Strenge Auflagen für Tierquäler
11.10.2022 Baselbiet, Justiz, Hemmiken, Gemeinden, LandwirtschaftRichterin geht über Strafantrag der Staatsanwaltschaft hinaus
Zwölf Monate Haft, bedingt ausgesprochen, bei einer Probezeit von vier Jahren. So lautet das Urteil gegen den Bauern A . S. aus Hemmiken, welcher der Tierquälerei schuldig gesprochen wurde. Zudem hat er sich strengen ...
Richterin geht über Strafantrag der Staatsanwaltschaft hinaus
Zwölf Monate Haft, bedingt ausgesprochen, bei einer Probezeit von vier Jahren. So lautet das Urteil gegen den Bauern A . S. aus Hemmiken, welcher der Tierquälerei schuldig gesprochen wurde. Zudem hat er sich strengen Massnahmen zu unterwerfen.
Thomas Immoos
Nur in einigen der dem Bauern A. S. aus Hemmiken zur Last gelegten Fällen von Tierquälerei kam es zum Freispruch. Und dies einzig, weil eindeutige Beweise fehlten, obwohl die Indizien oftmals eindeutig seien, wie Gerichtspräsidentin Monika Roth bei der Urteilsbegründung vergangenen Donnerstag mehrfach festhielt. Mit dem Strafmass von zwölf Monaten, bei einer Probezeit von vier Jahren, ging sie über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus.
Diese hatte «nur» zehn Monate und eine Bewährungsfrist von drei Jahren gefordert. Die Richterin liess keinen Zweifel daran, dass die Strafe höher ausgefallen wäre, wenn der Fall einem Dreier- statt einem Einzelgericht übertragen worden wäre, was der Schwere der Tat angemessen gewesen wäre.
Regelmässige Berichte an Kanton
Mit der bedingten Haftstrafe sind zudem strenge Auflagen verbunden: Bauer A. S. muss alle zwei Monate den Bestandestierarzt kommen lassen und dessen Bericht jeweils dem kantonalen Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (ALV) zustellen. Zudem muss er seinen Bestand, der zeitweise bei mehr als 300 Tieren lag, reduzieren sowie bauliche und andere Mängel beheben. Im Weiteren muss er sich vom Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung in Sissach helfen lassen. Dazu kommen Verfahrens- und andere Kosten von gegen 19 000 Franken.
Die Richterin räumte ein, dass der Bauer angesichts der grossen Zahl zu betreuender Tiere – mit mehr als 100 Kälbergeburten pro Jahr – überfordert gewesen sei. Er hätte Helfer beiziehen müssen, statt zuzulassen, dass die Tier in zum Teil erbärmlichen Zuständen schlecht versorgt und in der eigenen Gülle stehend leben mussten.
Das Argument der Verteidigung, das Tierschutzgesetz definiere den Begriff der Tierquälerei ungenügend, liess Roth nicht gelten. Verfügungen, Verordnungen und die Praxis böten hier genügend Klarheit. Auch der Einwand des Bauern, Aussenstehende könnten nicht beurteilen, ob sich die Tiere wohlfühlten oder gequält wurden, wies die Richterin zurück. Man müsse nicht geschieden sein, um als Scheidungsanwalt tätig zu sein, und auch nicht kriminell, um als Strafrichter Urteile zu fällen, wandte sie ein.
Jahrzehntelange Missstände
Ebenso wenig liess Roth gelten, dass dem Bauern von den Behörden zugesetzt worden sei, weil er mit diesen in einen jahrelangen Rechtsstreit verwickelt sei: «Der Fall hat nichts mit der Deponie Wischberg zu tun», stellte sie klar. Im Gegenteil: Die Behörden hätten im Umgang mit A. S. sehr viel Geduld bewiesen.
Die Quälerei an sehr vielen Tieren habe sich über einen langen Zeitraum erstreckt. Es handle sich dabei um massive Delikte, so Roth. Es sei wiederholt und schwer gegen das Gebot verstossen worden, das Tierwohl zu achten. Viele Nutztiere aller Altersstufen seien betroffen gewesen. «Erschreckend war die Ignoranz von A. S.», der fast zwei Jahrzehnte nichts gegen die Missstände auf seinem Hof unternommen habe, so die Richterin weiter. Und noch heute bestehe eine Widerwilligkeit, sich dem Gesetz unterzuordnen. Trotz drohender Strafverfahren habe er weitergemacht. Getätigte Verbesserungen seien nie nachhaltig gewesen.
Allerdings vermochte die Richterin im Handeln des Bauern keinen Vorsatz erkennen, sondern eine «grosse Überforderung». Auch habe A. S. für sein Verhalten einen hohen Preis bezahlt: Er sei sozial geächtet worden, habe das IP-Label für seinen Hof verloren und konnte die Milch wegen der erwähnten Mängel nicht mehr verkaufen. Abschliessend appellierte die Richterin eindringlich an den Bauern, sich helfen zu lassen und die Zustände auf seinem Hof auf Dauer zu verbessern.