Biolandwirtschaft funktioniert Therwil
26.06.2025 Bezirk Sissach, Baselbiet, Landwirtschaft, SissachExperten informieren über Ergebnisse eines Langzeitexperiments
Seit 1978 liefert ein Versuch in Therwil Daten für den Vergleich von drei landwirtschaftlichen Anbausystemen: biologisch-dynamisch, biologisch-organisch und konventionell. Der Freilandversuch ist weltweit ...
Experten informieren über Ergebnisse eines Langzeitexperiments
Seit 1978 liefert ein Versuch in Therwil Daten für den Vergleich von drei landwirtschaftlichen Anbausystemen: biologisch-dynamisch, biologisch-organisch und konventionell. Der Freilandversuch ist weltweit einzigartig.
Regula Vogt-Kohler
Kann biologische Landwirtschaft funktionieren? Diese Grundsatzfrage lieferte vor bald 50 Jahren den Anstoss zum Versuch in Therwil. Bald aber seien weitere Fragestellungen dazugekommen und das Programm sei auf Grundlagen- und Anwendungsforschung ausgeweitet worden, sagte Frank Liebisch, Agrarwissenschaftler bei Agroscope, gestern bei der Begrüssung zu einem Medienanlass auf dem Versuchsgelände.
Der Versuch sei nicht nur wegen seiner langen Dauer ein Unikat, sondern auch wegen der Versuchsanlage, die zu grosser Genauigkeit der Daten führe, sagte Else Bünemann vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL). Die Initiative für den Versuch kam aus verschiedenen Richtungen: der landwirtschaftlichen Praxis, der Wissenschaft und der Politik. Unterdessen hat das Projekt viele Nachahmer gefunden, auch in den Tropen.
Die Anfangsfrage lässt sich heute mit einem klaren Ja beantworten: Die Langzeitdaten zeigen, dass Biosysteme unter dem Strich effizient sind. Der geringere Einsatz von Düngern und Pflanzenschutzmitteln führt allerdings auch dazu, dass die Erträge in den biologischen Systemen deutlich stärker schwanken als in den konventionellen Systemen und deshalb die Ertragsstabilität geringer ist. Das ist von zentraler Bedeutung, wenn es um die Ernährungssicherheit geht.
Während der Ertrag an sich vor allem vom Düngereinsatz abhängt, spielt bei der Ertragsstabilität der Pflanzenschutz eine entscheidende Rolle. Die Ertragsschwankungen zu verkleinern, sei eine Herausforderung, sagte Jochen Mayer, Wissenschaftler bei Agroscope und Co-Leiter des Versuchs seit 2007.
Besser für Klima und Natur
Der niedrigere Einsatz von Stickstoffdünger ist der Hauptfaktor für die bessere Klimawirkung biologisch bewirtschafteter Böden. Wenn Stickstoff aus Düngemitteln im Überschuss im Boden vorhanden ist, wird dieser von Mikroorganismen in das hoch klimawirksame Lachgas umgewandelt.
Positive Auswirkungen haben die biologischen Systeme auch auf die Biodiversität und die Bodengesundheit. Die höchste Bodengesundheit wird im kompostbasierten bio-dynamischen System verzeichnet. Die Biodiversität für Käfer, Spinnen und Regenwürmer ist in Systemen ohne synthetischen Pflanzenschutz erhöht, allerdings gibt es hier auch eine grössere Samenbank für Ackerunkräuter.
Heute gehe es um Zukunftsfragen, betonte Jochen Mayer. Wie können wir genügend Lebensmittel produzieren? Zugleich gilt es, den Klimawandel sowie Biodiversität und Bodengesundheit zu berücksichtigen. «Wenn wir an einem Schräubchen drehen, bekommen wir Zielkonflikte», umschrieb Mayer die Problematik. Stickstoff etwa ist der entscheidende Faktor für den Ertrag, zugleich aber (in negativer Hinsicht) auch klimawirksam.
Warum Therwil?
Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL wurde 1973 gegründet und war ab 1974 in Oberwil ansässig. 1997 zügelte es nach Frick. Für den Standort der Versuchsfläche war neben der Nachbarschaft zum früheren Sitz vor allem die Art des Bodens entscheidend. Für einen solchen Versuch seien homogene Böden eine der wichtigsten Voraussetzungen, diese seien in der Schweiz jedoch eher selten, erläuterte Mayer. Neben der Homogenität verfügt das Therwiler Areal über einen weiteren Pluspunkt: Da es sich um Lössboden handelt, gibt es keine oder kaum hinderlichen Steine.
Die drei Anbausysteme unterscheiden sich durch die Düngung und den Pflanzenschutz. Als Dünger werden im biologisch-dynamischen System Gülle, Mistkompost sowie biodynamische Präparate verwendet. Im biologisch-organischen Landbau dienen Gülle und Rottemist als Dünger.
Im konventionellen System kommen zu Gülle sowie Frisch- oder Rottemist noch Mineraldünger hinzu.
In beiden biologischen Systemen gibt es biologischen Pflanzenschutz, bei der konventionellen Lösung kommen chemisch-synthetische Mittel zum Einsatz. Neben zwei Düngungsstufen der drei Anbausysteme (je halbe und praxisübliche Düngung) werden zwei Kontrollen geführt: eine ungedüngte und eine rein mineralisch gedüngte Variante. In einer siebenjährigen Fruchtfolge werden Weizen, Kartoffeln, Silomais, Soja und Kleegras (Kunstwiese) angepflanzt. Um Verfälschungen des Resultats möglichst auszuschliessen, werden für den Datenvergleich Erträge aus der Mitte der jeweiligen Anbauflächen verwendet.
Bauernhofsterben hält an – Bio wächst
vs. Die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe im Baselbiet ist weiter rückläufig, wie das kantonale Amt für Daten und Statistik gestern mitteilte. 2024 waren im Kanton noch 869 Betriebe registriert – 5 weniger als im Vorjahr. Damit setzt sich der langjährige Strukturwandel fort: 1996 zählte das Baselbiet noch 1268 Betriebe. Trotz des Rückgangs bleibt die landwirtschaftlich genutzte Fläche stabil; sie ist im vergangenen Jahr sogar leicht gewachsen. Auffällig ist die Entwicklung im Biolandbau: Während der Anteil der Bio-Betriebe schweizweit erstmals seit 2010 stagniert, wächst er im Baselbiet weiter. Mittlerweile werden knapp 20 Prozent der Höfe biologisch bewirtschaftet – leicht mehr als im landesweiten Schnitt (18 Prozent).