oltingen und Wenslingen Zuwachs erhalten hatte, kam es zu Kündigungen. Ferner muss Diegten Ersatz für die Ende März abtretende Verwalterin finden und Seltisberg hat am Montag bekannt gegeben, dass der Anschluss an die Liestaler Verwaltung geprüft wird.
Mit Sicherheit gab es in den vergangenen Monaten in weiteren Gemeindeverwaltungen in der Region Abgänge, Umstrukturierungen und neue Kooperationen oder Überlegungen dazu. Dies im Gegensatz zu den Zeiten des allwissenden Gemeindeverwalters, der seinen Laden mehr oder weniger im Alleingang geschmissen hat und mit dem die Gemeinde bis zu dessen Pensionierung fest rechnen konnte.
Fülle an Aufgaben
Der Tecknauer Verwalter Christoph Buser, der 2022 nach 33 Dienstjahren in den Ruhestand ging, ist einer dieses Kalibers. Welche Aufgaben er alle zu bewältigen hatte, zeigt ein Auszug aus dem Stelleninserat, mit dem Tecknau einen Nachfolger gesucht hatte:
– Führen des Sekretariats des Gemeinderats, der Gemeindeversammlungen und weiterer Bereiche nach Bedarf (unter anderem bei Projekten mit einem grösseren Umfang).
– Finanzielle Leitung Einwohner- und Bürgergemeinde (Budgetierung/Rechnungslegung/Finanzplanung).
– Operative Leitung sämtlicher Bereiche der Gemeinde.
– Verantwortlich für weitere Bereiche der Verwaltung, u. a. Einwohnerkontrolle, Bauwesen, Lohnadministration, Versicherungswesen, Archivierung, amtliche Mitteilungen und Katasterwesen.
– Mitarbeit/Unterstützung des Gemeinderats bei der Verfassung von Stellungnahmen zu Vernehmlassungen/Anhörungen des Kantons.
Tecknau ist zufällig gewählt. Dieses Verwalter-Stellenprofil dürfte für viele andere kleinere Gemeinden lange Zeit ähnlich ausgesehen haben. Das Problem daran: Personen, die all die vielen Anforderungen erfüllen, sind rar. Und mit jeder weiteren Aufgabe, welche die Gemeinden zu bewältigen haben, wird der Job noch komplexer. Dies sagt Thomas Schaub, Co-Präsident des Baselbieter Gemeindefachverbands: «Wir müssen uns heute um Sachen kümmern, die früher kein Thema waren.» Als Beispiele nennt er die schul- und familienergänzende Betreuung oder den Ausgleich von Finanzierungslücken in der Alterspflege, wo es an der Verwaltung sei, die Beiträge der Gemeinde zu berechnen.
Seit 21 Jahren ist Schaub Verwalter in Frenkendorf. Dort dirigiert er gut zwei Dutzend Fachpersonen und ist Bindeglied zwischen Gemeinderat und Verwaltung. Als früherer Verwalter von Itingen weiss er aber, was es bedeutet, in einem kleineren Dorf so gut wie auf sich alleine gestellt zu sein: «Dort macht man alles. Das ist harte Arbeit mit enormen Präsenzzeiten. Das muss man aushalten können.» Womöglich, so Schaub, sei die Bereitschaft dazu heute so nicht mehr vorhanden. Ironischerweise teilt der Gemeindefachverband das Schicksal eines manchen Dorfs: Der Posten der oder des Vorsitzenden der Fachgruppe Verwaltungsleitung ist derzeit vakant.
Anforderungsprofil verändert sich
Die grosse Menge an Zuständigkeiten verändere auch in kleineren Gemeinden das Profil der Verwalterin oder des Verwalters, sagt Schaub. Ebenso die Aufgabenverteilung im Verwaltungsbetrieb, sei es durch die Unterstützung durch spezialisierte Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, zum Beispiel für die Finanzen oder das Bauwesen, oder durch Kooperationen über die Gemeindegrenzen hinweg.
Dies bestätigt die Gemeinde Rothenfluh mit der neuen Strategie für ihre Verwaltung: «Allrounder wie unseren kürzlich pensionierten Verwalter Bruno Heinzelmann gibt es heute so gut wie nicht mehr», sagt Gemeindepräsident Patrick Vögtlin, «eine einzelne Person kann die anfallenden Aufgaben schlicht nicht mehr bewältigen.» Daher wurde zur Unterstützung der Verwaltung eine Assistenzstelle geschaffen und ausgeschrieben. Vögtlin ist zuversichtlich, dass sie im Frühling besetzt werden kann.
Die Verwalterstelle werde nach der Trennung von Miyuki Verheijen neu ausgeschrieben. Sie hat Heinzelmann-Nachfolgerin Sabine Bucher ersetzt, die sich nach wenigen Monaten aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen hatte. Bis die Stelle wieder besetzt ist, prüft Rothenfluh die Überbrückung des Engpasses durch das Auslagern von Arbeiten an andere Gemeindeverwaltungen mit freien Kapazitäten. Bruno Heinzelmann, der bereits beim Ausfall von Sabine Bucher ausgeholfen hatte, stehe nur noch punktuell zur Verfügung, sagt Präsident Vögtlin. Und dann bestehe noch die Möglichkeit, Verwaltungsleistungen bei privaten Anbietern einzukaufen. Dies sei allerdings die teuerste Variante: Laut Vögtlin haben solche Dienstleister Stundenansätze von 200 Franken und mehr. «Deshalb schöpfen wir zuerst alle anderen Möglichkeiten aus.»
Auf längere Sicht hält der Gemeindepräsident eine Verbundlösung oder eine Zusammenarbeit mit einer umliegenden Gemeinde für sinnvoll. Mit einer Kooperation – ob mit «RüKiZe», Ormalingen oder Gelterkinden – wäre die Verwaltung breiter aufgestellt und bei Abwesenheiten besser abgesichert. Das Thema wird den Gemeinderat von Rothenfluh weiter beschäftigen, damit spätestens bis zur Pensionierung der Finanzverwalterin in wenigen Jahren eine funktionierende Lösung umgesetzt worden ist, sagt Patrick Vögtlin. Er wird den Prozess dann aus der Ferne beobachten: Er wird aus Rothenfluh wegziehen und tritt folgedessen Mitte dieses Jahres aus dem Gemeinderat zurück.