«Koch ist einer der schönsten Berufe»
23.12.2022 Gastronomie, Porträt, HölsteinEin Küchenprofi blickt auf seine berufliche Laufbahn zurück
Fast 50 Jahre lang schwang Markus Thommen den Kochlöffel, davon 40 Jahre als Küchenchef des Alters- und Pflegeheims Frenkenbündten in Liestal. So ganz an den Nagel hängt er den Kochlöffel dennoch nicht.
Elmar ...
Ein Küchenprofi blickt auf seine berufliche Laufbahn zurück
Fast 50 Jahre lang schwang Markus Thommen den Kochlöffel, davon 40 Jahre als Küchenchef des Alters- und Pflegeheims Frenkenbündten in Liestal. So ganz an den Nagel hängt er den Kochlöffel dennoch nicht.
Elmar Gächter
Es ist kurz vor zwölf Uhr im Kirchgemeindehaus «Sunnewirbel» in Hölstein. Erwartet werden heute gegen 90 Gäste zum Weihnachtsmenü beim Mittagstisch. Zu der ehrenamtlich tätigen Küchencrew zählt seit Kurzem ein frisch Pensionierter, der fast 50 Jahre Erfahrung als Koch und Küchenchef mitbringt. «Ich bin in eine gute Gruppe gekommen, sie machen alle einen tollen Job. Und ich darf einfach nur kochen, alles andere decken meine Kolleginnen und Kollegen ab.» Man spürt es, Markus Thommen macht es Spass, hier mitzuarbeiten, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, wie er sein Engagement beschreibt. Seit Anfang August steht der 65-Jährige in der dritten Lebensrunde und blickt auf ein Berufsleben zurück, das vor allem von den 40 Jahren als Küchenchef im Alters- und Pflegeheim Frenkenbündten in Liestal geprägt war. Mit der «Volksstimme» lässt er ein paar Stationen seines langen Wirkens Revue passieren.
Lastwagenchauffeur wollte er werden, allenfalls Schreiner oder Zimmermann, doch es sollte anders kommen. «Dass ich eine Kochlehre absolvierte, schreibe ich vor allem meiner Mutter zu», sagt Thommen, der in Bennwil aufgewachsen ist und heute in Hölstein lebt. «Sie hat ausgezeichnet gekocht und war schon damals sehr experimentell, wie man heute sagen würde. An Weihnachten gab es Rahm-Sauerkraut mit Fisch und Orangensalat mit Zwiebeln», erinnert er sich. Und nicht ganz unbeteiligt war sein Grossvater, der in Bennwil eine Handlung führte, einen Laden, unter anderem mit diversen Lebensmitteln. Fasziniert habe ihn als Kind auch die jährliche Metzgete, wo man zum Beispiel den Schwartenmagen selber hergestellt und in Dosen abgefüllt habe. Zugesagt hätten ihm die einfachsten Gerichte bei einem klaren wöchentlichen Ablauf. «Am Mittwoch hat man vegetarisch gegessen, am Freitag Wähe, am Samstag Kartoffelsuppe mit Wurst und am Montag die Resten vom Vortag.» An das Aufwachsen im Dreigenerationenhaus im Dorfkern von Bennwil denkt er stets mit Freude zurück.
Lehre in der «Sonne»
Unter Patron Franz Lüdin hat er im Hotel Sonne in Sissach seine Kochlehre absolviert, war als gelernter Berufsmann in verschiedenen Betrieben tätig. «Jeder hat mir etwas Besonderes mitgegeben, im ‹Rebstock› in Maisprach war es die Gastlichkeit, in grossen Häusern wie dem ‹Eden Roc› in Ascona oder dem ‹Suvretta› in St. Moritz das Abgehobene. Was waren wir als kleine Commis stolz, für Grössen wie den Schah von Persien oder die Reederfamilie Onassis zu kochen, auch wenn wir deren Köpfe persönlich nie zu Gesicht bekamen.» Als sich für Markus Thommen die Möglichkeit ergab, das «Rössli» in Hölstein zu übernehmen, fühlte er sich noch zu jung. Sein Vater hätte es gerne gesehen, wenn sein Filius Erfahrungen im Ausland gesammelt hätte. «Ich bin daran schuld, dass dies nicht zustande kam», tönt es von Ehefrau Ruth aus der Küche. Sie hat Thommen bei seiner Anstellung im «Rebstock» in Maisprach kennengelernt, bei einer Zuckerschnitte, wie er mit einem Schmunzeln verrät.
Als Berufsmann mit wertvollen Erfahrungen in traditioneller und gehobener Gastronomie inklusive vegetarischer Küche trat er mit jungen 25 Jahren die Stelle als Küchenchef im Alters- und Pflegeheim Frenkenbündten in Liestal an. «Als mich in dieser Funktion das damalige Radio Raurach zu einem Gespräch einlud, meinte der Moderator, es sei doch ein Abstieg von einem noblen 5-Sterne-Haus zum einem ‹Breili›-Koch. Jetzt würde ich ihm antworten: ‹Breili›- Koch ist moderner denn je.›» Er habe es nie bereut, diesen Schritt vollzogen zu haben. Als grösste Herausforderung in diesem Job nennt Thommen, alles auf einen Nenner zu bringen. Einerseits gelte es, einfach zu kochen, andererseits bei Banketten möglichst kreativ zu sein. Dazu komme das ganz Individuelle mit stets anspruchsvollen Vorgaben wie Diät oder Unverträglichkeiten.
39 Lernende in 40 Jahren
Die Gäste, wie Markus Thommen die Bewohnerinnen und Bewohner des Alters- und Pflegeheims nennt, hätten ihn stark geprägt. «Weil sie kritisch waren und mich immer wieder zu Neuem motiviert haben. ‹Der Gast ist König›, das habe ich früh gelernt und dies galt für mich auch stets als Küchenchef.» Er erinnert sich an einen Bewohner, der ihn im Speisesaal zu sich gerufen habe mit den Worten: «Sie können ja nicht einmal richtig Kartoffeln kochen, sie sind viel zu hart.» Dies sei eben damals die Nouvelle Cuisine gewesen.
Auch habe man stets auf eine gesunde Ernährung grossen Wert gelegt. «‹Was wollt ihr uns noch gesund ernähren? Wir wollen nur eines, essen und sterben›, hat mir einmal eine 92-jährige Frau gesagt. Worauf ich ihr entgegnet habe, dass wir den Gästen doch den Lebensabend möglichst gehaltvoll gestalten möchten.»
39 Lernende hat Markus Thommen in den 40 Jahren als Küchenchef betreut. Eines seiner Credos war, auch den Schwächeren eine Chance zu geben. Seine Schützlinge hätten dieses Vertrauen nie missbraucht, auch wenn es in der Küche einmal ein bisschen lauter zugegangen sei. «Koch ist einer der schönsten Berufe, sehr kreativ, und du kannst andern Freude bereiten, wenn du gut kochst. Ich würde ihn jungen Leuten nach wir vor empfehlen.»
Während vier Jahren war Markus Thommen Präsident von Gastro Baselland. Am Anfang sei eine gewisse Kritik spürbar gewesen, dass er nicht aus der Privatwirtschaft komme. «Aber auch diese Seite hat gemerkt, dass ich unternehmerisch denke, wie mir meine Eltern dies schon in die Wiege gelegt haben», sagt er. Thommen gründete zudem die Fachgruppe Heimköche der Region Basel, war 20 Jahre lang Prüfungsexperte für Lernende und ausserdem als Wachtmeister Küchenchef in der Armee.
Beim Rückblick auf seine berufliche Laufbahn betont Markus Thommen immer wieder, wie wichtig ihm seine Familie sei. «Meiner Frau Ruth verdanke ich sehr viel, sie hat mir stets den Rücken freigehalten, so dass ich mich voll auf meinen Job fokussieren konnte.» Freude macht es ihm auch, dass er in den letzten Jahren seiner Tätigkeit eine junge Equipe mit einem Küchenchef aufbauen konnte, die seine Arbeit mit grossem Erfolg weiterführte. «Es ist ein wunderbares Gefühl, den Betrieb so in die Pensionierung zu verlassen», hält er fest. Auch wenn er froh ist, die unumgänglichen Belastungen in diesem anspruchsvollen Beruf hinter sich zu lassen, wird er seinen Kochlöffel aushilfsweise auch weiterhin da und dort schwingen. Nicht zu Hause, denn dort ist seine Frau Ruth Chefin der Küche.