140 Jahre «Volksstimme»
23.09.2022 Baselbiet, SissachDie Vielfalt der Menschen
Zeitungskopf | Heute gestaltet von Tabea Niederhauser, Künstlerin aus Sissach
Tabea Niederhauser drückt mit ihren Bildern aus, was sie emotional beschäftigt. Der ehemaligen Lehrerin ist es ein Anliegen, mit ihren Bildern ...
Die Vielfalt der Menschen
Zeitungskopf | Heute gestaltet von Tabea Niederhauser, Künstlerin aus Sissach
Tabea Niederhauser drückt mit ihren Bildern aus, was sie emotional beschäftigt. Der ehemaligen Lehrerin ist es ein Anliegen, mit ihren Bildern auch politische Aussagen zu vermitteln. Zuletzt hat sie bei der Abstimmung zur «Ehe für alle» ein Zeichen gesetzt.
Mira Güntert
Für den heutigen Zeitungskopf hat die Sissacher Künstlerin Tabea Niederhauser einen Querschnitt des Volks in Schwarz-Weiss gestaltet. Die aneinandergereihten Figuren zeigen keine bestimmten Personen, sondern sollen die Vielfalt der Menschen darstellen. «Zuerst hatte ich keine Idee, wie ich die Arbeit angehen sollte», sagt Niederhauser. Doch mit der Zeit sei sie gut vorwärtsgekommen: «Dann hätte ich das Band noch ewig weitermalen können …», sagt sie. Die Bilder von Niederhauser entstehen in ihrem Atelier in der Oberen Fabrik in Sissach. Allgemein zeigen ihre Werke hauptsächlich Menschen. «Manchmal versuche ich mich auch an etwas Abstraktem, doch dann schleicht sich wieder irgendwo ein Mensch ins Bild», sagt sie.
Die Anfrage, die Gestaltung eines Zeitungskopfs für die «Volksstimme» zu übernehmen, hat Niederhauser gefreut: «Als Abonnentin lese ich die ‹Volksstimme› immer von vorne bis hinten», erzählt sie. Sie schätze es, dass die Zeitung viel mit ihrem Alltag und dem Leben in der Region zu tun habe. «Ich habe einmal angefangen, meine Kinder auszuschneiden, wenn sie in der ‹Volksstimme› waren. Doch damit habe ich schnell wieder aufgehört, es war nämlich wirklich häufig», sagt sie lachend.
Das Malen als Kommunikation
Zur Kunst kam die 55-Jährige schon sehr früh. «Ich war ein ganz stilles Kind und habe sehr wenig geredet», sagt sie. Das Malen sei damals ihre Kommunikation gewesen. Nach der Schulzeit machte Niederhauser eine Ausbildung zur Lehrerin für Zeichnen und Werken und unterrichtete danach etwa 15 Jahre lang. Das Vermitteln mochte sie zwar sehr gern, doch sie spürte immer mehr, dass sie noch lieber selber tätig sein würde. So entschied sie sich, nach der Geburt ihrer dritten Tochter ihren sicheren Arbeitsplatz zu kündigen und nochmals auf die Schule für Gestaltung zu gehen, um sich nach und nach selbstständig zu machen. Seit mittlerweile 15 Jahren ist Tabea Niederhauser als Künstlerin aktiv.
Anders als viele Berufskolleginnen und -kollegen scheut es Tabea Niederhauser, ihre Werke an möglichst vielen Ausstellungen zu präsentieren. Auch exakte Aufträge, wie genau sie ein Bild malen soll, sind nichts für sie: «Das stresst mich. So kommt ganz bestimmt kein tolles Bild heraus», sagt sie. Am liebsten male sie intensiv zu einem Thema, das sie emotional beschäftige, und kümmere sich erst nach der Fertigstellung um den Verkauf. Häufig erfolgt dieser nach Anfragen von Interessierten, die sich die Werke in Niederhausers Atelier oder auf Fotos angesehen haben. Oder Niederhauser entscheidet sich für eine Ausstellung der schon fertigen Werke.
Erst kürzlich hat sie die Bilderserie «Es blüht hinter mir her» gemalt. Darin hat sie ein Beziehungsende künstlerisch verarbeitet. Das Bild «Kann gut sein, dass ich fliege» (siehe Bild unten) ist eines ihrer Lieblingswerke geworden. «Diese Bilderreihe zeigt gut, wie ich mich beim Malen davon leiten lasse, was mich beschäftigt», sagt Niederhauser.
Mehr politische Bilder
Ein weiteres Werk, das exemplarisch für die Arbeit Niederhausers steht, ist das Bild mit den zwei Männern, das sie vor ein einigen Jahren gemalt hat. Die Künstlerin hat sich nämlich vorgenommen, sich mit ihrer Kunst mehr ins politische Geschehen einzumischen. Im vergangenen Jahr hat sie bei der Kampagne für die «Ehe für alle» verschiedene gleichgeschlechtliche Paare gemalt, die durch ein Ja bei der nationalen Abstimmung auch heiraten dürfen. Den Erlös daraus hat sie dem Abstimmungskomitee gespendet. «Es ist für mich wichtig, mehr politische Bilder zu malen. Damit unterstütze ich auch die ‹queere Bubble›», sagt sie.
Wenn Niederhauser erzählt, so klingt es, als ob sie vor lauter Ideen fast platzen könnte. Doch malt sie nicht alle ihre Werke mit einer Federleichtigkeit innert weniger Stunden auf ihre «Leinwände» aus Holz. «Es gibt Bilder, die sind wirklich zäh», sagt sie. Als Beispiel dafür holt sie ein weiteres Werk aus ihrer Serie «Es blüht hinter mir her» hervor: «Dieses habe ich mehrmals übermalt und doch fehlte einfach etwas», sagt sie und seufzt. Dass man nun noch Teile des weitgehend übermalten Vorwerks sieht, gab dem Bild das gewisse Etwas – und Niederhauser endlich die nötige Zufriedenheit, das Werk fertigzustellen.
Wer nun übrigens denkt, mit der heutigen Ausgabe der «Volksstimme» zum ersten Mal ein Werk von Tabea Niederhauser gesehen zu haben, der täuscht sich möglicherweise. Gute zehn Jahre lang hat sie für einen Schnitzelbank («man darf da ja nicht sagen, für welche Gruppe») aus der Region die Helgen gemalt. «Ich genoss die Narrenfreiheit und konnte mich darin komplett ausleben», erzählt sie. Es dürfte diese Freiheit gewesen sein, die Niederhauser auch in ihrer sonstigen Arbeit am meisten schätzt.
Zur Person
Tabea Niederhauser, Künstlerin
Biografisches: Die 55-Jährige ist in Gelterkinden aufgewachsen und lebte mehr als 20 Jahre in Ormalingen. Seit vier Jahren wohnt sie in Sissach. Sie ist Mutter dreier erwachsener Töchter.
Wichtigste Ausstellungen: Niederhauser hat zwar schon einige Ausstellungen durchgeführt und stellt aktuell auch in einer grossen Basler Klinik aus, sie mag es aber nicht besonders, auf einen bestimmten Termin eine bestimmte Anzahl an Bildern fertig bekommen zu müssen: Sie male lieber fortlaufend. Bekannt sind ihre Illustrationen im 2010 erschienenen Buch «Oben Himmel unten Gras». Dieses wurde von der deutschen Schriftstellerin Claudia Schreiber geschrieben. Für die Kampagne zur Abstimmung «Ehe für alle» hat sie 2021 den Ertrag einer Bilderserie mit gleichgeschlechtlichen Paaren gespendet.
Ursprüngliche Ausbildung: Niederhauser hat in Basel eine Ausbildung zur Lehrerin für Zeichnen und Werken abgeschlossen und etwa 15 Jahre lang unterrichtet. Nach der Geburt ihres dritten Kindes hat sie sich nach und nach selbstständig gemacht.
Nächste Projekte: Sie gestaltet voraussichtlich anfangs 2023 ein Schaufenster des Bistros «Cheesmeyer» in Sissach. Ansonsten ist ihr grösstes Vorhaben, sich mit ihren Bildern politisch mehr einzumischen.
Instagram: @tabeaniederhauser
14 kreative Köpfe
vs. Im September 1882 kam die erste Ausgabe der «Volksstimme» aus der Druckpresse. Zum 140. Geburtstag unserer Zeitung haben wir 14 Künstlerinnen und Künstler aus unserer Region eingeladen, den Zeitungskopf jeweils einer unserer September-Ausgaben zu gestalten. Alle bisher erschienenen Kunstwerke finden Sie unter www.volksstimme.ch.
GALERIE
Die Frau mit dem Regenbogen
Tabea Niederhausers Bilder werden alle mit Acrylfarben auf Holz gemalt. Inspiration holt sie sich bei Themen, die sie emotional beschäftigen – sei es im privaten, gesellschaftlichen oder politischen Bereich. Ihre Bilder unterschreibt sie mit einem Regenbogen: «Das ist so ein vielsagendes Symbol», sagt die 55-jährige Künstlerin.