Öko-Kehrichtabfuhr kaum gefragt
04.04.2023 Baselbiet, Eptingen, Bezirk SissachEntsorgungsunternehmen setzt auf Elektrofahrzeuge
Die Autogesellschaft Sissach-Eptingen entsorgt den Kehricht geräuscharm und CO2-neutral mit Elektrofahrzeugen zu einem konkurrenzfähigen Preis. Bei ihren Ausschreibungen für die Kehrichtabfuhr ist den Gemeinden «Öko» aber ...
Entsorgungsunternehmen setzt auf Elektrofahrzeuge
Die Autogesellschaft Sissach-Eptingen entsorgt den Kehricht geräuscharm und CO2-neutral mit Elektrofahrzeugen zu einem konkurrenzfähigen Preis. Bei ihren Ausschreibungen für die Kehrichtabfuhr ist den Gemeinden «Öko» aber schnuppe.
Christian Horisberger
Wir sitzen in einem Kehrichtfahrzeug der Marke Volvo, das die Autogesellschaft Sissach-Eptingen (AGSE) vor gut drei Wochen in Betrieb genommen hat. Nichts ruckelt und ächzt, nichts scheppert und rumort. Leise und sanft gleitet der Lastwagen durch die Lande. In der Führerkabine ist es selbst bei zügiger Fahrt fast so still wie in einer Konzerthalle: Das Fahrzeug wird mit Strom betrieben. Willkommen im Elektrozeitalter – bei der Müllabfuhr!
Es handelt sich um das bereits fünfte vollelektrische schwere Kehrichtfahrzeug im Fuhrpark des Oberbaselbieter Entsorgungsunternehmens. Die sechs weiteren schweren Nutzfahrzeuge sind noch mit Diesel unterwegs. Seit 2020 stelle er seine Flotte nach und nach auf Strom um, sagt Peter Eggenschwiler, Inhaber und Geschäftsführer der gleichnamigen, auf Entsorgung und Baustellentransporte spezialisierten Firmengruppe, zu der auch die AGSE gehört (siehe Kasten). In der ganzen Gruppe mit insgesamt 32 Fahrzeugen stünden 8 unter Strom, davon 5 Kehrichtwagen. Ein sechster werde im Sommer geliefert. «Damit verfügen wir nach der Stadt Basel über die zweitgrösste Elektroflotte der Schweiz», sagt Eggenschwiler. «Das ist die Zukunft, sie lässt sich nicht aufhalten.» Aber noch ist sein Abfuhrunternehmen im Oberbaselbiet als einziges elektrisch unterwegs.
Die ersten E-Kehrichtfahrzeuge der Schweiz sind 2018 im Rahmen eines vom Bund unterstützten Versuchs in Betrieb genommen worden. Eggenschwiler verfolgte dieses Programm aufmerksam und erkannte im Einsatz von Elektrofahrzeugen eine Chance, sich von der Konkurrenz abzuheben. 2020 nahm er das erste mit Strom betriebene Kehrichtfahrzeug in seine Flotte auf.
Öko als Mehrwert
«So wichtig eine funktionierende Kehrichtabfuhr sein mag – der Erbringer der Dienstleistung ist austauschbar», beschreibt der Unternehmer die Konkurrenzsituation. Mit den E-Kehrichtfahrzeugen jedoch könne er den Gemeinden als Auftraggeber einen Mehrwert bieten: gleiche Leistung und Preise, doch weniger Lärm und keine Abgase. Die einzige Bedingung, die der Unternehmer an seine Auftraggeber stellt, sind langfristige Verträge. Damit sichere er sich ab, dass er die teureren Elektrofahrzeuge dauerhaft auslasten kann, sagt er.
Noch aber greift «Elektro» als Verkaufsargument nicht so, wie Eggenschwiler sich das wünschen würde. Bei den Ausschreibungen kommunaler Entsorgungsaufträge werde der ökologische Aspekt so gut wie nie gewichtet, sagt er. «Das ist falsch.» Bislang hätten erst zwei Gemeinden im Oberbaselbiet den Öko-Kehrichtabfuhrservice der AGSE geordert.
«Öko» bedeutet in Bezug auf Kehrichtfahrzeuge vor allem «Strom anstatt Diesel». Bei einem 27-Tonnen-Fahrzeug mit einer Jahresleistung von 45 000 Kilometern verbraucht ein Diesel-Fahrzeug 28 000 Liter Treibstoff für aktuell 44 000 Franken. Das Elektrofahrzeug verbraucht für dieselbe Leistung Strom für 5400 Franken.
Dem kostengünstigeren Elektrobetrieb stehen jedoch weit höhere Anschaffungskosten gegenüber. Das jüngste E-Fahrzeug der AGSE kostete Eggenschwiler 680 000 Franken – das seien 300 000 Franken mehr als ein gleichwertiger Diesel-Kehrichtwagen. Der Mehrpreis sei der Batterie geschuldet. Ein konkurrenzfähiger Betrieb solcher Fahrzeuge sei aktuell nur dank einer Fördermassnahme des Bundes möglich: der Verzicht auf die Schwerverkehrsabgabe (LSVA). Diese würde bei obigem Beispiel mit knapp 27 000 Franken jährlich zu Buche schlagen.
Umstellung mit Hürden
Der Umstieg auf die Elektromobilität hat für das Transportunternehmen bisher nicht nur grosse Investitionen in die Fahrzeuge bedeutet. Es habe auch manche Überraschung gegeben, erzählt der Unternehmer. Beispielsweise sei der Aufbau der Lade-Infrastruktur aufwendiger gewesen als erwartet. Oder die Batterieladung einer Generation seiner Elektrofahrzeuge reichte nicht für eine Distanz von 180 Kilometern, wie es der Lieferant versprochen hatte, sondern nur für 120. Da sei Flexibilität gefragt gewesen – unter anderem beim Aufladen der Batterien tagsüber. Das heisst: Die Chauffeure «tanken» die Batterien nicht nur an den eigenen Standorten auf, sondern auch an öffentlich zugänglichen Ladestationen. Dafür müssen sie sich so organisieren, dass sie ihre Mittagspause in der Nähe einer Ladestation verbringen.
Wie sich das E-Fahrzeug im Einsatz vom Diesel unterscheide, wollten wir von Chauffeur Stephan Infanger bei einer Demonstrationsfahrt von Eptingen nach Bennwil wissen. Durch den stufenlosen Antrieb lasse sich das schwere Fahrzeug millimetergenau manövrieren, sagt er. Zudem erleichterten die fehlenden Motorgeräusche die Verständigung mit der Lademannschaft hinten auf dem Fahrzeug. Diese sei während der Tour auch weniger Lärm ausgesetzt – dies gilt auch für die Bevölkerung.
Gruppe mit vier Betrieben
ch. Die Eggenschwiler Transporte AG mit Sitz in Balsthal ist auf die Abfuhr von Kommunalabfällen und auf Baustellentransporte spezialisiert. Inhaber ist Peter Eggenschwiler. Zur Firmengruppe gehören ferner die Sollberger Entsorgung AG (Balsthal), die Bieli Transport AG (Laufen) und seit 2014 die auf die Abfuhr von Kehricht, Kadaver und Textilien ausgerichtete Autogesellschaft Sissach-Eptingen (Eptingen).