«Etwas unfair gegenüber Frauen»
06.09.2022 Abstimmungen, Oberdorf, Politik, Bezirk WaldenburgPaul Aenishänslin
Die SP Waldenburgertal hat erstmals nach zwei Jahren Corona-Pause wieder zu einer «Brennpunkt»-Veranstaltung nach Oberdorf eingeladen. Prominenter Gast war Ständerat Hans Stöckli (SP, BE), der vom Bubendörfer SP-Regierungsratskandidaten Thomas Noack ...
Paul Aenishänslin
Die SP Waldenburgertal hat erstmals nach zwei Jahren Corona-Pause wieder zu einer «Brennpunkt»-Veranstaltung nach Oberdorf eingeladen. Prominenter Gast war Ständerat Hans Stöckli (SP, BE), der vom Bubendörfer SP-Regierungsratskandidaten Thomas Noack flankiert wurde.
Stöckli hielt ein Plädoyer gegen die geplante Erhöhung des Rentenalters von 64 auf 65 Jahre für Frauen im Zuge der AHV-Reform 21, über die am 25. September abgestimmt wird. Er bezeichnete diese Massnahme als «etwas unfair gegenüber den Frauen». Solange die Frauen im Schnitt immer noch rund 12 Prozent weniger verdienten als Männer in vergleichbaren Positionen (wovon nur etwa 6 Prozent erklärbar seien), sei eine formale Gleichstellung beim Rentenalter ohne einen gerechten Ausgleich nicht korrekt, sagte er.
Zwei Reformen zusammen
Die AHV-Abstimmung habe zudem einen grossen Einfluss auf die viel wichtigere Revision der 2. Säule. Die Erhöhung des Frauen-Rentenalters würde das rechtsbürgerliche Lager stärken, welches die Situation der Frauen in der beruflichen Vorsorge nicht wirklich verbessern wolle. Zahlreiche Frauen hätten gar keine zweite Säule und diejenigen Frauen, die Renten bekommen, erhielten nur halb so viel wie Männer. Gemäss Ständerat Stöckli wäre der «Stier» an beiden Hörnern zu packen – es brauche eine Reform der 1. und 2. Säule zusammen. Zumindest sei die einseitige Erhöhung des Frauen-Rentenalters falsch, ohne die Sicherheit zu haben, dass die Ungerechtigkeiten für Frauen in der 2. Säule korrigiert würden.
Ferner zeigte Stöckli keine Freude an der geplanten Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,4 auf 8,1 Prozent, um weitere Mittel – rund 1,4 Milliarden Franken pro Jahr – für die Sanierung der AHV zu generieren. Mit Horizont 2030 sei dies nicht dringend; im Jahr 2021 habe die AHV-Rechnung gar mit einem Überschuss abgeschlossen. Stöckli: «Diese Mehrwertsteuererhöhung trifft vor allem die Bevölkerung mit tieferem Einkommen, die verhältnismässig mehr für den Konsum ausgibt als reichere Leute.» Auch passe die Erhöhung schlecht in das aktuelle inflationäre Umfeld.
Stöckli gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, insbesondere auch diejenigen, die der SP, den Grünen und den Gewerkschaften angehören, in grosser Zahl am 25. September gegen die AHV-Reform 21 stimmen werden, um diese zu Fall zu bringen. Laut dem Berner Ständerat wäre dies ein starkes Zeichen für eine gute Reform der 2. Säule. Er bedauerte, dass 2017 das gemeinsame Paket für die 1. und 2. Säule knapp gescheitert sei, dies wegen des Referendums der Juso und der Linken aus der Romandie. Stöckli sagte, dass dies ein vermeidbares Eigengoal gewesen sei.
Stöckli machte ferner klar, dass er nichts von der geplanten Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Obligationen hält. Auch diese Vorlage kommt am 25. September an die Urne. Eine solche Massnahme ohne gleichzeitige Meldepflicht, wie sie von Finanzminister Ueli Maurer (SVP) vorgeschlagen worden ist, fördere die Steuerhinterziehung. Es sei nicht einzusehen, weshalb in- und ausländische Herausgeber von Obligationen nicht in der Lage sein sollten, die 35 Prozent Verrechnungssteuer zu entrichten, welche sie bei der Deklaration in den meisten Fällen als ehrliche Steuerzahler in der Schweiz wieder zurückerhielten.
In der anschliessenden Diskussion, die allen Anwesenden offenstand, stiessen die Ausführungen von Ständerat Stöckli auf verbreitete Zustimmung. Nur ein einziger SPler gab zu verstehen, dass er sich doch eine Zustimmung zur AHV-Vorlage überlege, damit die 1. Säule auf längere Sicht auf eine tragfähige Grundlage gestellt werden könne. Stöckli erwiderte, dass die AHV heute kein Sanierungsfall sei und er schon vor 50 Jahren gewarnt worden sei, dass er einmal keine AHV-Rente mehr erhalten werde. Dies sei gottlob nicht eingetreten.