Schon zu Lebzeiten eine Legende
01.09.2023 Baselbiet, Titterten, Verkehr, Bezirk WaldenburgVor 25 Jahren sind Christian Schweizer und Sohn Daniel abgestürzt
Er war einer der besten Kunstflugpiloten seiner Zeit. Der Titterter Christian Schweizer und sein Sohn Daniel, ebenfalls erfolgreicher Kunstflieger, bleiben auch nach ihrem tragischen Unfalltod unvergessen. Ein ...
Vor 25 Jahren sind Christian Schweizer und Sohn Daniel abgestürzt
Er war einer der besten Kunstflugpiloten seiner Zeit. Der Titterter Christian Schweizer und sein Sohn Daniel, ebenfalls erfolgreicher Kunstflieger, bleiben auch nach ihrem tragischen Unfalltod unvergessen. Ein Rückblick.
Elmar Gächter
Es ist in der Geschichte der Luftfahrt ein Datum mit tragischem Hintergrund. In der Nacht auf den 3. September 1998 stürzte vor der kanadischen Küste bei Halifax eine Swissair-Maschine mit Kurs von New York nach Genf ab. 229 Menschen starben. Am Abend des gleichen Tages machte die Meldung die Runde, im Reusstal bei Erstfeld sei ein Kleinflugzeug an einer Felswand zerschellt. «Anlässlich eines Überfluges von Buochs nach Ambri wurde die P-51 Mustang, HB-RCW, am 3. September von Zeugen beobachtet, wie sie um circa 19.50 Uhr unter der Wolkendecke über Wassen flog und mit einer 180°-Kurve wendete. Über Silenen, in nördlicher Richtung auf der östlichen Talseite fliegend, wurde die HB-RCW steil hochgezogen und verschwand in den Wolken. Circa 20 Sekunden später schlug die Mustang knapp unter der Wolkengrenze an einem steilen Waldstück auf. Beide Insassen wurden getötet», so der nüchterne Schlussbericht des Büros für Flugunfalluntersuchungen über den Absturz.
Familie, Verwandte, Freunde und «Bewunderer» mussten die traurige Nachricht entgegennehmen, dass es sich bei den Verunfallten um die Baselbieter Christian Schweizer und seinen Sohn Daniel handelte. Beide Flugakrobaten wollten am folgenden Tag mit dem Jagdflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg an einem Flugmeeting in Airolo teilnehmen.
Hannes Schweizer, der sieben Jahre jüngere Bruder von Christian Schweizer, erinnert sich. «Als ich am 3. September abends bei der Heimfahrt von einer politischen Veranstaltung die Radiomeldung hörte, dass im Gebiet Erstfeld ein Oldtimer abgestürzt ist, wusste ich, dass es nur zwei oder drei Piloten in der Schweiz gibt, die dieses Flugzeug fliegen können. In jener Nacht machte ich kaum ein Auge zu. Am Morgen dann die traurige Gewissheit, dass es sich beim Verunglückten um meinen Bruder handelte. Dass auch dessen Sohn Daniel im Cockpit gesessen war, machte die Situation noch dramatischer und schicksalhafter.»
Frühe Leidenschaft fürs Fliegen
Christian Schweizer ist in Titterten auf dem Hof Retschen zusammen mit seinem Bruder Hannes und zwei Schwestern aufgewachsen. Christian sei für ihn stets ein Vorbild gewesen, hält Hannes Schweizer fest. Nicht primär wegen der Fliegerei, sondern wegen dem Skifahren. «Er war Rennfahrer im Skiclub Oberdorf, und ich habe ihm nachgeeifert. Er hat mich oft an Skirennen mitgenommen, gegen den Widerstand meiner Eltern, die mich am Sonntagmorgen viel lieber in der Kinderlehre gesehen hätten.»
Bei Christian sei das Feuer für die Fliegerei schon früh entfacht. Statt in der Primarschule Bäume oder Tiere zu zeichnen, fanden sich auf seinen Blättern Flugzeuge. Bereits in jungen Jahren habe er Modellflugmeetings mit Fesselflugzeugen organisiert. Schon damals sei es phänomenal gewesen, was Christian mit seinen Modellen in die Luft gezaubert habe.
So früh wie möglich machte Christian das Segelflugbrevet: «Um das Geld für das Übernachten zu sparen, ist er für die Flugstunden die Strecke von Titterten zum Flugplatz Grenchen und zurück mit einem geliehenen Töffli gefahren», erinnert sich sein Bruder. Seine grösste Niederlage habe Christian erleben müssen, als ihm wegen einer Augenverletzung aus der Schulzeit die Aufnahme als Militärpilot verweigert worden ist. «Als er nach diesem Entscheid nach Hause kam, hat er geweint», blickt Hannes zurück. Schnell folgte jedoch der Pilotenschein für zivile Motorflugzeuge. «Er wohnte damals in Allschwil und flog alle 14 Tage an unserem Hof vorbei, um sein Säcklein mit gebrauchter Wäsche abzuwerfen. Eines blieb mal zuoberst auf einem Birnbaum hängen», so Hannes Schweizer.
Mit seinem Flugzeug, einer Cap 231 EX mit der Immatrikulation HB-MSC, eroberte Christian Schweizer als Kunstflugpilot die Lüfte auf der halben Welt. 1972 feierte er seinen ersten Titel als Schweizer Meister, bis 1994 sollten noch 12 weitere folgen. Er war 1973 Europameister und an drei weiteren Meetings auf dem Treppchen, das er an der Weltmeisterschaft 1972 nur knapp verpasste. «Wir fieberten stets mit und waren stolz auf ihn, auch meine Eltern, die seine Begeisterung für das Fliegen anfänglich nicht teilen konnten», so Hannes Schweizer.
«Kein Tollkühner»
Peter Marthaler, ehemaliger Präsident der Aviatikjournalisten, schrieb im November 1998 im «Bund» über Christian Schweizer: «Seit Jahr und Tag war er einer der bekanntesten Kunstflugpiloten im Lande. Einer der Kühnsten, aber kein Tollkühner. Trotz verwegensten Figuren, trotz totaler Ausreizung aller technischen Möglichkeiten seiner Flugzeuge war er kein Hasardeur. Schweizer galt als topseriös. Ein Spitzensportler im Cockpit, für den die Sicherheit an erster Stelle stand. An unzähligen Meetings war er in dieser Beziehung ein Vorbild für viele junge Piloten, hielt sich immer hundertprozentig an alle Vorschriften. Der Crack, der weltweit zu den Top Ten der Kunstflugszene gehörte, blieb einfach und bescheiden, half jedem, der Rat oder Unterstützung nötig hatte, und förderte die Fliegerei, seine ganz grosse Leidenschaft.» Und zu Sohn Daniel, 1970 geboren: «Die Besessenheit hat sich vererbt. Das Duo Schweizer durfte an keinem Luftfahrtfest mehr fehlen. Es kam vor, dass Flugkapitän Schweizer und Co-Pilot Schweizer gemeinsam einen Businessjet an irgendeinen Punkt der Welt flogen. Für beide bedeutete dies das totale Glück.»
Felix Degen, aufgewachsen in Oberdorf, den die «Volksstimme» telefonisch in Schweden erreicht hat, war so etwas wie der fliegerische Ziehsohn von Christian Schweizer. Wie sein Vorbild war auch er viele Jahre lang Pilot bei der Schweizerischen Rettungsflugwacht Rega. «Christian hat mir sehr viel bedeutet, vor allem auch von der menschlichen Seite her. Ich habe seine Offenheit und seine Direktheit sehr geschätzt. Er hat das gesagt, was er dachte und stand stets dazu. Sein Absturz war irgendwie fast unglaublich. Er hat zwar gerne Grenzen ausgelotet, aber ich denke, dass ihm sein Leben auch sehr wichtig war.»
Sein letzter Flug sollte jener mit der P-51 Mustang sein. Im Gegensatz zur Mustang N51EA, auf der er mehr als 60 Flugstunden absolviert hatte, flog er die HB-RCW am 3. September zum ersten Mal. Technische Mängel, so die Flugunfalluntersuchung, seien am Unfallflugzeug nicht festgestellt worden. Die Kollision mit dem Gelände sei wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass beim brüsken Aufziehen das Flugzeug in den «High Speed Stall» geraten ist. Zum Unfall könnten möglicherweise der selbst auferlegte Zeitdruck und die ungewohnt niedrigen Höhensteuerkräfte auf der HR-RCW beigetragen haben. «Vorbeugung» hiess die neue Figur, die Christian Schweizer eigens für das Meeting in Airolo einstudiert hatte. Niemand sollte sie mehr zu sehen bekommen.
Unter dem Titel «Magische Lüfte über Titterten» hat Michael Weber einen eindrücklichen Film über Christian und Daniel Schweizer gedreht. Zu sehen ist er unter www.youtube.com Swiss Alps Fantastic (Christian und Daniel Schweizer REGA).
Zu den Personen
Christian Schweizer, geboren am 8. September 1945, war verheiratet mit Rosmarie Bächler und hatte zwei Kinder, Daniel und Andrea. Nach einer Lehre als Werkzeugmechaniker in der Tiba Bubendorf war er Flugzeugmechaniker in der Firma Air-Service auf dem Flugplatz Basel-Mülhausen. Nach seinem Eintritt in die Rettungsflugwacht Rega am 1. Oktober 1976 galt sein ganzes berufliches Engagement der Optimierung der Ambulanzfliegerei. Er wurde 1991 Chefpilot Flächenflugzeuge bei der Rega. Christian Schweizer absolvierte mehr als 11 000 Flugstunden auf mehr als 100 verschiedenen Flugzeugtypen, landete auf rund 650 verschiedenen Flugplätzen und flog mehr als 450 Flugshows.
Daniel Schweizer, geboren am 13. August 1970, war Pilot und Elektroniker. Er war als Kunstflugpilot wie sein Vater Schweizer Meister und holte verschiedene weitere Ehrenplätze an Meisterschaften, so einen 3. Rang mit der Schweizer Mannschaft an einer Weltmeisterschaft in der Slowakei. emg.