Auslauf für alle Hühner und Kühe?
03.08.2022 Abstimmungen, Politik, Schweizsda./vs. Soll die Tierwürde, der Anspruch, nicht in Massentierhaltung zu leben, in der Verfassung verankert werden? Über diese Frage befinden das Schweizer Stimmvolk und die Stände am 25. September. Dann kommt die Volksinitiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz», ...
sda./vs. Soll die Tierwürde, der Anspruch, nicht in Massentierhaltung zu leben, in der Verfassung verankert werden? Über diese Frage befinden das Schweizer Stimmvolk und die Stände am 25. September. Dann kommt die Volksinitiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz», kurz Massentierhaltungsinitiative, zur Abstimmung. Das Initiativ-Komitee will, dass künftig alle Nutztiere – und nicht wie heute nur rund jedes achte – regelmässigen Auslauf ins Freie bekommen. Wer gegen dieses Anliegen ist und vieles mehr, zeigt folgender Überblick zur Initiative.
Wo steht der Tierschutz heute?
Nach Angaben des Bundes verfügt die Schweiz bereits heute über eines der strengsten Tierschutzgesetze der Welt. Zum selben Schluss kommt die Tierschutzorganisation «World Animal Protection». Gemäss deren Index tragen die Schweiz und fünf weitere Staaten am meisten Sorge zum Tierwohl. Konkret dürfen hierzulande Masthuhn-Betriebe bis zu 27 000 Tiere, Legehennen-Betriebe bis zu 18 000 Tiere, Mastschwein-Betriebe bis zu 1500 Tiere und Mastkälber-Betriebe bis zu 300 Tiere halten.
Was will die Initiative?
Mit der Annahme der Massentierhaltungsinitiative würde die Verfassung geändert. Tiere erhielten den Anspruch, nicht in Massentierhaltung leben zu müssen. Um diese Bestimmung umzusetzen, müsste der Bund Kriterien für eine tierfreundliche Haltung und Pflege, für den Zugang ins Freie und für die Schlachtung schaffen. Ausserdem müsste er eine Höchstzahl für in einem Stall zusammen gehaltene Tiere festlegen.
Weiter schreibt die Initiative vor, dass Tiere und Tierprodukte, die mit in der Schweiz verbotenen Methoden hergestellt wurden, nicht importiert werden dürfen. Konkretisierungen auf Gesetzesstufe müssten spätestens in drei Jahren in Kraft sein und sich an den Bio-Suisse-Richtlinien von 2018 anlehnen, sollte das Volksbegehren gutgeheissen werden.
Wie viele Betriebe sind tangiert?
Im Jahr 2021 belief sich die Anzahl Landwirtschaftsbetriebe auf knapp 49 000, wie das Bundesamt für Statistik errechnete. Bei einem «Ja» an der Urne müssten laut Bund rund 3000 Betriebe ihre Tierhaltung anpassen.
Welche Tiere werden gehalten?
Seit dem Jahr 1985 hat sich die Anzahl Hühner verdoppelt, auf 12,6 Millionen. Dagegen sind die Bestände von Rindern (heute 1,5 Millionen) und Schweinen (heute 1,4 Millionen) in der selben Zeitspanne etwas zurückgegangen.
Wer sind die Unterstützer?
Lanciert wurde die Initiative vom Verein Sentience. Zur Trägerschaft gehören die Fondation Franz Weber, Vier Pfoten und Greenpeace. Von den politischen Parteien unterstützen die Grünen, die SP und die GLP das Anliegen.
Das Initiativkomitee schreibt, dass die meisten landwirtschaftlichen Nutztiere den Grossteil ihres Lebens zusammengepfercht auf Betonböden verbringen. Regelmässigen Auslauf ins Freie müssten aber alle Tiere erhalten. Zudem sollte die Zahl der gemeinsam in einem Stall gehaltenen Tiere reduziert werden.
Wer sind die Gegner?
National- und Ständerat lehnen die Initiative ab. Der Bundesrat ebenso: Er rechnet mit höheren Preisen und weniger Auswahl, wenn alle Lebensmittel mit tierischen Produkten dem Bio-Standard entsprechen müssten. Auch die SVP, die FDP und die Mitte gehören zu den Gegnern.
Bei einem «Ja» erwartet der Bauernverband gestützt auf eine Studie einen Rückgang der Selbstversorgung mit Hühner- und Schweinefleisch sowie Eiern. Dies aufgrund höherer Kosten für die Landwirtschaft. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sieht die Prinzipien des freien Marktes gefährdet.