AUSGEFRAGT | ALFRED BODENHEIMER, PROFESSOR UND KRIMI-AUTOR
23.02.2024 Gesellschaft, Bildung, Kultur, Gesellschaft«Auch andere Professoren träumen von einem Krimi»
Alfred Bodenheimer hat sich kürzlich als Professor für jüdische Literatur- und Religionsgeschichte in Basel mit Äusserungen zum Nahost-Konflikt exponiert. Am Sonntagaber liest er in ...
«Auch andere Professoren träumen von einem Krimi»
Alfred Bodenheimer hat sich kürzlich als Professor für jüdische Literatur- und Religionsgeschichte in Basel mit Äusserungen zum Nahost-Konflikt exponiert. Am Sonntagaber liest er in Tenniken aus «Mord in der Strasse vom 29. November», einem Krimi, der in Jerusalem spielt.
Jürg Gohl
Herr Bodenheimer, Sie halten sich gerade in Israel auf. Da interessiert uns – bevor wir über Ihre Krimis sprechen – die Frage, wie Sie den Alltag dort wahrnehmen.
Alfred Bodenheimer: Es herrscht hier eine grosse Anspannung. Wir wohnen ziemlich im Norden des Landes. Nur 40, 50 Kilometer von hier entfernt gibt es Städte, die nicht mehr bewohnt sind, weil alle evakuiert worden sind. Zwei Zivilisten, die sich vorübergehend dort aufhielten, wurden kürzlich von Bomben der Hisbollah schwer verletzt und eine Soldatin wurde getötet. Alleine aus dem Norden gibt es rund 80 000 Binnenflüchtlinge. Zudem sorgt das Thema, wie sich Israel verhalten soll, um von der Hamas die Geiseln zurückzuerhalten, für hitzige Diskussionen. Auch wirtschaftlich ist die Situation nicht gut.
Weshalb kehren Sie nicht in die Schweiz zurück?
Wir sind als Familie vor zwölf Jahren nach Israel gezogen, seither pendle ich. Meine ganze Familie lebt hier. Ein grosser Teil meines Lebens spielt sich in diesem Land ab.
An der Universität in Basel – entschuldigen Sie den unsensiblen Wechsel des Themas – lehren Sie als Professor Jüdische Literatur- und Religionsgeschichte. Wie verirrt sich ein Professor in die Niederungen der Trivialliteratur und wird Krimi-Autor?
Als mein erster Krimi erschien, verrieten mir mehrere Professoren, dass sie ebenfalls davon träumen, einen Krimi zu schreiben. Es bietet einen Ausgleich zur wissenschaftlichen Arbeit. Als junger Mensch hegte ich literarische Ambitionen, doch daraus wurde nichts; mein damaliger Roman gefiel zwar den Experten, doch die Verlage fanden ihn zu experimentell. 2013 entschied ich dann für mich, neben meiner wissenschaftlichen Arbeit das Literarische wieder aufzunehmen. So entstand «Kains Opfer», mein erster Krimi.
Das gelang Ihnen offensichtlich.
Ja. Da war einfach eine Idee im Kopf. Sie musste schnell raus, und das Buch wurde erfolgreich. Es war der Beginn der Rabbi-Klein-Reihe, die inzwischen sechs Bände umfasst.
Gleichwohl müssen Sie als Professor einen Spagat vollführen, wenn Sie sich in die Fiktion begeben und Mörder jagen.
Es geht in meinen Büchern ja nicht einzig um die Frage, wer das Verbrechen begangen hat und wie er überführt werden konnte. Ich will die Leserinnen und Leser mit Rabbi Klein in das jüdische Leben und mit meiner neuen Reihe nach Israel mitnehmen und ihnen eine entsprechende Atmosphäre bieten. Das betrachte ich beim Schreiben immer als grosse Herausforderung. Es stellt für mich durchaus eine intellektuelle Hausaufgabe dar, den Leuten eine bestimmte Umgebung authentisch nahezubringen. Natürlich verwende ich dafür eine andere Textform als im akademischen Beruf, aber letztlich geht es um das Gleiche: etwas in schriftlicher Form darzulegen.
Ihr neuer Krimi spielt in Jerusalem. Hat Rabbi Klein in Zürich, den Sie bisher ermitteln liessen, ausgedient?
Eigentlich nicht. Doch mit dem Wechsel zum Kampa Verlag riet mir der Verleger zum zusätzlichen Eröffnen einer weiteren Reihe, und so geht nun Polizeipsychologin Kinny Glass für mich in Jerusalem auf Mörderjagd. Im April erscheint bereits ihr zweiter Fall. Dieses Buch werde ich in Tenniken noch nicht im Gepäck haben. Dort lese ich aus dem letzten, das bereits vor zwei Jahren erschien.
Wie kam es überhaupt zustande, dass Sie in Tenniken auftreten?
Da spielte der Zufall mit. Eine ehemalige Mitschülerin, die mit ihrem Mann lange in Berlin lebte und die ich dort getroffen habe, lebt nun in Tenniken, und wir nahmen hier wieder Kontakt auf. Sie engagiert sich dort in der Kulturkommission.
Geht es bei der Lesung in Tenniken um einen unbeschwerten Kulturanlass? Ist das in der aktuellen Situation im Gazastreifen überhaupt möglich?
Nein, das ist nicht möglich. Das habe ich mit Corinne Dürr, meiner Bezugsperson in Tenniken, auch so besprochen. Wir können nicht einfach mit einer Lesung beginnen und die aktuellen Ereignisse in Israel ignorieren. Sicher werde ich zu diesen einleitend etwas sagen und als Augenzeuge berichten, was sich im Nahen Osten gerade abspielt, wie stark das Land traumatisiert ist und wie der Krieg dort die Gesellschaft verändert.
Auf welche Reaktionen aus dem Publikum machen Sie sich gefasst?
Schwer zu sagen – wichtig ist mir, dass ich mich zu persönlichen Eindrücken äussere und nicht als Repräsentant des Staates. Ich freue mich auf jeden Fall auf die Lesung und bin gespannt auf die Reaktionen des Publikums.
Zur Person
jg. Alfred Bodenheimer, 1965 in Basel geboren, wohnt mit seiner Familie in Israel und zeitweise in Basel. Er ist Literaturwissenschaftler und unterrichtet an der Universität Basel als Professor für Jüdische Literatur- und Religionswissenschaften, leitet dort das Zentrum für Jüdische Studien und verfasste dazu zahlreiche wissenschaftliche Studien. Er gilt als profunder Kenner des Judentums. Daneben schreibt Alfred Bodenmann auch Kriminalromane. Bisher sind sieben Krimis aus seiner Feder entstanden. Der erste davon, «Kains Opfer», erschien 2014.
Lesung in Tenniken
jg. Alfred Bodenheimer liest am kommenden Sonntag (Beginn um 15 Uhr) im Hofmattschulhaus in Tenniken aus seinem bisher letzten Krimi «Mord in der Strasse des 29. November».
Es handelt sich dabei um seinen ersten Jerusalem-Krimi, da er erstmals nicht mehr seinen Rabbi Gabriel Klein in Zürich ermitteln lässt, sondern die Polizeipsychologin Kinny Glass in Jerusalem. Ermordet wurden eine Knesset-Abgeordnete und ihr Ehemann. Seine Krimis werden bei der SRG als Hörspiele eingelesen und auch in deutschen Zeitungen besprochen.