Mahnwache gegen Masern impfung
12.09.2023 Bezirk Sissach, Gesundheit, SissachOberbaselbieterin zog bis vors Bundesgericht
Weil sich die Eltern uneinig waren, entschied das Bundesgericht, dass deren Kinder gegen Masern geimpft werden sollen. Die Mutter spricht von einer «Zwangs- und Staatsimpfung». Übermorgen – am Tag vor der behördlich angeordneten Impfung – ...
Oberbaselbieterin zog bis vors Bundesgericht
Weil sich die Eltern uneinig waren, entschied das Bundesgericht, dass deren Kinder gegen Masern geimpft werden sollen. Die Mutter spricht von einer «Zwangs- und Staatsimpfung». Übermorgen – am Tag vor der behördlich angeordneten Impfung – soll es in Sissach eine Mahnwache geben.
Janis Erne
In Sissach will sich übermorgen eine Gruppe Menschen treffen, um gegen eine behördlich angeordnete Impfung von zwei Buben zu demonstrieren. Treffpunkt ist laut einem Schreiben, das auf der Social-Media-Plattform Telegram zirkuliert, die Geschäftsstelle der Kesb Gelterkinden-Sissach. Dabei soll auf die «Kinderrechte» aufmerksam gemacht werden.
Bei der Gemeinde Sissach ist die Kundgebung nicht angemeldet worden, wie Gemeindepräsident Peter Buser auf Anfrage sagt. Die Baselbieter Polizei hat laut Sprecher Adrian Gaugler Kenntnis von der Veranstaltung: «Wir führen eine laufende Lagebeurteilung durch, um gegebenenfalls Vorkehrungen zu treffen.»
Kantonsrichter überstimmt
Hintergrund der geplanten Mahnwache ist ein jahrelanger Rechtsstreit, der bis ans Bundesgericht gelangte. Ein Ehepaar aus dem Oberbaselbiet, das mittlerweile geschieden ist, war uneinig, ob seine minderjährigen Kinder gegen Masern geimpft werden sollen. Die beiden betroffenen Buben sind heute elf- und neunjährig.
2020 urteilte das Bundesgericht zugunsten des Vaters, der sich für die Impfung ausspricht. Die Richter begründeten, dass «die Frage, ob eine Masernimpfung durchzuführen ist oder nicht, keine Pattsituation zwischen den Eltern» ertrage. Ansonsten würde eine «Kindeswohlgefährdung» vorliegen, weil Masern eine hochansteckende Krankheit sei und ohne Impfschutz mit gesundheitlichen Risiken zu rechnen sei. In ihrer Begründung stützten sich die Richter auf Einschätzungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und der Eidgenössischen Kommission für Impffragen.
Interessant: Vor dem Baselbieter Kantonsgericht blitzte der Vater noch ab. Dieses wollte keine Impfung anordnen, weil die Schweiz bei Masern kein Impfobligatorium, sondern nur eine -empfehlung kenne. Die Bundesrichter kassierten das Urteil dann aber und wiesen das Kantonsgericht an, der Kesb anzuordnen, die Impfung zu verfügen. Vor rund einem Monat hat die Kesb das schliesslich getan – sehr zum Missfallen der Mutter. Sie spricht von einer «Zwangs- und Staatsimpfung» und setzt sich gegen deren Vollstreckung ein.
Unterstützung erhält sie dabei vom Verein PIU, dem «Verein für Kinderschutz, Homeschooling, WIR Wirtschaft und Umweltschutz». Die Mutter und «PIU» verlangen, dass der Impf-Entscheid den Buben überlassen werden soll. Gemäss Aussagen der Mutter auf dem TV-Sender «Hoch2», der Impfgegnern regelmässig eine Plattform bietet, lehnen ihre Kinder die Impfung ab.
Doch das Gerichtsurteil steht und die behördlich angeordnete Impfung ist auf diesen Freitag angesetzt. Mit der Mahnwache will die Gegnerschaft den Buben vorab «mentale Unterstützung» leisten. Wie viele Personen daran teilnehmen werden, wird sich zeigen.
Entscheid mit Leitcharakter
je. Das Bundesgerichtsurteil, das die Familie aus dem Oberbaselbiet betrifft, hat Leitcharakter – und zwar über die Impfung gegen Masern hinaus. Im vergangenen Jahr stützte sich das Obergericht des Kantons Aargau auf diesen Entscheid und wies eine Mutter an, ihr Kind gegen verschiedene Krankheiten (Diphtherie, Tetanus, Masern, Mumps, Röteln und Pneumokokken) impfen zu lassen. Auch hier waren sich die Eltern uneins, ob ihr Kind geimpft werden soll oder nicht. Über den Fall hatten mehrere grosse Medienhäuser berichtet.