«Wir glauben an einen Energiemix»
29.09.2023 Basel, Energie/Umwelt, Verkehr, Gesellschaft, BaselbietAusgefragt mit Thomas Bundschuh, Leiter Marketing und Vertrieb der Fritz Meyer AG
Die Fritz Meyer AG betreibt in der Nordwestschweiz 45 Avia-Tankstellen. In Pratteln kann jetzt auch Wasserstoff getankt werden. Dies als Teil des zukünftigen Mobilitäts-Energiemix aus ...
Ausgefragt mit Thomas Bundschuh, Leiter Marketing und Vertrieb der Fritz Meyer AG
Die Fritz Meyer AG betreibt in der Nordwestschweiz 45 Avia-Tankstellen. In Pratteln kann jetzt auch Wasserstoff getankt werden. Dies als Teil des zukünftigen Mobilitäts-Energiemix aus fossilen Treibstoffen, Strom und Wasserstoff.
Christian Horisberger
Herr Bundschuh, vor einer Woche wurde die Wasserstoff-Tankstelle in Pratteln eröffnet. Wissen Sie, wie viele Lastwagen und Autos bereits betankt worden sind?
Thomas Bundschuh: Aufgrund eines Vertrags mit dem Lastwagenbauer Hyundai, der in Kooperation mit Coop, Migros und Transportfirmen in der Schweiz eine Flotte von gegen 50 Wasserstoff-Lastwagen im Einsatz hat, gehen wir von monatlich 60 Betankungen von Lastwagen aus, also durchschnittlich 15 pro Woche. Personenwagen dürften etwa gleich viele betankt werden. Das heisst, dass bei uns in einer Woche rund 600 Kilogramm Wasserstoff umgesetzt werden. Ein Lastwagen füllt bei einer Betankung 25 bis 30 Kilogramm flüssigen Wasserstoff, ein Auto 7 bis 8 Kilogramm.
Sehr viel ist das ja nun nicht. Es scheint so, dass sich der Elektroantrieb als Alternative zu Benzin und Diesel durchsetzen wird. Das Netz der E-Ladestationen wächst, die Modellpalette der Fahrzeuge ebenso. Warum setzen Sie parallel dazu auf Wasserstoff?
Wir glauben an einen Energiemix in der Zukunft. Dieser wird aus herkömmlichen Treibstoffen, einem Teil Strom und einem Teil Wasserstoff bestehen. Jede Energiequelle hat ihre Vor- und Nachteile. Diesel dürfte für schwere Maschinen beim Befördern von grossen Lasten über lange Strecken unschlagbar bleiben. Wasserstoff sehe ich primär im Schwerlastverkehr bis 30 Tonnen, Kleinlastwagen und Lieferwagen. Elektrofahrzeuge überzeugen im Personenwagen-Bereich mit einem Pendler-Radius von bis zu 50 Kilometern. Unser Unternehmen ist energieoffen. Daher bauen wir die Wasserstoffsparte auf.
Auch die Elektro-Sparte?
Unter dem Label Avia Volt bauen wir auch ein Netz mit Elektro-Ladestationen auf. Unser Konzept sieht vor, Ladevorrichtungen anzubieten, an denen eine Autobatterie in 20 bis 25 Minuten aufgeladen werden kann.
Wasser aus dem Auspuff, das klingt sehr sympathisch, das Tanken aber erfolgt unter 700 bar Druck und Wasserstoff ist hochexplosiv. Mir fällt da immer zuerst die brennende «Hindenburg» ein …
Die Wasserstofftankstellen in der Schweiz erfüllen höchste Sicherheitsstandards. Alles wird amtlich abgenommen, gewartet und überwacht. Die Technik ist verlässlich und stabil. Der Tankvorgang ist identisch mit dem bei Erdgas-Fahrzeugen, der ebenfalls unter sehr hohem Druck erfolgt. Dabei kann man nichts falsch machen. Die Tankkupplung wird auf den Stutzen am Auto gesetzt. Erst wenn ein Hebel vollständig umgelegt wird, erfolgt der Druckaufbau zwischen Auto und Tankanlage und anschliessend die Befüllung.
Woher stammt der Wasserstoff an der Tankstelle in Pratteln?
Wir kaufen ausschliesslich grünen Wasserstoff ein. Unser Lieferant ist die Hydrospyder AG, ein Unternehmen, das ebenfalls in den Vertrag mit Hyundai eingebunden ist. Der Wasserstoff, den es uns liefert, stammt grossenteils aus der Wasserstoffproduktion am Wasserlaufkraftwerk in Gösgen. Die Produktionskapazität ist allerdings knapp.
Das will Ihr Unternehmen ändern. Es plant gemeinsam mit den Industriellen Werken Basel im Birsfelder Hafen eine Produktionsanlage für grünen Wasserstoff. Wie ist der Stand der Planung?
Aktuell wird eine Machbarkeitsstudie erstellt. Unser Ziel ist es, Anfang nächstes Jahr einen Entscheid fällen zu können, ob wir die Anlage an diesem Standort realisieren können.
Falls ja, wann kann die Produktion bestenfalls beginnen?
Das hängt von vielen Faktoren ab, beispielsweise auch von der Verfügbarkeit und den Lieferfristen elementarer Bauteile, und ist daher schwierig zu sagen. Allenfalls 2026 oder 2027.
Das erste Projekt auf der Kraftwerksinsel Birsfelden wurde von der Standortgemeinde und vom Kanton abgelehnt. Gibt es für das Vorhaben im Hafen ebenfalls Gegenwind?
Nein, bisher nicht. Die Standortwahl wird allseits begrüsst – auch von der Gemeinde Birsfelden.
Zurück nach Pratteln. Weshalb hat die Fritz Meyer AG diesen Standort für ihre erste Wasserstofftankstelle in der Nordwestschweiz ausgesucht?
Es handelt sich um ein Gelände in unserem Eigentum, die Autobahn liegt nur fünf Minuten entfernt und wir befinden uns hier in einem spannenden Gewerbe- und Industriegebiet.
Was kostet der Wasserstoff an der Tankstelle?
Ein Kilo kostet 20.80 Franken.
Wie weit kommt man damit?
In einem Personenwagen schafft man mit einer Tankfüllung rund 500 Kilometer. Bei 7,5 Kilogramm Verbrauch auf diese Distanz bedeutet das Treibstoffkosten von rund 150 Franken. In einem vergleichbaren Dieselfahrzeug schlagen die Treibstoffkosten mit rund 70 Franken zu Buche. Bei einem Lastwagen sieht die Rechnung so aus: Für 500 Kilometer werden 28 Kilogramm Wasserstoff zu einem Preis von 580 Franken benötigt. Ein herkömmlicher Lastwagen verbrennt auf derselben Strecke Diesel für 180 Franken. Dafür entfällt beim Wasserstofflastwagen die LSVA.
Diese Kosten sprechen eindeutig gegen Wasserstoff.
Zurzeit allenfalls. Vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs kostete Wasserstoff noch rund die Hälfte. Seither sind die Strompreise durch die Decke gegangen, was sich auf die Produktionskosten niederschlägt.
Wer sich jetzt trotz des teuren Treibstoffs für ein Wasserstoff-Auto entscheiden sollte, hat keine grosse Modellauswahl.
Das ist so. Aktuell sind lediglich zwei Modelle auf dem Markt verfügbar: der Hyundai Nexo, ein SUV, und die Sportlimousine Toyota Mirai. Meines Wissens haben Opel und Renault kleine Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzelle in der Pipeline.
Wie fahren sich die Wasserstoff-Autos?
Unsere Firma hat den Nexo in der Flotte. Er fährt sich wie ein Elektroauto: leise, starkes Drehmoment. Er ist ausserdem sehr komfortabel und sieht etwas futuristisch aus. Der Toyota Mira ist eine luxuriöse Limousine. Man wähnt sich in einem Lexus, der Edel-Marke von Toyota.