«Eingeschlagen wie eine Bombe»
25.08.2022 Bezirk Sissach, TennikenChristian Horisberger
In der industriellen Fertigung ist die Spannzange etwas so Selbstverständliches wie im Haushalt der Staubsauger. Zum Einsatz kommt sie überall dort, wo in CNC-gesteuerten Maschinen Bohrer und Fräser aus Metallblöcken neue Formen herausarbeiten; ...
Christian Horisberger
In der industriellen Fertigung ist die Spannzange etwas so Selbstverständliches wie im Haushalt der Staubsauger. Zum Einsatz kommt sie überall dort, wo in CNC-gesteuerten Maschinen Bohrer und Fräser aus Metallblöcken neue Formen herausarbeiten; Fachleute sprechen von «Zerspanen». Das kann der Zylinderkopf eines Benzinmotors sein, die Platine einer mechanischen Uhr oder ein künstliches Hüftgelenk. Die Spannzange ist das Element, das die Spindel mit dem Schneidewerkzeug verbindet. Und je präziser das Werkzeug gespannt wird, desto höher wird die Qualität des fertigen Teils und desto zufriedener ist der Kunde.
Die Tenniker Rego-Fix hat viele zufriedene Kundinnen und Kunden – weltweit. Dieser Erfolg des in Reigoldswil («Rego») gegründeten Familienunternehmens basiert auf einer Erfindung von 1972: einer verbesserten Spannzange, die sich beim Werkzeugwechsel mühelos entfernen lässt. Es war ein grosser Wurf: Bis dahin musste das Verbindungsstück mühsam mit Hammerschlägen von der Halterung gelöst werden.
«Als unser Vater seine Vision mitteilte, dass es in der Industrie Millionen von ER-Spannzangen braucht, hatten ihn viele Leute belächelt – heute wissen wir, dass er recht hatte», wird Stefan Weber, Sohn von Firmengründer Fritz Weber, in einer Mitteilung zum 50-Jahre-Jubiläum der ER Spannzange zitiert. Als die Rego-Fix ihr Produkt der Fachwelt an einer Messe vorstellte, zeichnete sich dessen späterer Erfolg bereits ab: «Seine Vorteile waren offensichtlich – es hat wie eine Bombe eingeschlagen», erzählt der Sohn. Die Firma sei mit Bestellungen für die patentierte Erfindung überhäuft worden und habe während vieler Jahre nicht so viel produzieren können, wie der Markt verlangte. Aus der ursprünglichen Maschinenbaufirma des Innovators Fritz Weber wurde ein Betrieb ausschliesslich für die Herstellung und Weiterentwicklung von Spannwerkzeugen – bis heute.
Umzug und Expansion
Das Betriebsgebäude in Reigoldswil platzte bald aus den Nähten, eine Expansion war aber dort nicht möglich. In Tenniken fand das Unternehmen mit seinen inzwischen 100 Mitarbeitenden ein neues Domizil. Zunächst mietete sich die Rego-Fix ein, dann erwarb sie das Gebäude und verdoppelte 2012 die Produktionsfläche mit einem Neubau. Heute gehen in Tenniken 220 Mitarbeitende ein und aus, weltweit beschäftigt die Rego-Fix 300 Arbeitskräfte. In mehreren Ländern, unter anderem in den USA, China, Brasilien oder Mexiko, ist sie mit Tochterfirmen vertreten, ansonsten arbeitet sie mit Vertriebspartnern in mehr als 50 Ländern zusammen. 93 Prozent der Tenniker Erzeugnisse werden exportiert.
Stefan Weber hat zusammen mit seinen Brüdern Richard und Andreas schrittweise die Verantwortung für das Familienunternehmen übernommen. Anstatt sich auf den Lorbeeren auszuruhen, haben sie laufend neue Spannwerkzeuge entwickelt, um die Anforderungen der verschiedenen Anwendungsfälle zu erfüllen. «Wir haben viel Konkurrenz. Mit Qualität und Innovationskraft heben wir uns von ihr ab», sagt Stefan Weber, Verantwortlicher für die 16 Männer und Frauen starke Produkteentwicklung. «Wir werden weltweit als Leader wahrgenommen.» Dazu gibt Weber eine Anekdote zum Besten: An einer Messe in China habe ihn ein einheimischer Aussteller als Rego-Fix-Vertreter identifiziert. Der Mann habe voller Hochachtung zu ihm gesagt: «We copy you!»
DIN-Norm 6499
Als 1992 der Patentschutz abgelaufen ist, wurde die ER Spannzange mit der DIN-Norm 6499 «geadelt»: Weber: «Nur sehr gute und weit verbreitete Produkte werden zur Industrienorm gemacht.» Mit der Weiterentwicklung wurden viele weitere Produkte patentiert. Heute sind es weltweit rund 100.
Noch heute ist die Spannzange umsatzmässig das beste Pferd im Rego-Fix-Stall. Aber «powRgrip» holt intern auf. Dabei handelt es sich um ein Spannsystem, das noch präziser und stärker ist. Durch einen Knopfdruck wird das Werkzeug mit einer hydraulischen Presse eingespannt. Das System ist ausgerichtet auf Anwendungen, die grosse Spannkräfte und äusserst hohe Präzision verlangen. Zum Beispiel für die Luft- und Raumfahrt. Weber versucht gar nicht erst, seinen Stolz zu verbergen, als er das Foto eines Raketentriebwerkteils zeigt, das mit «powRgrip» bearbeitet wurde.
Die Weber-Brüder verwalten das Erbe ihres Vaters mit dessen Werten und Innovationsgeist. Das Label «Swiss made» ist kein Etikettenschwindel:
Sämtliche Rego-Fix-Produkte werden in Tenniken hergestellt. Um mit der Konkurrenz preislich mithalten zu können, wurden neue Fertigungsmethoden entwickelt und viel Geld in modernste vollautomatische Maschinen investiert. Die Roboter und CNC-Drehmaschinen sind während fünfeinhalb Tagen in der Woche durchgehend in Betrieb, das Personal in der Produktion arbeiten in drei Schichten.
Mit der laufenden Weiterentwicklung ihrer Produkte und der Ergänzung der Einsatzgebiete möchte die Unternehmensleitung die Führungsposition der Rego-Fix in der Branche und das überdurchschnittliche Wachstum beibehalten. «Dafür brauchen wir mehr Platz», sagt der Entwicklungschef. «In den bestehenden Gebäuden sind wir am Anschlag.» Es gebe mehrere Optionen, die aktuell geprüft würden. Wünschenswert sei ein Wachstum in der Schweiz, im besten Fall in Tenniken. Die politische Stabilität und die hohe Produktivität würden die hohen Lohnkosten und den starken Franken aufwiegen, sagt Weber zum Produktionsstandort Schweiz.
Frachtkosten vervielfacht
Corona, Ukraine-Krieg mit Lieferverbot nach Russland und drohende Strommangellage haben unterschiedlich starke Auswirkungen auf den Erfolg der Tenniker. Die Umsätze in China seien infolge Corona zurückgegangen. Die Transportkosten hätten sich innert kürzester Zeit vervielfacht, da die Rego-Fix viel per Luftfracht verschicke, so Weber. Und wenn bei einer Strommangellage zeitweise die Lichter ausgehen? «Das hätte gravierende Auswirkungen. Denn ohne Strom geht bei uns gar nichts.»
Jetzt aber soll das Feiern im Vordergrund stehen: Zum 50. Geburtstag der ER Spannzange lädt die Rego-Fix die Tenniker Bevölkerung morgen Freitag zum Firmenrundgang ein (auf Voranmeldung).