Kehren die autofreien Sonntage zurück?
09.09.2022 Baselbiet, Verkehr
Janis Erne
Velofahrer und Fussgänger strömten auf die Autobahnen. Was 1973 wegen der Erdölkrise landesweit an mehreren Sonntagen der Fall war, soll im Baselbiet zumindest auf Kantons- und Gemeindestrassen wieder aufleben. Ende August ist bei der ...
Janis Erne
Velofahrer und Fussgänger strömten auf die Autobahnen. Was 1973 wegen der Erdölkrise landesweit an mehreren Sonntagen der Fall war, soll im Baselbiet zumindest auf Kantons- und Gemeindestrassen wieder aufleben. Ende August ist bei der Landeskanzlei eine Volksinitiative eingereicht worden, die jährlich vier autofreie Sonntage im Kanton fordert. Gestern wurde bekannt, dass sie der Vorprüfung in formeller Hinsicht standhält. Nun müssen die Initianten innert zweier Jahre 1500 gültige Unterschriften sammeln. Später könnte das Volk über das Begehren abstimmen.
Das siebenköpfige Initiativkomitee setzt sich hauptsächlich aus Liestalerinnen und Liestalern zusammen. Auch Grünen-Einwohnerrat Albert Siegwart ist dabei, als Sprecher amtet Luca Zwicky. Er stellt klar, dass die Initiative ein «Bürgerprojekt» sei, «auch wenn einzelne Mitwirkende Mitglieder einer Partei sind». Welcher nächste Schritt gegen den Klimawandel ergriffen werden könne, hätten sie sich gefragt. «Die autofreien Sonntage kommen sowohl der Umwelt als auch der Lebensqualität zugute», sagt Zwicky. Besonders Leute, die an viel befahrenen Strassen wohnen, würden zumindest kurzzeitig vom Lärm und von den Abgasen entlastet. Auch könnten Familien, ältere Menschen und Sportlerinnen und Sportler die Strassen gefahrlos nutzen – etwa für Veloausflüge.
Ursprünglich wollten die Initianten, dass an vier Sonntagen im Jahr alle Kantons- und Gemeindestrassen im Baselbiet gesperrt werden. «Uns wurde aber rasch klar, dass das nicht umsetzbar ist. Kantonsstrassen, die als Autobahnein- und -ausfahrten fungieren, müssen aufgrund der Bundesvorschriften befahrbar sein», erklärt Zwicky. Deshalb habe das Komitee bewusst eine nicht formulierte Initiative eingereicht – und damit dem Regierungsrat Spielraum bei der Umsetzung gegeben, sollte das Stimmvolk das Anliegen irgendwann gutheissen. Eine möglichst umfassende Sperrung aller Kantonsstrassen gehört aber weiterhin zu den Forderungen. Zwicky: «Als Alternative zu einer Totalsperrung der Gemeindestrassen wäre es für uns zudem denkbar, dass die Gemeinden ihre Abschnitte freiwillig sperren dürften.»
Opposition ist in Stellung
Seitens der SVP und der KMU gibt es bereits jetzt Widerstand. Peter Riebli, SVP-Fraktionspräsident im Landrat, und Christoph Buser, Direktor der Wirtschaftskammer Baselland, lehnen autofreie Tage entschieden ab. Beide betonen, dass die Sperrung von Strassen negative Folgen für Regionen hätten, die mit dem öffentlichen Verkehr schwach erschlossen sind. «Auch würde der Tourismus beeinträchtigt», ergänzt Buser. Zwicky vom Initiativkomitee hält entgegen, dass das Gastgewerbe profitiere, wenn die Velofahrenden dank der autofreien Strassen im Baselbiet unterwegs sind und nicht woanders. Und die Betroffenen in Randregionen müssten sich «nur» vier Mal im Jahr eine alternative Mobilitätsform wie Velos und E-Bikes suchen. Ausserdem: «Die Strassen würden von 8 bis 20 Uhr gesperrt. Somit könnten die Leute weiterhin in die Ferien abreisen oder ins Baselbiet anreisen.»
Vorgesehen sind auch Ausnahmeregelungen – etwa für öffentliche Verkehrsmittel, für öffentliche Dienste wie Rettungseinheiten und für Leute mit einem gesundheitlichen Notfall. Auch Berufstätige dürften das Auto für die Fahrt zur Arbeit nutzen, wie Zwicky betont. Trotz dieses Zugeständnisses an die Wirtschaft ist Buser von der Idee nicht überzeugt: «Die Umsetzung der verkehrsfreien Tage ist komplex, da trotzdem für viele motorisierte Fahrzeuge Fahrten ermöglicht werden müssten», zumal die Gesellschaft immer mobiler werde. Riebli moniert, dass «man die Leute wieder einmal mit Verboten bevormunden und zum ‹richtigen› Verhalten erziehen will». Er würde die Initiative – falls sie zustande kommt – bekämpfen.
«Mehr Verkehr auf Autobahn»
SP-Landrat Jan Kirchmayr unterstützt zwar die Reduktion des Autoverkehrs und die Verlagerung auf den öV, den Fussverkehr oder aufs Velo. Bei der Initiative ortet er aber Schwachstellen: «Der Bund macht bei den autofreien Sonntagen im Baselbiet kaum mit. Deshalb würden dann wohl viele Verkehrsteilnehmer auf die Autobahnen ausweichen.» Der Aescher erachtet Pilotprojekte in Form autofreier Tage auf kommunaler Ebene als vielversprechender.
1978 und 2003 befand das Schweizer Stimmvolk über autofreie Sonntage, lehnte sie jedoch zwei Mal deutlich ab. Ob es im Baselbiet anders sein wird? Zuerst müssen genügend Unterschriften her für das Zustandekommen der Initiative.