Jetzt haben alle Sek-Schüler ein iPad
16.08.2022 Baselbiet, BildungJanis Erne
Nach jahrelanger Projekt- und Umsetzungsphase ist es soweit: Sämtliche Baselbieter Sekundarschulen sind mit iPads ausgerüstet. Rechtzeitig vor dem gestrigen Schulbeginn seien im August bis Freitag die letzten Geräte ausgeliefert worden, teilt die Bildungs-, ...
Janis Erne
Nach jahrelanger Projekt- und Umsetzungsphase ist es soweit: Sämtliche Baselbieter Sekundarschulen sind mit iPads ausgerüstet. Rechtzeitig vor dem gestrigen Schulbeginn seien im August bis Freitag die letzten Geräte ausgeliefert worden, teilt die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) auf Anfrage mit. Das Tablet als mobiler persönlicher Lernbegleiter soll den klassischen Unterricht ergänzen und vielfältiger machen. «Es geht aber nicht darum, das Lesen eines Buches oder das Zeichnen mit Farbstiften vollständig abzulösen», sagt Fabienne Romanens, Sprecherin der BKSD.
Ähnlich tönt es beim Lehrerinnenund Lehrerverein Baselland (LVB). «Mehr Tablets bedeuten nicht einfach einen besseren Unterricht», sagt dessen Präsident Philipp Loretz. Evidenzbasierte Lernvorteile müssten im Vordergrund stehen. Als einen Fallstrick des digitalen Unterrichts sieht er etwa die Ablenkungsgefahr, die von den mobilen Geräten ausgeht. «Die Konzentrationsfähigkeit wird beeinträchtigt, wenn im Hintergrund zahlreiche Meldungen über die verschiedenen Kommunikationsplattformen eingehen.» Und der Einsatz einer speziellen Kontrollsoftware schaffe nur bedingt Abhilfe. Es sei nicht möglich, den unterrichtsfremden Einsatz der Tablets zu unterbinden.
Teils zu wenig IT-Geräte
Auf Primarstufe entscheiden die Schulen im Baselbiet selber, welche digitalen Geräte sie anschaffen. Zwar gibt es einen im vergangenen Jahr aktualisierten Leitfaden des Kantons. Dieser enthält laut der BKSD Empfehlungen für die Ausstattung, um den Lehrplan im Bereich Medien und Informatik zu erfüllen. Doch schlussendlich hängt der Erwerb von Computern und Tablets vom Budget der Gemeinden als Schulträgerinnen ab.
«Es gibt Primarschulen, in denen ab der 3. Klasse jedes Kind mit einem eigenen Tablet ausgestattet wurde, und solche mit ein paar wenigen Computern im ganzen Schulhaus», berichtet Loretz. Laut einer Umfrage des Amts für Volksschulen vom Januar 2021 kann gut ein Viertel aller Primarschulen den Lehrplan mit der vorhandenen IT-Ausrüstung «nur teilweise» (21 Prozent der Schulen) oder «nicht» (6 Prozent) umsetzen.
Loretz sagt, dass die erforderliche IT-Infrastruktur für das neu eingeführte Fach Medien und Informatik insbesondere das Budget von weniger wohlhabenden Gemeinden belaste. Läufelfingen etwa gab kürzlich bekannt, 36 iPads auf Antrag der Primarschule zu erwerben. Neben der Ausstattung unterscheiden sich die Primarschulen teils auch im Konzept für den Umgang mit den digitalen Geräten, so Loretz weiter: «Die einen haben bereits ein ausgereiftes Konzept, die anderen noch keines.»
Konzept auf allen Stufen
Für den LVB ist es laut seinem Präsidenten zentral, dass die Schulen auf allen Schulstufen ein umsichtiges Konzept für den digitalen Unterricht haben. «Die Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein und muss einem pädagogischen Konzept untergeordnet werden, das unter anderem gesundheitliche Faktoren wie Ergonomie, Bildschirmzeit oder Erreichbarkeit verbindlich regelt», sagt Loretz. Er ist dezidiert der Meinung, dass die Schule nicht erwarten darf, dass Kinder und Jugendliche auch abends und an Wochenenden über die Plattform Microsoft Teams erreichbar sein müssen.
«Kritische Stimmen aus der Elternschaft stören sich an der Einmischung der Schule in das Erziehungskonzept der Eltern», nennt Loretz einen weiteren Diskussionspunkt als Folge der Digitalisierung des Unterrichts. Mit dem verordneten Einsatz der IT-Geräte auch im Elternhaus werde die digitale Vereinnahmung der Kinder zusätzlich befeuert. Loretz meint, dass zumindest die Erziehungsberechtigten der Primarschülerinnen und -schüler entscheiden können sollen, ob das Schultablet auch zu Hause eingesetzt werden darf. Und für Kinder ohne iPad zu Hause dürfe kein Nachteil beim Erledigen der Hausaufgaben entstehen.
«Evidenz beachten»
Auf Sekundarniveau I (13 bis 15 Jahre) erhalten alle Schülerinnen und Schüler seit dem Schuljahr 2020/21 ein Tablet vom Kanton. In der Pilotphase hat sich das iPad von Apple durchgesetzt. Dieses habe sich bestens etabliert, so Romanens von der BKSD. «Die Einführung ist durch den coronabedingten Fernunterricht vermutlich etwas schneller abgelaufen als ursprünglich vorgesehen.»
Bei der Wartung der iPads attestiert der LVB-Präsident dem Kanton einen «ausgezeichneten Job». Die iPads werden von Liestal aus problemlos gewartet, so Loretz. Deutlich weniger zufrieden ist er hingegen mit dem technischen Support: Die eingestellten Ressourcen für die Wartung der IT-Infrastruktur und die Beratung der Lehrpersonen vor Ort seien noch unzureichend.
Dass die Sekundarlehrerinnen und -lehrer Unterstützung brauchen, erkannte der Landrat vor geraumer Zeit: Im Oktober 2021 beschloss er die Einführung des Pädagogischen ICT-Supports (PICTS) an den Sekundarschulen ab dem Folgejahr. «PICTS»-Lehrpersonen haben Weiterbildungen absolviert und einen Zusatzauftrag zum «normalen» Unterrichten. Sie helfen ihren Arbeitskolleginnen und -kollegen bei technischen und pädagogischen Fragen rund um das iPad.
«Eine vertiefte Diskussion über den pädagogischen Mehrwert muss nun in Gang kommen», sagt Loretz zum Einbezug des iPads in den Unterricht. Eine in 36 Mitgliedsländern der OECD durchgeführte Studie habe etwa ergeben, dass die Lernenden, die in der Schule häufig mit Computern arbeiteten, bei den Lernergebnissen schlechter abschneiden. «Im Sinne einer wertsteigernden Implementierung der Digitalisierung ist eine evidenzbasierte Herangehensweise deshalb Pflicht.»
Romanens von der BKSD sagt, dass die Schulen noch daran seien, die neuen didaktischen Möglichkeiten in den täglichen Unterricht einzubauen.
Noch genug Informatiklehrer
Auch auf Sekundarstufe II läuft aus Sicht des LVB noch nicht alles optimal: «Rückmeldungen aus der Basis erwecken den Eindruck, dass zwischen den Baselbieter Gymnasien ein regelrechter Wettkampf herrsche, wer seinen Unterricht am schnellsten und am umfangreichsten digitalisiert», gibt der Präsident zu bedenken. Loretz spricht das BYOD-Modell an, das seit dem Schuljahr 2021/22 umgesetzt wird: Gymnasiastinnen und Gymnasiasten nutzen ihren eigenen Computer im Unterricht. «Uns stört, dass die Gymnasien teils hohe Systemanforderungen an die obligatorischen Schülergeräte stellen. So seien die Eltern gezwungen, teure zusätzliche Geräte zu kaufen. Die gymnasiale Ausbildung werde damit noch kostspieliger. Das Anrecht auf eine gymnasiale Laufbahn dürfe aber nicht vom Portemonnaie abhängen.
Gleichzeitig mit der Einführung des BYOD-Modells vor einem Jahr wurde das Fach Informatik an den Gymnasien obligatorisch. «Die Rekrutierung von geeigneten Informatik-Lehrpersonen gestaltet sich wie erwartet anspruchsvoll», heisst es von der BKSD dazu. Aktuell seien die Gymnasien im Prozess aber noch auf Kurs. Wie sich die Rekrutierung in Zeiten zunehmenden Lehrer- und Informatikermangels entwickelt, wird sich mit Beginn des Schuljahrs 2023/24 zeigen.
Dann besuchen auch die ersten Jugendlichen das Gymnasium, welche die Sekundarschule mit einem persönlichen iPad durchlaufen haben.
1,8 Millionen Franken für die Leseförderung bis 2028
je. In der Primarschule Liesberg fand gestern die traditionelle Medienorientierung der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) zum Schulstart statt. Auch Direktionsvorsteherin Monica Gschwind (FDP) war zugegen. Die BKSD teilte dabei mit, dass der Kanton im Rahmen des Massnahmenpakets «Zukunft Volksschule» in den nächsten sieben Jahren insgesamt rund 1,8 Millionen Franken in die Stärkung der Leseförderung investieren wird. Gutes Lesen helfe bei der selbstständigen Aneignung von Wissen, beim Übertritt in die Berufsbildung und Mittelschule sowie bei einer aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, schreibt die BKSD. Ein Grund für die Investitionen bildet auch das im Schweizer Vergleich unterdurchschnittliche Abschneiden der Baselbieter Sechstklässlerinnen und -klässler an der letzten nationalen Überprüfung der Grundkompetenzen (ÜGK) im Jahr 2017: 15 Prozent erfüllten im Lesen die Mindestanforderungen nicht.
«Eine differenzierte Förderung sowie der Fokus auf den Erwerb von Leseroutine und -strategien sollen sicherstellen, dass möglichst alle Schülerinnen und Schüler künftig die Grundkompetenzen im Lesen erwerben», so die BKSD.
Bis 2028 muss jede Volksschule ein Konzept ausarbeiten und die Leseförderung im Schulprogramm verankern. In sieben Pilotschulen – etwa in Reigoldswil oder der Kreisschule Homburg in Rümlingen – werden zusammen mit der Pädagogischen Hochschule der FHNW erste Erfahrungen gesammelt und eine Toolbox zur Leseförderung als Orientierungshilfe für alle Volksschulen erstellt.
Ab Herbst 2023 können Lehrpersonen zudem an Weiterbildungsangeboten und an einer Leseförderungstagung teilnehmen. Bibliotheksbesuche sollen das ausserschulische Lesen fördern.