Von Installationen und Irritationen
28.07.2023 Bezirk Sissach, Kultur, Porträt, SissachNicolas Vionnet präsentiert vielfältige Werke im Ebenrainpark
Einer der Künstler, der noch bis Ende Oktober im Ebenrainpark in Sissach mit seinen Werken anzutreffen ist, ist Nicolas Vionnet: Der Künstler, der in Buckten aufgewachsen ist und in Sissach gelebt hat, setzt auf Werke, die ...
Nicolas Vionnet präsentiert vielfältige Werke im Ebenrainpark
Einer der Künstler, der noch bis Ende Oktober im Ebenrainpark in Sissach mit seinen Werken anzutreffen ist, ist Nicolas Vionnet: Der Künstler, der in Buckten aufgewachsen ist und in Sissach gelebt hat, setzt auf Werke, die zum genauen Hinschauen und Nachdenken anregen.
Peter C. Müller
Die Gruppe Schülerinnen, die es sich bei der Hitze auf der Parkbank im Schatten unter den Bäumen bequem gemacht hat, um gemeinsam Schulaufgaben zu besprechen, staunt nicht schlecht: Was sollen diese Bauprofile auf der Insel im Weiher des Schlossparks? Gibt es hier eine grössere Behausung für die Enten? Oder kommt das Holzhäuschen weg, um etwas anderem Platz zu machen? Eifrig wird diskutiert und analysiert: Vieles kommt infrage. Und auch flanierende Passantinnen und Passanten geraten ins Gespräch darüber, was sie hier vor Augen haben. Die grösseren und kleineren Bauprofile mit ihren roten Endmarkierungen lassen durchaus Raum für Mutmassungen und Spekulationen …
Schauplatzwechsel auf die andere Seite des Schlosses Ebenrain: Hier ist – erst auf den zweiten Blick – an einem mehrere Meter hohen alten Turm mit einigen Fenstern ein geflochtener Haarzopf erkennbar. Rund fünf Meter lang ist der Zopf, liest man auf einem nahen Hinweisschild, und er gehört Persinette, die hier ihr Haar herunterlässt. Sie war die Urfigur eines französischen Volksmärchens, das durch die Brüder Grimm im deutschsprachigen Raum als Rapunzel bekannt wurde. «Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter», kommt einem gleich einer der Kernsätze in den Sinn, als der Prinz zu ihr hinaufklettern wollte.
Der Künstler Nicolas Vionnet, so ist zu erfahren, verweist hier in seiner Arbeit auf die teilweise bewegte Geschichte eines der einstigen Schlossherren, des Basler Handelskaufmanns Johann Rudolf Ryhiner-Streckeisen, der hier in einem der Räume wegen Anklage auf Bigamie seinem Leben ein Ende setzte.
Hält hier bald ein Bus?
In Gedanken versunken gehts weiter. Entlang der Spazierwege oder über die grüne Wiese zu einer Haltestelle mit Fahrplan: Hält hier tatsächlich bald ein Bus der BLT? Schliesslich sind hier, wenn auch spät nachts, einige Abfahrtszeiten vermerkt. Zudem gibt es inmitten der Wiese einen kleinen asphaltierten Platz mit einer Bodenmarkierung. Allein die Sitzgelegenheit, um auf den Bus zu warten, fehlt.
«Das hier ist eines meiner Lieblingsobjekte», sagt Vionnet. «Hier hat vieles gepasst: Die Idee dahinter, die Zusammenarbeit mit der BLT und schliesslich die Installation selbst: Die Leute, die hier vorbeigehen, fühlen sich – wie beabsichtigt – verunsichert!»
Im Dialog stehen
Nicolas Vionnet ist fasziniert von Irritationen. Hauptsache, seine Installationen stehen im Dialog mit ihrer Umgebung und rufen beim Betrachter oder der Betrachterin eine Reaktion hervor. Seine Arbeiten schreien nicht nach Aufmerksamkeit, sondern präsentieren sich zurückhaltend und mit subtilem Witz. Sie bauen ein Spannungsfeld auf, fordern den Betrachter heraus und machen neugierig.
Vionnet, geboren 1976, lebt und arbeitet – der Liebe wegen – im Raum Zürich, am Greifensee. Er ist Vater zweier Töchter. Seine Ausbildung hat er an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel absolviert. An der Bauhaus-Universität Weimar hat er 2009 den Studiengang «Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategie» mit dem Master of Fine Arts abgeschlossen. Seit 1999 hatte er zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, zum Beispiel in Berlin, Odessa, Aarhus, New York oder Moskau.
Strukturiert arbeiten
Künstlerisch geprägt wurde er von seiner Grossmutter, Dorette Huegin aus Riehen, in deren Atelier er oft zu Gast war. Als Jugendlicher war er zudem aktiv als Graffiti-Künstler unterwegs. Auch wenn in jener Zeit noch vieles illegal gewesen sei und man von Vandalismus gesprochen habe, so habe er damals «an den Bahngeleisen» vieles für seine Zukunft mitbekommen: «Ich habe gelernt, strukturiert zu arbeiten: Als Erstes ein Konzept haben, dann die Grösse und die Proportionen beachten und schliesslich mit den passendsten Materialien das Werk umsetzen.»
Es sei eine wichtige Zeit gewesen, die ihn geprägt habe, meint er, der sich immer noch regelmässig mit grossformatiger Malerei auseinandersetzt. «Ich arbeite auch heute noch sehr gerne aus dem Ort heraus. Ich kann oft gar nicht mehr anders. Ich beschäftige mich mit Installationen und Interventionen.» Dies nach dem Prinzip: Stören, bewusst in den Raum eingreifen und auf die Reaktionen des Publikums warten. «Der Dialog und die Konfrontation sind bei meinen Werken recht wichtige Elemente.»
Hat er schon Rückmeldungen zu seinen Werken im Garten von Schloss Ebenrain bekommen? Direkte Reaktionen bekomme man eher selten, meint Vionnet, am ehesten noch von Freunden oder Bekannten. Doch viele hätten beim Betrachten ein Lächeln oder Schmunzeln auf den Lippen. «Und das ist auch genau das, was ich möchte», sagt der Künstler: «Brücken bauen über Humor, denn vieles wird heute einfach zu ernst genommen.»
Und wie steht es mit Angeboten für einen Ankauf? Das sei bei «ortsspezifischer Kunst» relativ schwierig, meint Vionnet: «Da besteht kein riesiges Kaufinteresse. Der Kreis, der so etwas erwirbt, ist relativ klein und beschränkt sich auf Sammler und Institutionen.» Doch an die Vergänglichkeit seiner Installationen oder Interventionen habe er sich auch gewöhnt. «Kurze Standzeiten haben auch was Schönes, gewissermassen eine gewisse Qualität.»
Nach Sissach sind Vionnets Installationen und Irritationen im Eduard Spörri Museum in Wettingen zu sehen: Hier findet unter dem Titel «WAU! Tierische Kunst!» eine weitere Gruppenausstellung mit Beteiligung des Künstlers statt. Man darf gespannt sein, was Vionnet dem Publikum dann präsentieren wird.