Radiogeschichte im Elektra-Häuschen
14.04.2023 Bezirk Waldenburg, LangenbruckCarlo Paganin lebt seine Sammelleidenschaft
Seine gesammelten Gegenstände, von der Drehorgel aus dem Jahr 1890 bis zum modernen Smartphone, könnten ein ganzes Museum füllen. Doch diesen Traum hat Carlo Paganin aus Langenbruck begraben.
Elmar Gächter
Es ist ...
Carlo Paganin lebt seine Sammelleidenschaft
Seine gesammelten Gegenstände, von der Drehorgel aus dem Jahr 1890 bis zum modernen Smartphone, könnten ein ganzes Museum füllen. Doch diesen Traum hat Carlo Paganin aus Langenbruck begraben.
Elmar Gächter
Es ist eng, sehr eng in der ehemaligen Transformatorenstation. Hier ist man froh um einen sportlichen Body-Mass-Index. Der Eigentümer bringt einen solchen auch mit seinen 77 Jahren mit und bewegt sich problemlos um die zahlreichen Gerätschaften und Apparaturen, verteilt auf drei Stockwerken. Mit dem Kauf des Elektra-Häuschens hat er sich vor ein paar Jahren einen Traum erfüllt, um seine Sammelleidenschaft – längst nicht der einzigen – ganz praktisch zu leben. Viele seiner Gegenstände aus vergangenen Zeiten haben auf irgendeine Weise mit der eigenen Geschichte des Sammlers zu tun. Carlo Paganin war während 15 Jahren Tontechniker beim «Radio Studio Basel», ein begeisterter, notabene.
Wäre es nach der Empfehlung des Berufsberaters gegangen, wäre Paganin Maurer geworden. «‹Nein, ich will Radioelektriker werden›, so meine damalige Antwort», blickt er in seine Jugendzeit in Bottmingen zurück. Für den Schulabgänger war sonnenklar, in welche Richtung es für ihn beruflich gehen sollte. 1963 konnte er in Konkurrenz mit mehreren Bewerbern eine der raren drei Lehrstellen in Basel ergattern, ging nach der Ausbildung zur Balair und war während eines halben Jahres im westafrikanischen Cotonou für das Elektrische der Flugzeugtypen DC 6 und Transall zuständig. «Eine Riesengeschichte, die ich nie missen möchte, auch wenn ich mich mit Malaria infiziert habe», erinnert er sich. Er bildete sich am Abendtechnikum zum Elektroingenieur aus, und landete nach einem Abstecher in die chemische Industrie 1975 beim «Radio Studio Basel», wo er in der Produktionstechnik zeitweise Chef von rund 40 Mitarbeitenden war.
Zusammenarbeit mit Jürg Jecklin
Carlo Paganin schwelgt in seinen Erinnerungen an die Radiozeit. «Unter diesen Leuten habe ich mich immer wohlgefühlt.» Die erste Aufnahme als Tontechniker machte er mit Mäni Weber und dessen Sendung «Alles fahrt Ski», bei der Zuhörer nach den Klängen eines Handörgeler-Trios jeden Morgen um 6 Uhr geturnt haben. Er erinnert sich an die legendäre Elisabeth Schnell, die stets ihr Hündchen unter ihrem Moderatorinnenpult mit dabei hatte, an Ueli Beck oder Marcel Wunderlin, der das Glockengeläut aller Kirchen des Baselbiets aufgezeichnet hat.
Ganz besonders gern blickt er auf die Zusammenarbeit mit Jürg Jecklin zurück. «Er als Tonmeister und ich als Tontechniker haben im Studio zusammen Musikaufnahmen gemacht. Dabei kam es vor, dass wir mehr über Flugzeuge gesprochen haben, als uns dem Interpreten zu widmen. Doch Jecklin entging nicht der kleinste Nebenton. Er hatte ein so fantastisches Musikgehör.» Paganin spricht auch heute noch voll Bewunderung vom grossen Wissen der Moderatorinnen und Moderatoren, von dem auch er profitiert habe.
Auch stressige Situationen blieben Paganin nicht erspart. Er erwähnt eine Live-Übertragung aus dem Kunsthaus Luzern, die in ganz Europa ausgestrahlt wurde. «Plötzlich fiel der Strom aus und wir waren eine kurze Zeit total weg vom Fenster», erzählt er. «Es hiess, so schnell wie möglich neue Leitungsverbindungen zu finden. Der Schreckensmoment blieb und an Reklamationen fehlte es auch nicht.»
Wandel mit Folgen
Prägend bleiben für ihn auch die Konzerte des eigenen Radio-Symphonieorchesters, die im Studio in Riehen aufgenommen und für die spätere Übertragung zusammengeschnitten wurden. Diese Aufnahmen gebe es immer noch und seien hin und wieder auch heute am Radio zu hören. Als einschneidend für ihn und seine technischen Mitarbeitenden bezeichnet er den Zeitpunkt, als man auf die Selbstfahrtechnik umgestiegen ist, bei der die Moderatoren auch die Aufgaben der Operateure übernommen haben. «Es war keine einfache Zeit, meinen Mitarbeitern zu vermitteln, dass ihre Mitarbeit nicht mehr gefragt war.»
Heute erinnern seine Datenaufzeichnungsmaschinen mit Schelllackplatten, der Kathodenstrahloszillograph, der unter anderem die Schwingungen der Tonfrequenzen wiedergab, das Mischpult der damals bekannten Marke Studer 169, Radiogeräte aus der Anfangszeit des Rundfunks, eine ganze Palette von Tonbandgeräten und Plattenspielern und vieles andere mehr an seine Zeiten im «Radio Studio Basel». Daneben ist eines jener Geräte zu bewundern, die man einst für die 160er-Nummern bei der PTT eingesetzt hat.
«Keine Ahnung, wie viele Gegenstände ich ausgestellt habe, ich weiss nur, dass ich platzmässig am Limit bin», sagt Paganin über eine Sammlung. Eines seiner Ziele, die grosse Sammlung zu beschriften, liegt noch vor ihm. Auch will er auf einem Radio aus der Gründerzeit mit alten Tonbändern und über Draht die Mittelwelle des legendären «Radio Beromünsters» zu neuem Leben erwecken.
Grosse Handysammlung
Paganin ist vom Sammlervirus befallen. Davon zeugen unter anderem seine Plaketten sowohl von der Basler- als auch der Liestaler Fasnacht, die lückenlos und wohlgeordnet zu bewundern sind. Wohl einmalig, mindestens auf privater Basis, sind seine rund 700 Natels und Handys, aufbewahrt in diversen Vitrinen. «Mit dem ersten Natel A, verpackt in einem grösseren Koffer, 13 Kilo schwer und rund 10 000 Franken teuer, habe ich in den Anfangszeiten beim ‹Radio Studio Basel› gearbeitet», so Paganin.
An seiner Sammlung, welche die ganze Palette vom ersten Nokia bis zum modernsten Smartphone umfasst, fasziniert ihn vor allem die digitale Technik. «Ich bewundere diese Entwicklung, hinter der stets Menschenhand gestanden ist.» Als Elektroingenieur hat auch er selber einen guten Zugang zu allem Digitalen, kennt sich in der Programmierung aus und repariert für Bekannte und Freunde schon einmal auch ein Handy.
Den Anstoss zu seiner Sammlung gab ein Besuch auf dem Entsorgungsplatz der Gemeinde vor rund fünf Jahren. Jemand habe eine grössere Anzahl an nicht mehr funktionsfähigen Handys wegwerfen wollen. Diese Ware habe er gerne übernommen und dabei sei das Interesse entstanden, solche Geräte in grösserem Stil zu sammeln. Viele seiner Stücke sind ihm in der Zwischenzeit zugetragen worden, andere hat er im Internet ersteigert. Darunter sind auch viele Ausstellungsmodelle, sogenannte Dummys, die zwar genau gleich wie die richtigen aussehen, aber nicht funktionieren und sehr günstig zu erwerben sind.
Seinen Traum, die vielen Sammlerstücke in einer Art musealem Raum auszustellen, gekoppelt mit der Geschichte von Langenbruck, hat Paganin inzwischen begraben. «Dies übersteigt meine finanziellen Möglichkeiten. Und in meinem Alter dafür eine Trägerschaft zu finden, ist auch nicht einfach.» Aber eine Baustelle, wie Carlo Paganin sie nennt, will er schon noch abschliessen. Seine Sammlung will er neu ordnen und die Stücke einzeln beschriften. Dies sei jedoch ein Riesenaufwand und er verschiebe die Arbeit auf jene Zeit, wenn er dereinst nicht mehr so beweglich sei.
Zudem wartet ein anderes Projekt darauf, einen gebührenden Abschluss zu finden: seine Orchideensammlung.
Zur Person
emg. Der 77-jährige Carlo Paganin ist in Bottmingen aufgewachsen, in Binningen in die Schule gegangen und hat sich nach seiner Lehre als Radioelektriker im Abendstudium zum Elektroingenieur weitergebildet sowie das Nachdiplomstudium in Akustik absolviert. Nach beruflichen Stationen unter anderem bei der Balair, bei der Ciba-Geigy, im Kantonsspital Basel und beim «Radio Studio Basel» liess er sich 2006 frühpensionieren. Er lebt seit 1997 in Langenbruck, seit seine Frau vor rund zwei Jahren gestorben ist, als Witwer. Seit mehreren Jahren ist er – mit Unterbrüchen – Gemeinderat seiner Wohngemeinde.