Grosse logistische Herausforderung
29.03.2022 Baselbiet, Gemeinden, Gesellschaft, Bezirk Sissach, SissachUnterbringung von ukrainischen Flüchtlingen fordert die Gemeinden
Der Krieg in der Ukraine hat eine riesige Flüchtlingswelle ausgelöst. Die Unterbringung der Geflüchteten und deren Integration wird die Gemeinden vor grosse Herausforderungen stellen. Wir haben in Sissach nachgefragt, wie ...
Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen fordert die Gemeinden
Der Krieg in der Ukraine hat eine riesige Flüchtlingswelle ausgelöst. Die Unterbringung der Geflüchteten und deren Integration wird die Gemeinden vor grosse Herausforderungen stellen. Wir haben in Sissach nachgefragt, wie man sich hier dafür rüstet.
Sander van Riemsdijk
«Bis jetzt ist erst eine Person in Sissach als ukrainischer Flüchtling registriert», sagt Beatrice Mahrer, zuständige Gemeinderätin für die Sozialhilfebehörde in Sissach, «alle anderen sind im Moment über persönliche Beziehungen bei Privaten untergebracht.» Wie viele Menschen aus der Ukraine noch in die Schweiz kommen werden, lässt sich nicht voraussagen.
Während der vergangenen Wochen hat die Zahl der Geflüchteten im Baselbiet stetig und spürbar zugenommen. Gemäss Asylkoordinator Rolf Rossi halten sich zurzeit mehr als 500 geflüchtete Personen im Kanton auf (Stand vom vergangenen Donnerstag). Täglich werden es rund 40 Personen mehr. Sie werden den Gemeinden zugeteilt, die nach einem Zuweisungsschlüssel verpflichtet sind, eine Anzahl Flüchtlinge sowohl unterzubringen als auch zu betreuen.
Suche nach Wohnraum
Bei der Frage, was dies für Sissach für die kommenden Wochen bedeuten wird, muss Beatrice Mahrer nicht lange überlegen: «Wir rechnen demnächst mit einer Zunahme von etwa zwei Dutzend Personen, weil uns jetzt laufend registrierte Geflüchtete aus den Bundeszentren zugewiesen werden.» Die Anzahl dürfte sich aufgrund des Kriegsgeschehens noch erhöhen.
Um auf den Ansturm vorbereitet zu sein, sucht die Gemeinde fieberhaft nach Wohnraum und Mobiliar. Dabei spielt das private Engagement eine grosse Rolle, wie Beatrice Mahrer erklärt: «Es werden bereits intensiv Gespräche mit Wohnungsvermietern über das Einzugsdatum und über den Mietzins geführt.»
Auch wenn derzeit noch unklar ist, wie viele Flüchtlinge Sissach endgültig aufnehmen muss, ist die Sozialvorsteherin zuversichtlich, dass die Gemeinde den Mehraufwand und die damit einhergehende grössere Logistik stemmen kann. Allerdings: «Bei einem übermässigen Ansturm und wenn alle Stricke reissen sollten, haben wir keine andere Wahl, als auf Zivilschutzanlagen zurückzugreifen.» Aber so weit sei es noch nicht.
Mit der Betreuung der Geflüchteten werden die Sozialhilfekosten steigen, wobei der Bund und der Kanton den grössten Teil der Gesamtkosten abdecken wird. Bei ihren Bemühungen kann die Gemeinde auf die Unterstützung der Organisation «Freiwillige für Flüchtlinge Sissach und Umgebung» (FfFS) zurückgreifen, in der auch Mahrer mitwirkt.
Supportteam wird aufgebaut
Die Solidarität mit den Geflüchteten und die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung, diese aufzunehmen, sei gewaltig, sagt der reformierte Sissacher Pfarrer Matthias Plattner. Er ist eine wichtige Ansprechperson in der FfFS, die seit einigen Jahren überkonfessionell unter dem Dach der Kirchgemeinschaft und der Pfarrei Flüchtlinge in Sissach und Umgebung empfängt und betreut: «Erfreulicherweise haben sich bereits 50 bis 100 Personen gemeldet, die sich vielfältig engagieren möchten», so Plattner.
Die Gemeinde Sissach hat der Organisation den verwaisten Kindergarten Himmelrain zur Verfügung gestellt, wo ein Treffpunkt für Flüchtlinge und Einheimische konzipiert ist.
Das grosse Engagement von Privatpersonen, Flüchtlingen eine Unterkunft und eine Begleitung anzubieten, ist zwar erfreulich, jedoch nicht unproblematisch und wird oft überschätzt. Das Zusammenleben setzt nämlich grosse Offenheit gegenüber den Geflüchteten voraus, die oft traumatisiert sind. Hinzu kommen die sprachliche Barriere und der kulturelle Unterschied. Die Organisation hat diese Problematik erkannt und reagiert darauf, wie Plattner erläutert: «Wir versuchen, eine Art professionelles Supportteam aufzubauen für die Gastfamilien, welche die Menschen auf der Flucht betreuen. Es ist für diese Leute oft eine grosse Belastung und wir möchten sie im Sinne eines Coachings in ihrer schwierigen Aufgabe unterstützen.»
Weitere Infos unter www.fff-sissach.ch. E-Mail: fffsissach@gmail.com. Wer über leeren Wohnraum verfügt, ist gebeten, sich unter 061 976 13 00 bei der Sozialhilfebehörde zu melden.
«Freiwillige für Flüchtlinge Sissach und Umgebung»
svr. Die Gruppe Freiwillige für Flüchtlinge Sissach und Umgebung (FfFS) ist im November 2015 entstanden. Parteienunabhängig und überkonfessionell möchte die Organisation als Ergänzung zur staatlichen Betreuung Flüchtlinge in der Bewältigung des Alltags unterstützen. Sie bietet unter anderem Unterstützung beim Deutschlernen und Hilfe bei Problemen, die aufgrund fehlender Sprachkompetenz entstehen. Dazu werden Begegnungen und der Austausch mit Menschen ermöglicht, die schon länger hier zu Hause sind, Kulturaustausch, ebenso Sport und Wandern. Im Weiteren vermittelt FfFS Freiwilligenarbeit sowie Kontakt zu Vereinen und organisiert Behördenbegleitung, Arztbesuche und Sammelaktionen für Kleider und Schuhe.