Lorbeerkranz oder Dornenkrone – Karfreitag und Ostern
06.04.2023 Baselbiet, KircheGedanken zu den bevorstehenden Feiertagen von Pfarrer Eric Hub
«Urbi et orbi» – so wird der Papst, wenn er denn wieder von seiner Erkältung genesen ist, an Ostern die Stadt und die Welt segnen. So weit, so gut, denn segnen bedeutet Gutes sagen, Gutes wünschen. Doch ein ...
Gedanken zu den bevorstehenden Feiertagen von Pfarrer Eric Hub
«Urbi et orbi» – so wird der Papst, wenn er denn wieder von seiner Erkältung genesen ist, an Ostern die Stadt und die Welt segnen. So weit, so gut, denn segnen bedeutet Gutes sagen, Gutes wünschen. Doch ein Beigeschmack bleibt, bekanntlich gibt es ja immer mindestens zwei Seiten. Franziskus kritisiert zwar im Namen seiner Kirche die russische Invasion, spricht sich für den Frieden aus und betonte mehrfach, dass Ostern den Willen Gottes für das Leben dokumentiert. Metropolit Kyrill hingegen segnet diese Tage die russischen Truppen, lobt ihren Kampf und vergleicht den Tod der Soldaten sogar mit dem Tod Jesu am Kreuz. Da staunt der Laie und wundert sich der Fachmann. Wie nun – Krieg oder Frieden? Ist der christliche Glaube im Fall des Ukraine-Krieges ein Teil des Problems oder der Lösung? Lässt sich mit der Bibel dieser Krieg legitimieren? Jedenfalls ist Papier geduldig und alle Welt kann in die Heiligen Schriften hineinlesen, was er oder sie will. Herauslesen kann man aus den biblischen Berichten über Jesus hingegen nicht alles Mögliche, dazu ist die Botschaft zu deutlich.
Das Verhältnis von Staat und Religion, aber auch Gewaltausübung und Friedenswillen sind in den Evangelien ein zentrales Thema. Die Zeitgenossen von Jesus kannten nur eine Form der Regierung: das römische Imperium unter der Herrschaft des Kaisers. In religiösen Fragen agierten die Römer durchaus pragmatisch, solange man den Kaiser als höchste Autorität nicht infrage stellte. Diese absolutistische Ideologie wurde für die Juden und die ersten Christen dort zum Problem, wo der Kaiser einen Gehorsam einforderte, der nach ihrer Vorstellung nur Gott allein gebührte.
Es erstaunt darum nicht, dass die Evangelien auch eine subversive Gegenerzählung zur religiös aufgeladenen imperialen Herrschaft des Kaiser darstellen. Geburt, Tod und Auferstehung von Jesus Christus werden uns in diesem Kontext erzählt. Es geht um Folgendes: Wer ist der wahre Herrscher dieser Welt, Cäsar oder Christus? Lorbeerkranz oder Dornenkrone? Diese Fragen bringt auch der aufstrebende Schweizer Kunstmaler Manuel Dürr in seinem Bild «The Challenge of Paul» (siehe oben) auf den Punkt. Siegt die Macht des Kreuzigers, oder die des Gekreuzigten? Wie verhalten sich Religion und Politik zueinander? Das war schon immer aktuell.
Darum ist bereits die Weihnachtsgeschichte mit der Weltgeschichte verknüpft: «Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augus- tus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. (Lukas 2, 1)»
Die Bibel erzählt uns von Jesus als dem Sohn Gottes, der Bericht über dessen Geburt beginnt mit Kaiser Augustus. Interessanterweise haben zeitgenössische römische Texte, die Geburt ebendieses Augustus ebenfalls als Geburt eines Sohnes Gottes beschrieben!
«Da die Vorsehung, welche unser Leben ordnet, alle Mühe und allen Eifer aufgewandt, das für unser Leben vollendete Gute geschaffen und den Augustus, den sie zum Wohl der Menschheit mit jeder guten Fähigkeit erfüllt hat, für uns und unsere Nachkommen wie einen Gott an ihrer Stelle hervorgebracht hat … und mit dem Geburtstag dieses Gottes für die Welt die [frohen Botschaften] Evangelien, die von ihm ausgehen, ihren Anfang nahmen …» So lautet das römische Evangelium von Augustus. Alles Gute kommt von oben – genauer gesagt: dem Kaiser. Frohe Botschaft bedeutet im Sprachgebrauch des Römischen Reiches also einen kaiserlichen Erlass, über den sich das Volk gefälligst zu freuen hat. Ein Evangelium war nicht eine fröhliche Geschichte, sondern etwas, das aufgrund der höchsten Macht durchgesetzt wird. In einem Akt der rhetorischen Piraterie bemächtigen sich nun die Autoren der neutestamentlichen Schriften dieses Begriffs und deuten ihn radikal um.
Das Evangelium von Jesus Christus lautet denn auch nicht, dass ihm Steuern zu entrichten sind, sondern dass in ihm die Liebe Gottes, die allen Menschen gilt, aufleuchtet: «Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab … (Johannesevangelium 3, 16)»
Von der Nächstenliebe und Gottesliebe wird Jesus sein Leben lang sprechen. Diese bleiben für ihn so zentral, dass er selbst unter Lebensgefahr auf Gewaltverzicht beharrt. Seine letzten Minuten in Freiheit legen davon Zeugnis ab. «Siehe, da kam eine Schar; und einer von den Zwölfen, der mit dem Namen Judas, ging vor ihnen her und nahte sich Jesus, um ihn zu küssen. Jesus aber sprach zu ihm: Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss? Als aber die um ihn waren, sahen, was geschehen würde, sprachen sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? Und einer von ihnen schlug nach dem Knecht des Hohen Priesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Da sprach Jesus: Lasst ab! Nicht weiter! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn. (Lukas 22, 47–51)»
Lasst ab! Nicht weiter! Jesus greift ein, stoppt die Gewalt. Dringlich und unmissverständlich macht er klar: Seine Sache wird nicht mit dem Schwert verteidigt! Im Gegenteil, das letzte Wunder, das Jesus vollbringt, bringt Heilung für einen, der ihm Unheil brachte. Wenn Taten lauter als Worte sprechen, dann dröhnt die Friedensbotschaft hier ganz schön laut.
Anschliessend wird Jesus von den religiösen und politischen Eliten der Prozess gemacht. In diesen Verhandlungen lässt Jesus keinen Zweifel offen, dass man seinen Willen nicht tut, indem man das Schwert ergreift.
«Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von hier. (Johannes 18, 36)»
Da haben wir es: Kriege mögen manchmal in Gottes Namen geführt werden – in seinem Sinne hingegen nie! Jesus setzt der kaiserlichen Macht seine göttliche Ohnmacht entgegen.
Daraufhin wird Jesus vor Gericht gestellt, ausgepeitscht, und voller Hohn in einen Purpurmantel gesteckt. Die Behörden setzten ihm die Dornenkrone auf und liessen ihn den schmählichen Tod am Kreuz erleiden. Alle Welt sollte sehen, dass Cäsar über Christus triumphiert.
Die Kreuzigung wird uns als Ort des Grauens geschildert. Niederlage, Verzweiflung und Tod liegen in der Luft. Keine Taube, kein Heiligenschein – nur das dröhnende Schweigen Gottes. Dort, wo nach unserem Verständnis Gott hätte eingreifen müssen, tat er es nicht. Nach menschlicher Sicht ist Golgatha der Ort der absoluten Niederlage des Guten.
Aber das ist noch nicht das Ende. Auf Karfreitag lässt Gott Ostern folgen. Das Sterben Jesu führt nicht zu Tod und Verwesung, Christus wird auferstehen. Herr über Leben und Tod ist nicht der Kaiser – er kann nur Leben beenden. Gott hingegen schafft Leben aus dem Tod! Gott steht auf der Seite derjenigen, die unter Gewalt leiden, nicht derjenigen, die sie ausüben! Der göttliche Friedenswille ist grösser als menschlicher Kriegshunger.
Für alle, die das nicht verstehen, betete Jesus am Kreuz: «Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun! (Lukasevangelium 23, 34)»
Eric Hub ist Pfarrer in der Reformierten Kirchgemeinde Gelterkinden-Rickenbach-Tecknau.