Aus wegen hoher Stromkosten
14.11.2023 Bezirk Sissach, GelterkindenNach 35 Geschäftsjahren hört Bäcker Beat Bürgin auf
Der «Bürgi Beck» stellt kurz vor Weihnachten seinen Betrieb für immer ein. Damit verliert Gelterkinden die letzte Dorfbäckerei. In der «Bürgi»-Filiale im Allmendmarkt wird ...
Nach 35 Geschäftsjahren hört Bäcker Beat Bürgin auf
Der «Bürgi Beck» stellt kurz vor Weihnachten seinen Betrieb für immer ein. Damit verliert Gelterkinden die letzte Dorfbäckerei. In der «Bürgi»-Filiale im Allmendmarkt wird es weiterhin «Brot vom Beck» geben: von der Prattler Bäckerei Gaugler.
Christian Horisberger
«‹Bürgi Beck› backt kleinere Brötchen», schrieb die «Volksstimme» vor drei Jahren, als der Gelterkinder Bäcker Beat Bürgin seine Verkaufsstellen in Thürnen und Münchenstein an einen Kollegen weitergegeben hatte. Mit weniger Druck und umso mehr Freude könne er sich vorstellen, weiter zu kneten und zu backen, bis er 70 Jahre alt sei, sagte Bürgin damals.
In knapp einem Monat feiert er seinen 65. Geburtstag, und am 23. Dezember wird der Ofen der Backstube der letzten traditionellen Dorfbäckerei in Gelterkinden endgültig ausgehen. Bürgin stellt den Betrieb ein. Im Vordergrund der Geschäftsaufgabe stehen die stark gestiegenen Strompreise, wie der Bäcker auf Anfrage der «Volksstimme» sagt. Die Stromkosten seien für die Bäckerei ein wesentlicher Kostenfaktor und der Aufschlag betrage 150 Prozent. Zudem stehe aufgrund teurerer Krankenkassenprämien und höherer Zinsen eine Lohnrunde bevor. «Um dieses Kostenwachstum wettzumachen, hätten wir die Preise bis zu 20 Prozent erhöhen müssen», so Bürgin, «das hätten viele Kunden wohl nicht mitgemacht und wären zu Grossverteilern abgewandert.»
Risiko zu hoch
Das Risiko, in seinen letzten Berufsjahren rote Zahlen zu schreiben, sei ihm zu hoch gewesen, nachdem er bereits während Corona Reserven habe einsetzen müssen. Also zog er die Notbremse. Wäre er deutlich jünger oder gäbe es eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger, hätte es anders ausgesehen, sagt der Unternehmer. Dann hätte er in die Infrastruktur investiert, um die Energie- und Produktionskosten markant senken zu können. Aber in seiner Situation würde er die erforderlichen Investitionen bis zu seinem Ruhestand keinesfalls amortisieren können: «Für einen neuen Ofen muss man eine hohe sechsstellige Summe auslegen.»
Mit der Schliessung des Betriebs verlieren sieben Mitarbeitende in der Backstube, davon eine Lernende, und acht im Verkauf ihre Stelle. Laut Bürgin haben alle ein Jobangebot von der Bäckerei Gaugler AG erhalten, dafür habe er gesorgt. Es werde auch die Bäckerei Gaugler sein, welche die Verkaufsstelle mit Café im Allmend-Markt übernimmt, die Bürgin während 25 Jahren betrieben hatte. Die Bäckerei Gaugler hat ihre Wurzeln in Augst. 2020 verlegte sie die Produktion und ihren Geschäftssitz nach Pratteln. Sie betreibt Verkaufsstellen in Augst, Pratteln, Basel und in Zunzgen – am Standort der ehemaligen Bäckerei Schmid.
Die Backstube sowie das «Kaffistübli» an der Bohnygasse werden zu Wohnungen umgebaut und das Ladenlokal, wo bis Weihnachten noch Brot und Confiserie über den Tresen gehen, soll erhalten und vermietet werden. An wen, ist offen. Das Baugesuch für den Umbau ist kürzlich publiziert worden.
Neuer Job im sozialen Bereich
«Ich sagte immer, ich mache, solange es mir Freude bereitet», bilanziert Bürgin. Die Umstände hätten dazu geführt, dass dies so nicht mehr der Fall sei. Nach 35 Jahren mit einem eigenen Betrieb lasse er diesen Lebensabschnitt aus Überzeugung und mit vielen schönen Erinnerungen hinter sich und danke seinen Kundinnen und Kunden für die langjährige Treue.
Energie hat Beat Bürgin nach wie vor – und Lust, in ein ganz anderes Berufsfeld zu wechseln. Nach einer mehrmonatigen Ausbildung beim Roten Kreuz wolle er sich als Pflegehelfer im Palliativbereich betätigen.
Strom sparen, Strom erzeugen, Preise erhöhen
ch. Die stark gestiegenen Energiepreise haben nicht nur der Bäckerei Bürgin zugesetzt. Auch Beat Bürgins Berufskollegen in Sissach und in Lausen sehen sich damit konfrontiert und haben mit unterschiedlichen Massnahmen darauf reagiert. Die Bäckerei Gunzenhauser in Sissach hat eine seit längerer Zeit bestehende Idee konkretisiert und unlängst eine 17-Kilowatt-Solaranlage realisiert. Laut Geschäftsführerin Doris Gunzenhauser kann mit dem erzeugten Strom bei maximaler Leistung der Anlage ein grosser Teil des Energiebedarfs des Cafés Caprice gedeckt werden. Ihr Betrieb habe zudem aufs laufende Jahr hin die Preise um durchschnittlich rund 5 Prozent erhöht. Dies nicht nur wegen des teureren Stroms: Auch die Kosten für das Rohmaterial und die Löhne seien gestiegen. Die letzte Preiserhöhung liege bereits acht Jahre zurück.
Die Situation bei der Bäckerei Bangerter in Lausen ist ähnlich. Die Energiekosten seien bisher von 2,1 auf 3,5 Prozent des Betriebsaufwands angestiegen und im kommenden Jahr erhöhe sich der Wert auf 3,8 Prozent, sagt Geschäftsleiter Simon Grossniklaus auf Anfrage. Darauf habe man mit Massnahmen reagiert, wie etwa die Kühlung und Klimaanlage effizienter zu nutzen oder die Ofenbelegung zu optimieren. Jedoch fielen die höheren Rohstoffkosten stärker ins Gewicht: Der Zuckerpreis zum Beispiel steige um fast 12 Prozent. «Die grössten Kostensteigerungen konnten wir dank guter Organisation und top Mitarbeitenden intern abfedern», sagt Grossniklaus. Trotzdem habe seine Bäckerei die Preise seit 2021 im Durchschnitt übers gesamte Sortiment um 3 Prozent erhöhen müssen. Damit liege der «Bangibeck» exakt auf dem Niveau der Marktbegleiter.