Das öffentlichste Ehepaar der Schweiz
29.03.2022 Bezirk Sissach, Kultur, SissachSchreiber versus Schneider im verbalen Schlagabtausch
Zum 50-jährigen Bestehen der Freihandbibliothek Sissach gab das literarische Ehepaar Schreiber und Schneider in der Gemeindebibliothek eine Kostprobe seiner humoristischen verbalen Schlagabtausche.
Sander van ...
Schreiber versus Schneider im verbalen Schlagabtausch
Zum 50-jährigen Bestehen der Freihandbibliothek Sissach gab das literarische Ehepaar Schreiber und Schneider in der Gemeindebibliothek eine Kostprobe seiner humoristischen verbalen Schlagabtausche.
Sander van Riemsdijk
Es wehte am Freitag ein Hauch von Nostalgie durch die engen Stuhlreihen in der mit 70 Besuchenden voll besetzten Sissacher Gemeindebibliothek. Vor gut acht Jahren hatte das öffentlichste Ehepaar der Schweiz die jetzt jubilierende Bibliothek schon einmal mit einem Besuch beehrt. Seit 22 Jahren tingeln Sybil Schreiber und Steven Schneider durch die Schweiz und unterhalten auf der Bühne ihre Fangemeinde bei Lesungen mit viel Ironie über ihre Beziehungserfahrungen.
Die Beziehung eint sie zwar, doch ist sie wie alle Gemeinschaften nicht frei von Problemen. Dafür aber überwiegen die vielen Gemeinsamkeiten, die wohl auch der Grund dafür sind, dass sich die beiden zwischen Liebeskitsch und Beziehungsklischees pointiert spritzig, witzig und gelegentlich genial banal verbale Tiefschläge austeilen. Es sind Alltagsszenen aus einer Beziehung zweier Menschen unterschiedlichen Geschlechts, die für ihre verbale Kommunikation in Buchform und auf der Bühne in der Schweiz und im süddeutschen Raum bekannt sind.
Auch in ihrem siebten Programm «Endlich erwachsen» nehmen die beiden Eheleute die Tücken des gemeinsamen Alltags mit coolen Pointen und gespickt mit einer grossen Prise Selbstironie aufs Korn. Halb Deutsch, halb Mundart sticheln die beiden hemmungslos und unverblümt. Als eine Art Einstieg in den Leseabend deutete Schreiber «erwachsen» um in «er muss noch wachsen». Es war der erste vieler Seitenhiebe, die Schneider galten, der während des Abends immer wieder etwas jugendliche Schlitzohrigkeit an den Tag legte. Schreiber und Schneider sind ein echtes Paar mit echten zwischenmenschlichen Konflikten, in denen sich viele Menschen in einer Partnerschaft wiedererkennen. Während zweier Stunden liess sich das Publikum in der Bibliothek sozusagen den Spiegel vorhalten.
Drauflosimprovisieren
Schnell hatten sich die routinierten Performer, die unterdessen Kultstatus erreicht haben, warmgelaufen und liefen rasch zu Hochform auf – sei es mit spöttischen Bemerkung oder beim Lesen aus ihren Kolumnen. Zuweilen improvisierten sie mit spontanen Einwürfen drauflos und bescherten dem Publikum mit ihren innerehelichen Wortgefechten einen überaus amüsanten Abend.
Das Erfolgsrezept der als Kleinunternehmen funktionierenden Familie fusst auf einer einfachen Basis: Ein Familienteil schimpft über eine bekannte Gegebenheit aus dem Alltag, seines Gegenübers der dann postwendend mit kabarettistischem Flair charmant und humorvoll kontert. Sie macht sich über seine im Vergleich zu ihr geringere Körpergrösse lustig, er kontert mit «früher war ich grösser, aber ich bekam halt immer eins aufs Dach». Schneider und Schreiber vergassen bei ihrer Darbietung nicht, gelegentlich das Publikum mit einzubeziehen. Das Paar schaffte eine wohltuende, warmherzige und vergnügliche Stubenatmosphäre und entliess sein dankbares Publikum erst nach einer Kolumnen-Zugabe in die Sissacher Nacht.
Vom 25. bis 27. März setzten sich in der ganzen Schweiz die Bibliotheken in Szene. So auch die Gemeindebibliothek Sissach. Unter dem Motto «Nach den Sternen greifen» wurden besondere Veranstaltungen wie die Lesung Schreiber versus Schneider durchgeführt, die auch Teil des Jubiläumsprogramms «50 Jahre Freihandbibliothek» bildeten, das im Dezember 2021 gefeiert wurde (die «Volksstimme» berichtete). Kürzlich wurde eine Lesung für Kinder angeboten und am Sonntag, 1. Mai, wird das Musikund Märlitheater «De Ritter Schlötterli im Häxewald» aufgeführt, das im Dezember 2021 coronabedingt verschoben werden musste.