David Thommen

Die Gebiete, in denen die Nutzung der Windkraft zur Stromgewinnung infrage kommt, sind im Baselbieter Richtplan bereits seit einiger Zeit ausgewiesen. Jetzt hat der Kanton zusätzlich Standorte vorgeschlagen, die für den Bau neuer Wasserkraftwerke geeignet zu sein scheinen. Die Vorschläge wurden unlängst in die drei Monate dauernde Vernehmlassung geschickt. Zuerst darüber berichtet hatte das Portal «onlinereports.ch».

Die Kantone haben vom Bund den Auftrag gefasst, die für die Wasserkraftnutzung geeigneten Gewässerstrecken in ihren Richtplänen auszuweisen; dies im Hinblick auf den beschlossenen Ausstieg aus der Atomkraft und der damit verbundenen «Energiestrategie 2050». Wenig überraschend kommt im Baselbiet in erster Linie die Birs – nach dem bereits stark genutzten Rhein das zweitgrösste Gewässer – für eine weitere Wasserkraftnutzung infrage. Hier sind in einem extern erarbeiteten Bericht drei neue Standorte in Aesch, Duggingen und Zwingen ausgemacht worden.

Eher überraschend kommen laut diesem Bericht ausserdem zwei Ergolz-Standorte in Betracht: Der Kesselfall bei Liestal sowie eine Strecke unmittelbar beim Einkaufszentrum Schönthal («Niederschönthal») auf Füllinsdörfer Boden. Mitentscheidend für die Eignung ist ein möglichst grosser Niveauunterschied auf kurzer Strecke. Beim Kesselfall, wo die Ergolz über zwei hohe Stufen abstürzt, ist dies augenscheinlich gegeben, beim Standort «Niederschönthal» fällt die Ergolz etwas weniger offensichtlich über mehrere Blockrampen in Folge ab, was eine Nutzung möglich machen könnte. Der grosse Hülftenfall etwas weiter unten auf Prattler Boden wird zusätzlich als Ersatzstandort aufgeführt.

Untersucht wurden nicht weniger als 40 Abschnitte in zahlreichen Baselbieter Gewässern. Auch der Oberlauf von Ergolz oder die Hintere und die Vordere Frenke sowie die Frenke sind evaluiert worden. Die meisten Standorte wurden verworfen, da das Potenzial als zu klein betrachtet wurde, oder weil bei ökologisch wertvollen Abschnitten die Schutzinteressen höher als die Nutzungsinteressen bewertet worden sind.

Strom für 1800 Haushalte
Bei den fünf als «realistisch» eingestuften Standorten für Kleinwasserkraftwerke ist das Potenzial vergleichsweise klein. Würden dereinst an allen fünf Stellen Stauwehre realisiert, würde der Beitrag zur Deckung des gesamten Stromverbrauchs im Kanton Baselland lediglich 0,4 Prozent oder 8 Gigawattstunden pro Jahr betragen. Das entspricht etwa dem Verbrauch von 1800 Haushaltungen. Bislang werden im Baselbiet – vor allem mit den Rheinkraftwerken in Augst und Birsfelden – 350 Gigawattstunden pro Jahr aus Wasserkraft gewonnen, was den Stromhunger im Kanton zu rund 18 Prozent deckt. Das Baselbiet «importiert» deutlich mehr Strom, als es produziert.

Neben Ergolz und Birs verspricht auch der Rhein weiteres Potenzial, wie dem Bericht zu entnehmen ist. Und zwar könnte der Rhein unterhalb des Kraftwerks Birsfelden ausgetieft und durch die grössere Niveaudifferenz 5 Prozent mehr Strom gewonnen werden (zusätzlich 15 bis 20 Gigawattstunden pro Jahr). Dieses Projekt war schon 1999 und 2007 diskutiert, dann aber nicht weiterverfolgt worden. Denkbar wäre, dass der Plan im Hinblick auf die Neukonzessionierung des Kraftwerks nach 2030 wieder aus der Schublade genommen wird.

Christoph Plattner, der Leiter des Ressorts Energie beim kantonalen Amt für Umweltschutz und Energie, betont gegenüber der «Volksstimme», dass die nun ausgewählten fünf Standorte an Birs und Ergolz für die Wasserkraftnutzung in ökologischer Hinsicht vermutlich vertretbar wären. Allerdings könne dies abschliessend erst im Rahmen eines Baugesuchs beurteilt werden, wenn die Umweltverträglichkeit im Einzelfall vertieft geprüft worden sei. Plattner: «Der Kanton Baselland bezeichnet nur die denkbaren Standorte. Die Initiative für den Bau eines Kraftwerks müssten Dritte ergreifen.» Infrage kommen beispielsweise regionale Stromversorger wie EBL oder Primeo (früher EBM).

Ein wichtiges Kriterium für eine Genehmigung werde die «Durchwanderbarkeit» für Fische sein. Brauchen werde es in jedem Fall Fisch-Auf- und auch -Abstiegshilfen. Im Fall des Standorts «Kessel» in Liestal könne ein Kraftwerk samt Aufstiegshilfe sogar zu einer ökologischen Aufwertung führen. Denn bislang ist das Hindernis für ergolzaufwärts wandernde Fische zu gross.

Fischer sind nicht begeistert
Nichts von der Idee von Ergolz-Kraftwerken hält Domenic Tanner. Der Interimspräsident des Kantonalen Fischereiverbands Baselland (KFV BL) weist darauf hin, dass der Pegelstand der Ergolz bei Trockenheit jeweils sehr tief ist. In Hitzejahren trockne das Gewässer streckenweise annähernd oder sogar ganz aus. Kraftwerke könnten «faktisch den Fischfauna-Tod in der Ergolz bedeuten», sagt er, zumal mit dem Klimawandel die Wassertemperatur im Sommer bedrohlich steige. Die temperatursensible Forelle als Hauptfisch habe schon heute keine gute Zukunftsperspektive mehr. Kämen Stauwehre hinzu, verschlechtere sich die Situation weiter. «Wir werden gegen solche Planungen etwas unternehmen», sagt er bestimmt.

Ganz ähnlich tönt es beim Fischereiverein Ergolz Liestal (FVEL): Man anerkenne zwar, dass der Bedarf an Strom aus erneuerbaren Energien stetig wachse. Den Kleinkraftwerken an der Ergolz stehe man aber eher kritisch gegenüber, «da die negativen ökologische Folgen unserer Meinung nach in keinem Verhältnis zur Stromausbeute stehen», so FVEL-Präsident Niggi Weissen im Namen des Vorstands. Bevor das Solarenergie-Potenzial auf den bereits existierenden Bauten nicht einmal annähernd ausgeschöpft sei, «sollte besser zuerst dort investiert werden, statt zusätzliche Natur zu zerstören». Pro Natura wollte vorerst noch keine Stellung nehmen: Man beginne erst damit, sich intensiv mit dem Vorschlag auseinanderzusetzen, heisst es. Gegen ein Birskraftwerk in Zwingen hatte sich Pro Natura vor einigen Jahren zusammen mit dem WWF vehement gewehrt.

Wasserkraftwerke in der Ergolz?

Image Title

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Ja. Ich benötige ein Abo.

Article

Image Title