Daniel Schaffner

Nun bin ich schon seit einiger Zeit hier auf der Baustelle des «Red Sea Resort Projects» in Saudi-Arabien und eine gewisse Routine hat sich eingestellt. Ich finde mich in den Camps zurecht, finde zur Mensa, auch den Schiffshafen peile ich mittlerweile problemlos an. Die verschwitzten Kleider zum Waschen stelle ich am richtigen Tag vor die Zimmertür und beim Frühstück vergesse ich nicht, für das Mittagessen noch etwas einzupacken, damit ich ein bisschen Abwechslung habe. Denn draussen auf der Baustelle auf der Insel gibt’s nur eine Schale Reis mit einem Happen Poulet. Und das tagein, tagaus. Für die meisten Arbeiter aus Bangladesch, Indien und so weiter ist es noch monotoner: Reis und Poulet gibts für sie jeden Tag zu allen drei Mahlzeiten. Ich beobachte auf dem Camp drei Kategorien bei der Verpflegung: Für Arbeiter, Vorarbeiter und für Security/Supervisor/Ingenieure. Du wirst ungeachtet deiner Herkunft aufgrund deiner Position der Mensa zugeteilt. Unser Buffet ist jedenfalls reichhaltig.

Kulinarik für die einfachen Arbeiter wird hier also kleingeschrieben. Im Gegensatz zur Sicherheit, darauf wird grossen Wert gelegt. Ohne Helm und Leuchtweste gibt\'s Baustellenverbot! Auf dem Gerüst muss man immer gesichert sein und auf dem Floss ist die Schwimmweste Pflicht. Kranarbeiten werden eingestellt, wenn der Wind stärker als 35 km/h bläst. Und Fotos von der Baustelle sind nicht erwünscht. Vor allem sollen keine schlechten Nachrichten rausgehen. Keinesfalls soll offenbar der Verdacht aufkommen, dass hier Zustände wie auf den WM-Baustellen in Katar herrschen.

Nach der Schifffahrt am Morgen treffen wir uns im engen Baustellencontainer, der Büro und Aufenthaltsraum in einem ist. Alle Räume sind stark klimatisiert, auch auf dem Schiff. Da braucht man ein Halstuch und eine Faserjacke. Und das am Roten Meer …

Im Bürocontainer warten wir, bis wir abgeholt und auf unsere Baustellen für die kleinen Villen auf Pfählen im Meer verteilt werden. Die Hierarchien sind klar: Die Arbeiter stammen vor allem aus Bangladesch und Indien, die Vorarbeiter aus dem Libanon, ebenso die meisten Ingenieure. Aber auch viele weitere Nationen sind vertreten, es herrscht Multikulti. Wir von unserem Team sind praktisch die einzigen Europäer. Die Montagearbeiten werden von einer suadi-arabisch-libanesischen Firma übernommen und geleitet. Die Holzbaufirma Blumer-Lehmann AG aus Gossau, bei der mein Sohn Projektleiter ist, war ursprünglich nur dafür verantwortlich, dass die in der Schweiz vorgefertigten Holzbauelemente für 99 kleine Villen im Meer sowie für diverse weitere Gebäude bis zum Logistikplatz vor der Insel des Resorts geliefert werden (für das ganze Material waren mehr als 800 Hochseecontainer nötig). Doch die Montageteams vor Ort bekundeten bald Probleme mit dem Aufstellen und so wurden zusätzliche Arbeiter aus der Schweiz benötigt. So kam auch ich unverhofft zu meinem insgesamt sechswöchigen Einsatz in Saudi-Arabien. Wir Schweizer sind die Supervisoren für die Qualitätskontrolle.

Hier auf unserer Baustelle hat es ziemlich viele Leute, die etwas sagen und befehlen, und dann interveniere auch ich noch mit meinem gebrochenen Englisch, wenn ich das Gefühl habe, dass der Zusammenbau nicht den Vorstellungen der Planer entspricht … Ab und zu gibt es auch kleinere Fehler zu korrigieren, die während der Produktion der Elemente in der Schweiz passiert sind.

Eine grosse Herausforderung ist, dass es genügend und geeignetes Werkzeug auf der Baustelle draussen auf der Insel hat. Dafür sind nicht wir Supervisoren verantwortlich, sondern die Montagefirma. Heute hatten wir nur eine einzige Akkubohrmaschine, es waren aber vier Arbeiter. So konnte nur einer arbeiten – und die anderen schauten zu. Ist dann auch noch der Akku leer, so wird das langsam zum Problem … Und brauchen wir einen Kompressor, so kann es seine Zeit dauern, bis er vor Ort ist. Ist er dann einmal da, dann fehlt bestimmt der Luftschlauch. Leider ist es nicht angebracht, sich während der Wartezeiten im Meer abzukühlen. Heiss genug wäre es.

Da mein Job das Überwachen ist, sollte ich nicht selbst Hand anlegen, was meinem Naturell widerspricht. Trotzdem ist es kurzweilig, da immer etwas läuft. Manchmal wimmelt es wie auf einem Ameisenhaufen, wenn da mehr als 15 Leute auf einer kleinen Plattform diskutieren und arbeiten. Die Leute sind alle sehr freundlich, die Zusammenarbeit ist angenehm, man mag sich und der Umgang ist respektvoll.

Am Abend nach 18 Uhr komme ich zurück ins Camp – müde von der Sonne, aber schon abgekühlt von der Schifffahrt. Ich gehe dann in den Fitnessraum, um meine Bewegungskilometer abzuspulen. Ich möchte ja nicht schlapp nach Hause kommen, denn dann steht Eishockeyspielen wieder auf dem Programm, mein Lieblingshobby. Ein Bierchen, jedoch alkoholfrei, liegt am Abend schon noch drin, gemütlich auf der Bank draussen mit einigen anderen vom Team. Alkohol gibt’s nirgends zu kaufen, obschon das Camp eine Welt für sich ist in diesem so konservativen Land.

Wird fortgesetzt. Daniel Schaffner (61) ist für sechs Wochen in Saudi-Arabien, um beim Aufbau eines grossen Resorts mitzuhelfen. Schaffner ist gelernter Landmaschinenmechaniker, Sozialpädagoge und Arbeitsagoge. Seit 28 Jahren ist er selbstständiger Handwerker und Inhaber der Firma Kompaktbau GmbH. Er lebt in Sissach. Teil 1 ist am 20. Oktober erschienen.

Teamarbeit im Ameisenhaufen

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