Brüder wegen Betrugsdelikten vor Gericht
29.02.2024 Baselbiet, Justiz, BaselbietDer Angeklagte gibt sich wortkarg, aber reumütig
Fast zweieinhalb Stunden dauerte das Plädoyer der Staatsanwältin. Sie warf dem Haupttäter zahlreiche Betrugsdelikte und seinem Bruder Mittäterschaft vor. Für den Haupttäter beantragt die ...
Der Angeklagte gibt sich wortkarg, aber reumütig
Fast zweieinhalb Stunden dauerte das Plädoyer der Staatsanwältin. Sie warf dem Haupttäter zahlreiche Betrugsdelikte und seinem Bruder Mittäterschaft vor. Für den Haupttäter beantragt die Staatsanwaltschaft eine bedingte Haftstrafe von 20 Monaten.
Thomas Immoos
Am Montag musste sich vor dem Baselbieter Strafgericht ein 28-jähriger Mann wegen schwerwiegender Wirtschaftsdelikte verantworten. Er soll Lieferanten und Geschäftspartner um viel Geld gebracht haben (die «Volksstimme» berichtete). Einst war der Oberbaselbieter ein bekannter Influencer, der Nahrungsergänzungsmittel und Sportartikel verkaufte.
Von dem selbstbewussten und erfolgreichen Youtuber und Influencer Robert M.* war in der Gerichtsverhandlung nur noch wenig erkennbar. Der Mann räumte bei der Befragung auch ein, diese «ausschweifende und extrovertierte Zeit» hinter sich gelassen zu haben. Zusammen mit seiner Frau betreibt er jedoch weiterhin einen Internethandel. Seine Schulden – mehrere Hunderttausend Franken – habe er abbezahlt. Und die vormals lange Betreibungsliste sei inzwischen blank. «Ich habe Fehler gemacht und bereue dies sehr.» Auch bereue er, seinen Bruder Stefan* in seine Aktivitäten mit hineingezogen zu haben. Er sei froh, «dass mir mein Bruder das nicht übel nimmt». Ansonsten gab sich der wortgewandte Jungunternehmer wortkarg. Auf die Fragen der Gerichtspräsidentin kam stets die Antwort: «Darüber gebe ich keine Auskunft.» So war nicht zu erfahren, wie weit ihm die betrügerischen Machenschaften bewusst waren. Denn die Staatsanwältin schilderte in ihrem fast zweieinhalbstündigen Plädoyer minutiös das Vorgehen von Robert M. Er hat unter anderem weder Belege seiner Firmen aufbewahrt noch eine Buchhaltung geführt. Als die eine Firma in Konkurs ging, gründete er eine andere Firma und setzte dort seinen Bruder Stefan als Verwaltungsratspräsidenten und Geschäftsführer ein, während er selber in Wirklichkeit das Sagen hatte. Sein Bruder sei lediglich «Strohmann» oder «Marionette» gewesen.
Lange Verfahrensdauer
Gemäss der Staatsanwältin hat der Angeklagte betrügerisch gehandelt, um sich zu bereichern. Auch «hat er nicht zu guten Lösungen gegriffen, wenn er in Schwierigkeiten kam». Sie bezweifelte auch die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit des Geständnisses. Es sei erwiesen, dass er mehrmals beispielsweise bei Online-Firmen Produkte auf den Namen eines formellen Geschäftsführers bestellt, diese aber auf der Post mit gefälschter Unterschrift abgeholt habe. Auch habe er die bestellten elektronischen Geräte und das Büromaterial für private, statt für geschäftliche Zwecke verwendet. Er habe in seinen Firmen Misswirtschaft betrieben, Firmengelder verschleudert und Aktionärsrechte verletzt. Als die Firmen ins Schlingern gerieten, habe er nichts unternommen, um die Situation zu verbessern. Die eine Firma habe er danach zugunsten einer neuen Firma «finanziell ausgehöhlt».
Was den Bruder Stefan, von Beruf Fachmann Gesundheit, angeht, so habe Robert dessen Ahnungslosigkeit und Gutmütigkeit ausgenützt. Allerdings sagte die Staatsanwältin an die Adresse des Strohmann-Bruders: «Bewusstes Nichtwissen ist kein Irrtum.» Der als Geschäftsführer und alleiniger Aktionär geführte Strohmann hätte die Pflicht gehabt, sich über die Geschäftstätigkeit ins Bild zu setzen. Dies habe Stefan bewusst unterlassen.
Bei den Strafanträgen berücksichtigte die Staatsanwältin die lange Verfahrensdauer. Die angeklagten Delikte liegen sieben bis acht Jahre zurück. Dies sei eine Verletzung des Beschleunigungsgebots, dem Untersuchungsbehörden unterliegen. Deshalb reduziere sich das Strafmass um 20 Prozent. Positiv gewürdigt werde auch, dass sich die beiden seither nichts mehr haben zuschulden kommen lassen. Robert M. habe sogar alle Schulden beglichen. Negativ wirke sich dagegen aus, dass Robert einen früheren Geschäftspartner «aus Rache» in die Bredouille brachte und nicht aus Not gehandelt habe, sondern um sich einen luxuriösen Lebensstil zu finanzieren. Er habe sich als versierter Instagrammer und erfolgreicher Unternehmer präsentieren wollen. Dass er psychische Probleme angegeben habe, sei eine Schutzbehauptung. Denn sein Vorgehen sei «berechnend, planend und vorausschauend gewesen». Erschwerend anzulasten sei ihm auch, dass er seinen nichts ahnenden Bruder in seine Machenschaften mit hineingezogen habe. Aufgrund dieser Erwägungen beantragte die Staatsanwältin eine bedingte Haftstrafe von 20 Monaten und die Bezahlung einer Ersatzforderung sowie die Übernahme der Verfahrenskosten.
Sein Bruder Stefan habe Robert einen Gefallen tun wollen, habe sich aber nicht über das Geschäftsfeld und -gebaren informiert. Für ihn beantragte sie ebenfalls einen Schuldspruch und eine Geldstrafe von 75 Tagessätzen à 40 Franken.
Anwalt plädiert für Freispruch
Der Verteidiger des Hauptangeklagten bezweifelte, dass der Begriff Betrug im vorliegenden Fall infrage komme. Denn es sei nicht erwiesen, dass die von Robert M. getätigten Bestellungen per Internet von einem Menschen, und nicht von einer Maschine bearbeitet worden sind. Deshalb liege allenfalls Missbrauch von EDV-Anlagen vor. Was die Verwendung der bestellten Artikel angeht, so sei nicht klar nachgewiesen, dass sie ausschliesslich privat verwendet wurden. Deshalb komme hier mindestens der Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» zum Zuge.
Dass er die Buchführung unterlassen habe, habe mit der damaligen Erkrankung seiner Frau zu tun und sei auch auf sein damals jugendliches Alter zurückzuführen. Dass Robert Stammanteile seiner Firma verkauft habe, stimme auch nicht, er habe diese nur seinem damaligen Geschäftspartner unentgeltlich weitergegeben. Deshalb lautet der Antrag des Verteidigers: Freispruch. Lediglich die Verfahrenskosten seien seinem Mandanten zu übertragen.
Der Verteidiger des Bruders hob hervor, dass sein Mandant Stefan M. seinem jüngeren Bruder, den er bewundert habe, einen Gefallen tun wollte. Allerdings sei er ahnungslos gewesen und habe lediglich die Weisungen von Robert ausgeführt und auf dessen Verlangen auch Dokumente unterzeichnet. Wichtige Schreiben seien ohnehin bei Robert und nicht bei Stefan gelandet, «dem er blind vertraute». Sein Mandant habe allenfalls fahrlässig gehandelt; dies sei aber im konkreten Fall nicht strafbar. Deshalb sei Stefan freizusprechen.
In einem Schlussvotum räumte der Hauptangeklagte Robert ein, «dass Fehler passiert sind». Er sei schlicht überfordert gewesen. Dafür entschuldige er sich. In den vergangenen sechs, sieben Jahren «habe ich Ruhe und Ordnung in mein Leben gebracht». Auch Stefan bedauerte seine Fehler: «Ich war leichtgläubig, ja dumm.» Er hoffe, «mit einem dunkelblauen Auge» aus dem Verfahren herauszukommen, damit seine weitere Zukunft im Entwicklungshilfebereich nicht gefährdet werde.
Das Strafgericht wird sein Urteil morgen Freitag verkünden.
* Namen geändert