Hauptsache Sprit im Tank
08.06.2022 Baselbiet, VerkehrChristian Roth
Krisen haben ihre eigenen Gesetze − auch ihre Profiteure und Verlierer. Der höchste Benzinpreis lag im März während zweier Tage bei 2.24 Franken für bleifreies Benzin und für Diesel bei 2.35 Franken pro Liter. Das sind die höchsten Preise, die in der ...
Christian Roth
Krisen haben ihre eigenen Gesetze − auch ihre Profiteure und Verlierer. Der höchste Benzinpreis lag im März während zweier Tage bei 2.24 Franken für bleifreies Benzin und für Diesel bei 2.35 Franken pro Liter. Das sind die höchsten Preise, die in der Schweiz je registriert wurden. Mittlerweile sind sie ganz leicht gesunken, bleiben aber auf hohem Niveau stabil. Der Rekord war zuvor im Juli 2008 erreicht worden. Damals kostete der Liter «Bleifrei» 1.99 Franken und Diesel 2.27 Franken, wie der TCS auf Anfrage der «Volksstimme» in Erinnerung ruft.
Eine Prognose für die Preisentwicklung sei aufgrund der vielen geopolitischen Einflüsse nicht möglich, heisst es beim TCS weiter. Da in Deutschland soeben eine deutliche Steuersenkung vorgenommen wurde, kostet dort der Liter Benzin noch rund 1,60 Euro pro Liter. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass sich bald ein gewisser Einkaufstourismus in das grenznahe Deutschland entwickelt. Dazu meint die Pressestelle des TCS: «Grundsätzlich können wir nicht prognostizieren, wie sich der Einkaufstourismus entwickelt. Der steigende Wechselkurs des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro hat ohnehin und bereits seit mehreren Jahren zu einem Einkaufstourismus von Schweizern ins benachbarte Baden-Württemberg geführt.»
Hat sich das Verhalten der Autofahrerinnen und Autofahrer wegen der hohen Benzinpreise verändert? Der TCS hält fest, dass dazu noch keine konkreten Zahlen oder Studien vorliegen. Man gehe jedoch davon aus, dass die Autofahrer mehr Zurückhaltung üben, wenn 100 Franken für eine Tankfüllung nicht mehr ausreichen. Die Tankstellenbetreiber Avia und Coop verzeichnen bisher allerdings keinen neuen Trend beim Tankverhalten, wie es auf Anfrage heisst. Es werde grundsätzlich nicht weniger getankt. Der TCS empfiehlt, anstatt Umwege beispielsweise nach Deutschland zu fahren, das Tanken mit Fahrten zu kombinieren, die ohnehin zurückgelegt werden müssen. Wenn sich der Tank in einer Region leert, wo die Preise für Benzin und Diesel hoch sind, könne auch eine Nachfüllung von nur 5 oder 7 Litern vorgenommen werden. Die gesamte Tankfüllung könne dann für den Tag reserviert werden, an dem der Weg zu einer Tankstelle mit günstigeren Preisen führt.
Über das Pfingstwochenende sammelte die «Volksstimme» Impressionen und Meinungen zu den hohen Treibstoffpreisen im Oberbaselbiet. Wir haben Autofahrerinnen und Autofahrer befragt, ob sich ihr Fahrverhalten verändert hat, oder ob sie künftig im nahen Deutschland tanken gehen. Es war durchwegs eine gewisse Gelassenheit auszumachen.
Martin Gisin, 52, Buus, tankt in Gelterkinden:
«Das ist im Moment eine Situation, die man so annehmen muss, wie sie ist. Ich versuche mit dem öV zur Arbeit zu gelangen. Generell fahre ich weniger Auto, was auch sinnvoll ist. Der Weg nach Deutschland ist kein Thema, denn wenn ich dort angekommen bin, ist das Geld schon ‹verdampft›.»
Stefanie Mumenthaler, 28, Zunzgen, tankt in Sissach:
«Ich muss trotz der höheren Preise tanken. Nach Deutschland fahre ich nicht, auch wenn ich im Radio soeben gehört habe, dass man rund 10 Franken pro Füllung sparen kann. Doch der Zeitaufwand lohnt sich nicht. Ich tanke voll.»
Vitor Gjergjaj, 36, Frenkendorf, stellvertretender Geschäftsführer der Avia-Tankstelle in Sissach:
«Das Tankverhalten der Geschäftskunden hat sich nicht verändert. Hingegen fällt mir auf, dass Privatkunden, die vorher für 50 Franken tankten, jetzt zum Teil für 40 Franken Benzin kaufen. Aber im Grunde hat sich wenig geändert.»
Hans Zbinden, 74, Itingen, tankt in Böckten:
«Ich mache hier den Tank voll, weil ich hier meinen Camper eingestellt habe. Normalerweise beziehe ich das Benzin bei einer Ruedi-Rüssel- oder einer Coop-Tankstelle. Ich schaue schon etwas auf den Preis, fahre aber sicher nicht nach Deutschland wegen ein paar Rappen Differenz.»
Karin Viscardi, 60, Ormalingen, tankt in Gelterkinden:
«Natürlich habe ich festgestellt, dass die Preise gestiegen sind. Ich gehe aber normal tanken. Es wäre schön, wenn die Steuern auf den Benzinpreis sinken würden. Aber es ist halt so, wie es ist.»
Arno Schmidli, 58, Kienberg, Inhaber und Geschäftsführer der Garage Buser in Ormalingen:
«Wir haben im Oberbaselbiet eine treue Stammkundschaft. Hier hat man gute Anfahrtsmöglichkeiten. Seit 1935 existiert hier eine Tankstelle, doch dies ist nicht unser Kerngeschäft. Beim Tankverhalten kann ich aktuell nur geringfügige Schwankungen feststellen.»
Peter Verdun, 77, Sissach, tankt in Sissach (und wollte nicht aufs Bild):
«Die Länder um uns herum denken, dass alle Schweizer reich sind. Hier leben aber auch genug arme Leute. Es werden noch andere Zeiten auf uns zukommen. Das Senken der Benzinsteuer wäre gewiss ein Thema.»
Dominik Jost, 21, Seltisberg, tankt in Sissach:
«Mich betrifft es stark, denn ich fahre jeden Tag zur Arbeit. Ich probiere, nicht so viel aufs Mal zu tanken. Ich bin aber bereit, den Mehrpreis zu bezahlen, da ich auf das Motorrad angewiesen bin. Auch wenn mehr als 2 Franken pro Liter sehr viel sind. Um nach Deutschland zu fahren, habe ich keine Zeit.»