Vom Ende einer Ära mit Farbtupfern
17.02.2022 Baselbiet, Gesellschaft, Bezirk Sissach, Sissach
Robert Bösiger
Battli. Alle Welt – oder zumindest jene in Sissach und Umgebung – kennt den Mann unter diesem «Namen». Vielleicht weil der Vorname Beatus, den der Mann vor gut 80 Jahren von seinen Eltern erhalten hat, für heutige Ohren etwas aus der Zeit ...
Robert Bösiger
Battli. Alle Welt – oder zumindest jene in Sissach und Umgebung – kennt den Mann unter diesem «Namen». Vielleicht weil der Vorname Beatus, den der Mann vor gut 80 Jahren von seinen Eltern erhalten hat, für heutige Ohren etwas aus der Zeit gefallen scheint. Vielleicht aber auch ganz einfach, weil der Name so kurz und eingängig ist. Egal, den geneigten «Volksstimme»- Leserinnen und -Lesern braucht wohl niemand zu erklären, wer sich hinter dem Namen verbirgt.
Beatus Häberli, Malermeister im Ruhestand, alt Gemeinderat und Fasnächtler. Und vielleicht tauchen bei näherem Hinsehen noch ein paar zusätzliche Attribute auf. «Mir wäi luege …»
Der Fasnächtler
Lasst uns mit der Fasnacht beginnen, einem Kapitel, das dem gelernten Maler Beatus Häberli immer wichtig war. Tatsächlich gehörte er zu jener «Tschuppele» Männer, die 1959 den «Club 99» aus der Taufe hoben. Inspiriert von der «Staubwolke» – einer bereits existenten Gruppe junger Männer, nannten sich Battli und seine Freunde so, obwohl sich die damals jung-dynamischen Kerle eher als kulturell-sportlich-politischen Verein sahen.
Vor einigen Jahren gab Battli einem Reporter zu Protokoll, dass die Burschenschaft nicht nur das Motto «Wein, Weib und Gesang» pflegte, sondern auch das Politische und das Sportliche. Es ist überliefert, dass die Burschen für Ausflüge jeweils die Autos ihrer Väter «ausliehen». An der Fasnacht trat der «Club 99» als Schnitzelbank auf und selbstverständlich betätigten sich die Mitglieder auch beim Intrigieren. Und, aus heutiger Sicht, am nachhaltigsten: Einige Klubmitglieder gründeten 1963 zusammen mit einigen Abtrünnigen der legendären «Heidengässler» die «Guggemuusig», die noch heute als Gugge FGS auf der Piste ist. Battli bediente die Posaune.
Längst nicht mehr bei den Aktiven, ist Battli aber auch heutzutage noch immer zumindest ein Lieferant von Sujets – zum Beispiel für Schnitzelbänkler. An der Fasnacht 1994 füllte die «Volksstimme» eine halbe Zeitungsseite allein mit Versen, die die örtlichen Bänkler über Battli zum Besten gaben. Immerhin sei bemerkt, dass damals Beatus Häberli honoriges Mitglied des Gemeinderats war – und entsprechend exponiert und unter ständiger Beobachtung. Zusammen mit den Enten, die hinter dem Haus im Bach schwammen, gab dies ein perfektes Sujet her. So sangen etwa die «Bajasse»:
Alli mini Entli schwimme uf em Bach,
schwimme uf em Bach
Und mache dr ganz Tag e fürchterliche Krach.
Si quake und si schnädere,
schwimme und verliere Fädere.
Genau wie ihre Meischter – gälle si,
euse Bombe-Gmeinrot Häberli
Der Maler
Das Licht dieser Welt erblickt Beatus Häberli am 13. Oktober 1941. Als Montagskind. Und «als typische Waage – meistens ausgeglichen», wie er selber sagt. An seine Kindheit und Jugend hat er nur gute Erinnerungen. Die Familie wohnte damals nur unweit vom heutigen Wohnhaus – hinter dem ehemaligen Restaurant Eidgenossen (heute Lindbergh-Pub).
Zunächst möchte Battli Koch werden oder zumindest «einen Beruf ergreifen, bei dem er unter die Leute» komme. Mit 14 beginnt er tageweise bei Erwin Degen, der als Geschäftsführer in Liestal beim Malergeschäft Kaiser beschäftigt ist. «Die Arbeit, an Gartenhägen zu schleifen, zu grundieren und zu malen hat mir sehr gefallen», erinnert er sich. Mit knapp 15 Jahren beginnt er seine Lehre als Maler im selben Betrieb.
Mit dem Ende der Lehrzeit möchte Battli ins Ausland. So landet er in Holland, bleibt ein Jahr (1961/62). Dann trifft er, zurück in Sissach, den hiesigen Maler Hans Hodel, der ihn mit Handkuss einstellt. Doch bald schon will der junge Maler weiter. Es zieht ihn nach Davos ins «Hotel Europe» – als Hotelmaler. Dort wird er für so manches eingesetzt, vom «Zigeunerspiessli-Brötler» bis zum Chauffeur. Er verdient 650 Franken pro Monat, Kost und Logis inklusive.
Nach einem längeren Abstecher nach Schweden und wieder in Sissach, machen sich Beatus Häberli und seine Frau Käthi selbstständig. Das sind nun gute 55 Jahre her. Anno 1987 zieht das Farbenhaus Häberli nach diversen Standorten in Sissach an jenen gleich zu Beginn der Rheinfelderstrasse vis-à-vis des Restaurants Löwen. Von hier aus wird Battli fortan tätig. Von hier aus macht er sich, bekleidet mit seinem markanten Malermantel, bedächtigen Schrittes auf Richtung Begegnungszone, wo er da oder dort einkehrt und Zeitung liest. An der Ladentüre prangt dann für gewöhnlich das Schild «Bin gleich zurück».
Der Politiker
Im Hinblick auf die Gemeinderatswahlen 1988 liess sich Beatus Häberli von den «Fröhlich-Orthodoxen Sissach» als Kandidat aufstellen. In einem Wahlinserat wurden unter dem Motto «Ein sicheres Gerüst für Sissach» alle Fähigkeiten stichwortartig publiziert: «Maler, Gerüstbauer, Künstler, Wandersmann, Bergsteiger, Fasnächtler, Häuser-Sanierer».
Im zweiten Wahlgang setzte er sich mit 907 Stimmen unter anderem gegen den damaligen Gesi-Chef Werner König durch. Tags darauf war in der «Volksstimme» zu lesen, welche Ziele der neue Amtsträger anstrebt: «Ich will Schluss machen mit der Geheimdiplomatie, die meiner Ansicht nach vom Sissacher Gemeinderat gepflegt wird. Mehr Offenheit ist nötig, mehr Transparenz.»
Häberli übernahm das Sicherheitsdepartement (mit den Abteilungen Feuerwehr, Zivilschutz, Militär und Schiessen). 1992 wurde er erneut gewählt und kurz darauf fiel ihm die Ehre zu, auf der Allmend als «Chluuri» verbrannt und in den Fasnachtshimmel entsandt zu werden. Bei den folgenden Wahlen – im Februar 1996 – verpasste Battli den erneuten Einzug in den Gemeinderat; seinen Sitz musste er dem Stechpalme-Kandidaten Rolf Cleis überlassen. Der Kommentator in der hiesigen Zeitung schrieb von einem «gescheiterten Experiment Battli» und sprach damit dessen zum Teil unkonventionelle Ideen und Vorgehensweisen an.
Nach der Gemeinderatszeit versuchte es unser Farbenhändler auf einem anderen, ebenfalls politischen Parkett: Für die Schweizer Demokraten liess er sich für den Landrat aufstellen. Zwar holte er respektabel viele Stimmen, schaffte den Sprung nach Liestal letztlich aber nicht.
Der Querdenker
Beatus Häberli hat gemäss eigenem Bekunden ein spannendes Leben geführt. Davon zeugen auch die vielen Fotos, Schriften und Objekte, die er in seinem Haus an der Rheinfelderstrasse 3 derzeit sichtet. Zum Vorschein kam dabei auch das legendäre Schild mit der Aufschrift «Bin gleich zurück».
«Nein, ich habe keine Pläne mehr. Ich muss räumen und aufräumen», sagt er mit einem Schalk in seinen Augen und einem Schmunzeln unter seinem Schnurrbart. Da bleibt keine Zeit, um übers Älterwerden oder gar das eigene Ende nachzudenken.
Nachdem er und seine Frau den Farbenladen schon vor etwa fünf Jahren mal haben verkaufen wollen, es aber nicht geklappt hat, soll nun ein Uhrmacher ins bisherige Ladenlokal einziehen. Battlis Kommentar: «Coiffeure und Pizzerias haben wir in Sissach schliesslich schon zur Genüge, aber einen Uhrmacher noch nicht.»
Obwohl noch zu früh für eine Würdigung, sei an dieser Stelle nochmals ein Passus aus einem früheren Porträt von Heiner Oberer über den Mann mit Malerschurz (aus dem Jahr 2016) wiederholt – auch, weil man es nicht treffender ausdrücken kann: «Battli trieb es bunt, aber nie zu bunt. Sein Leben war mit zahlreichen Farbtupfern versetzt.»
Zu diesen Farbtupfern gehört auch, dass Beatus ein Vierteljahrhundert lang «z’Alp» gegangen ist und als treues SAC-Mitglied so manchen Berg bestiegen hat – darunter auch den mit 4634 Metern über Meer höchsten Gipfel des Landes. Handkehrum hat er zusammen mit Gleichgesinnten Höhlenexpeditionen unternommen. «Wir haben jeweils den in den Höhlen vorgefundenen Abfall mit rausgenommen und korrekt entsorgt – lange, bevor die Grünen kamen …»
Battli, der nicht immer für alle genehme Querdenker, dem das Eingespielte und das Herkömmliche, das Perfekte und Administrierte ein Gräuel war und ist. Autor Oberer schrieb damals vom «Freiheitsapostel, der in kein Schema passt». Dennoch ist der bekannte Sissacher alles in allem zufrieden mit «seinem» Sissach. Auch die «Sonne» vis-à-vis auf der gegenüberliegenden Strassenseite gefällt ihm recht gut, «obwohl sie etwas wuchtig daherkommt».
Gut möglich, dass Battli inskünftig auch dort mal Zeitung liest und sich einen genehmigt – jetzt, da er auf sein geliebtes «Stöpli» verzichten muss.