Landwirtschaft vor grossen Herausforderungen
28.03.2023 Baselbiet, Landwirtschaft, SissachJahresversammlung des Bauernverbands beider Basel
An der Jahresversammlung des Bauernverbands war sowohl von verbandsinternen Problemen als auch von generellen Herausforderungen für die Betriebe die Rede. Kritisiert wird die Neuausrichtung des Bundes in der ...
Jahresversammlung des Bauernverbands beider Basel
An der Jahresversammlung des Bauernverbands war sowohl von verbandsinternen Problemen als auch von generellen Herausforderungen für die Betriebe die Rede. Kritisiert wird die Neuausrichtung des Bundes in der Berufsbildung.
Elmar Gächter
Extreme Wetterbedingungen, die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Landwirtschaft, die Förderung des ökologischen Landbaus: Mit Gedanken zu diesen Themen eröffnete Präsident Marc Brodbeck in Sissach die Jahresversammlung des Bauernverbands beider Basel (BVBB). Er zeigte sich zuversichtlich, dass auf die aktuell brennenden Fragen Antworten gefunden werden.
Erfreuliches und auch weniger Erbauendes enthielt der präsidiale Jahresbericht. Zu Ersterem zählte er unter anderem den Einsatz beim Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in Pratteln, das der Präsident als einmaliges Erlebnis bezeichnete. Zunehmend belastend wirkten sich die teilweise exorbitant gestiegenen Preise für Energie, Hilfsstoffe oder Dünger aus. «Die Vorleistungen im Landwirtschaftssektor sind pro Betrieb um durchschnittlich 20 000 Franken teurer als im Vorjahr», sagte Brodbeck. Eine Korrelation von verschiedenen Faktoren des Weltgeschehens mische die Karten neu und stelle die Landwirtschaft vor komplett neue Entscheidungen.
Trotz düsterer Zahlen genehmigten die Mitglieder die Jahresrechnung einstimmig. Zwar konnte laut Vorstandsmitglied Stephan Plattner der Umsatz im Versicherungsbereich gesteigert werden, ein hoher Personalaufwand führte jedoch zu einer Verschlechterung gegenüber der Vorperiode von rund 75 000 Franken. «Wir brauchen dringend einen Gewinn im Versicherungsbereich, um die Verbandstätigkeit zu finanzieren», hielt Plattner fest. Der Verband werde über die Höhe der Mitgliederbeiträge diskutieren müssen.
Kritik an Ausbildungsplänen
Die vom Bund lancierten Vorschläge zur Revision der landwirtschaftlichen Grundausbildung kommen gemäss Vizepräsidentin Claudia Brodbeck beim BVBB nicht gut an. Kritisiert wird unter anderem, dass sich ein Lernender zu früh entscheiden müsse, in welche Richtung – Ackerbau, Tierhaltung oder Alp- und Berglandwirtschaft – er sich spezialisieren wolle. Auch werde das Bildungsniveau mit der Reduktion der Lektionen herabgesetzt.
Der Vorschlag, ein freiwilliges viertes Lehrjahr einzuführen, dürfe nicht dazu führen, dass in der dreijährigen Lehrzeit die Betriebswirtschaft zu kurz komme. «Aus unserer Sicht führt die Revision dazu, dass keine Generalisten, sondern nur noch landwirtschaftliche Angestellte ausgebildet werden, die weniger flexibel auf dem Arbeitsmarkt sind», so Brodbeck.
Präsident und Vorstand wurden für weitere vier Jahre in ihren Ämtern bestätigt. Sechs Landwirten und einer Landwirtin konnte zum Meisterdiplom gratuliert werden sowie Rahel Sprunger zum erfolgreichen Abschluss als Bäuerin HFP.
Michel Darbellay berichtete über aktuelle Themen im nationalen Dachverband. Auf politischer Ebene werde den Bauernverband die Biodiversitätsinitiative, die 30 Prozent der Landesfläche unter Schutz stellen will, am stärksten beschäftigen. «Dies würde unsere Produktionskapazitäten stark einschränken», hielt Darbellay fest. Der Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament sei mindestens so schlecht wie die Initiative selber, fuhr er fort. Vermehrt Sorgen machen müsse man sich über die neuen Sparmassnahmen, die für die Landwirtschaft nicht akzeptabel wären. Nicht zuletzt deshalb gelte es, die landwirtschaftliche Vertretung im Parlament zu verstärken.
NACHGEFRAGT | MARC BRODBECK, PRÄSIDENT BAUERNVERBAND BL/BS
«Heute wird sogar der Hofdünger rar»
Herr Brodbeck, Sie sind seit rund 3 Jahren Verbandspräsident. Welches Zwischenfazit ziehen Sie für sich persönlich?
Marc Brodbeck: Die Verbandsarbeit ist sehr interessant, aber auch zeitraubend, denn die Meinung der Landwirtschaft ist je länger, je mehr gefragt in Wirtschaft und Politik. Wäre ich Angestellter, würde ich von mindestens 20 Prozent sprechen, die mich diese Funktion beansprucht. Dies ist für mich als Landwirt mit eigenem Betrieb nicht immer einfach, denn das Wetter richtet sich selten nach meinen Verbandsterminen. Zum Glück können mich meine Frau, mein Vater oder meine doch schon etwas älteren Kinder sehr gut zu Hause vertreten.
Was beschäftigte den Verband vor allem?
Im Zentrum standen vor allem die Initiativen der beiden letzten Jahre, die Pestizid- und Trinkwasserinitiative sowie jene über die Massentierhaltung, die für die Landwirtschaft zwar positiv entschieden wurden, jedoch sehr viel Zeit und Geld kosteten. Herausfordernd war auch die Situation in der Geschäftsstelle, die zu verschiedenen Mutationen führte. Dazu kam der Krieg in der Ukraine, der auch die Landwirtschaft vor neue Probleme stellt. Auch wenn wir unseren importierten Weizen aus Frankreich beziehen, ist die Situation labiler als wir meinen. Zu schaffen machen der Landwirtschaft die exorbitant gestiegenen Preise, speziell für Hilfsstoffe. Dies führt unter anderem dazu, dass heute sogar der Hofdünger rar wird und jedes Misthäufchen und jeder Gülletropfen zusammengesucht wird.
Welchen Herausforderungen steht Ihre Organisation im neuen Verbandsjahr gegenüber?
In den nächsten zwei Jahren kommen sehr viele Neuerungen und Umsetzungen auf die Betriebe zu. Dabei geht es unter anderem um die Frage, wie die Theorie in die Praxis umgesetzt werden kann. Dies gilt zum Beispiel beim Schleppschlauchobligatorium oder bei der Mindestvorgabe von 3,5 Prozent an Biodiversitätsförderflächen auf Ackerflächen, die beide ab 2024 greifen. Der Verband will zudem seine Anstrengungen intensivieren, die wichtige Bedeutung der Landwirtschaft vorab bei der städtischen Bevölkerung noch besser zu verankern. Und nicht zuletzt werden wir unsere Finanzen bei sinkenden Mitgliederzahlen, bedingt durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft, wieder ins Lot bringen müssen.
Interview emg.