«Corona-Artikel sind nicht so der Renner»
25.02.2022 Baselbiet, Zunzgen, Fasnacht, Gesellschaft, Bezirk SissachChristian Horisberger
Wie weit hörte man den Stein, der Ihnen bei der Bekanntgabe der Corona-Lockerungen vom Herzen fiel?
Roberto Papini: Die Erleichterung war tatsächlich gross: Der Bundesratsbeschluss war entscheidend für unser Fasnachtsgeschäft, ...
Christian Horisberger
Wie weit hörte man den Stein, der Ihnen bei der Bekanntgabe der Corona-Lockerungen vom Herzen fiel?
Roberto Papini: Die Erleichterung war tatsächlich gross: Der Bundesratsbeschluss war entscheidend für unser Fasnachtsgeschäft, obwohl es aufgrund der knappen Zeit vielerorts keine normale Fasnacht geben wird. Wir hofften, dass jetzt etwas geht. Wie sich rasch zeigte, bemühen sich viele Aktive, noch etwas auf die Beine zu stellen.
Stefano Papini: Die Lockerungen bedeuten noch nicht das Ende der langen Unsicherheit. Wir wussten ja bis Anfang dieses Jahres nicht, wie wir planen sollen. Üblicherweise brauchen wir im Einzelhandel 30 bis 50 Prozent mehr Personal. Wir haben denn auch aufgestockt und gehofft und gehofft. Die Lockerungen freuen mich natürlich. Gleichzeitig ist es eine Herausforderung, das Geschäft sozusagen von null auf hundert hochzufahren. Die Mitarbeitenden müssen sich jetzt an einen völlig anderen Rhythmus gewöhnen.
Was hat sich in Ihrem Betrieb seit dem Lockerungsentscheid abgespielt?
S.P.: Wir haben deutlich mehr Kunden im WOP-Shop. Wir verkaufen gegenwärtig mehr als in anderen Jahren zu diesem Zeitpunkt. So haben zum Beispiel viele Cliquen für ihre Mitglieder Waggis-Schlafkappen und Zoggeli geordert.
R.P.: Im Grosshandel haben wir dafür gesorgt, dass wie üblich an den Samstagen vor der Fasnacht jemand von uns vor Ort ist, damit grosse Mengen Konfetti direkt ab Rampe an Cliquen herausgegeben werden können. Auf der Website haben wir umgehend kommuniziert, was an Bestellungen von Mimosen und Orangen noch möglich ist.
Sie haben auch in der Innerschweiz eine Niederlassung. Wie lief das Geschäft dort?
S.P.: Die Innerschweizer haben sich nicht gross darum gekümmert, was der Bundesrat sagt. Luzern hat ja schon länger angekündigt, dass eine Fasnacht stattfinden würde, während man in der Region Basel weit zurückhaltender war. Das Geschäft im dortigen Megastore hat daher bereits vor drei Wochen stark angezogen.
Die Luzerner werden also eine normale abhalten?
S.P.: Annähernd, denke ich.
Haben Sie in Ihrem Sortiment viele Artikel, die sich auf Corona beziehen?
S.P.: Wir haben eine Corona-Latex-Maske; sie ist grün und mit Noppen besetzt. Spritzen, Arztkittel und dergleichen sind schon seit zwei Jahren ein Thema.
Wie verkaufen sich diese Artikel?
S.P.: Man sollte meinen gut, aber sie sind nicht so der Renner. Die Leute scheinen das nicht mehr so lustig zu finden. Wir verkaufen momentan sehr viele Kostüme, und zwar querbeet, es kristallisieren sich keine besonders beliebten Sujets heraus. Wir stellen höchstens fest, dass Klassiker wie Indianer, Cowboy, Pirat, Arzt, Clown oder Prinzessin sehr gefragt sind.
Wie läuft das Konfetti-Geschäft?
S.P.: Schon am Tag der Bekanntgabe der Lockerungen hatten wir Anrufe von Cliquen, die Bestellungen aufgaben … Wir hatten von den vergangenen zwei Jahren noch einiges Material übrig, beschlossen aber, noch eine Lastwagenladung zu bestellen, damit wir alle Farben haben. Wir denken, dass viele Aktive sich jetzt noch eindecken wollen und die Nachfrage entsprechend anzieht. Glücklich der, der Lager hat.
Auch Blumen?
R.P.: Wir können dank guter Beziehungen zu Produzenten in San Remo in Italien und grossen Blumenimporteuren Röschen und Mimosen liefern. Wenn man Konfetti und Wurfartikel an Cliquen verkauft, gehören Frischblumen und auch Orangen einfach dazu. Wir freuen uns, wenn wir damit zu einer gelungenen Fasnacht beitragen können.
Fragt sich, wie gelungen: Wie es aussieht, verzichten in der Region viele Wagencliquen, die Hauptabnehmer von Konfetti und Mimosen, auf eine Teilnahme an der Fasnacht. Die Umzüge wurden gestrichen oder minimiert.
S.P.: Die Fasnächtler mussten zwei Jahre darben. Und gehört es nicht ursprünglich zur Fasnacht, der Obrigkeit eine lange Nase zu machen? Ich rechne damit, dass einiges losbrechen wird. Die Wagencliquen haben sich zwar nicht vorbereitet wie üblich, aber ich bin davon überzeugt, dass ad hoc manche Wagen vorbereitet werden.
R.P.: Soweit ich weiss, macht Pratteln eine normale Fasnacht, die haben dort bestimmt viele Wagen.
Mit den abgesagten Fasnachten und vielen abgesagten Märkten über eine lange Zeit sind Ihnen während der Pandemie die beiden wichtigsten Standbeine weggebrochen. Wie haben Sie die Krise überlebt?
S.P.: Voriges Jahr brach uns die Fasnacht ganz weg und im Marktgeschäft kamen wir auf 40 Prozent eines normalen Jahres. Wir haben Personalabgänge nicht mehr ersetzt, hatten Kurzarbeit und bauten ausserhalb der Kurzarbeit sehr viele Überstunden ab. Dank unseres jüngsten Standbeins, Schleckzeug für Kioske sowie ein höherwertiges Süsswarensortiment wie Schokolade, Marzipan und süsse Geschenkartikel, konnten wir einen Teil des Umsatzrückgangs kompensieren. Übers ganze 2021 gesehen hatten wir anständige Zahlen – auch dank eines sensationellen Halloween-Geschäfts. Es war unser bestes Halloween aller Zeiten.
Haben die Menschen damit die ausgefallene Fasnacht nachgeholt?
S.P.: Ich denke ja. Das Datum fiel zudem auf ein Wochenende – das ist ideal für uns. Aber auch so scheint Halloween im Trend zu sein. Für Kostüme für Kinder und Erwachsene und insbesondere für hochwertige Deko wird inzwischen viel Geld ausgegeben. Ein deutscher Lieferant sagte unlängst zu mir, dass für ihn Halloween inzwischen wichtiger als der Karneval sei.
Atmen Sie nun auf? Ist die Krise überstanden?
S.P.: Da bleibe ich vorsichtig. Wir machen normalerweise von Januar bis März fast einen Drittel unseres Jahresumsatzes. Wir müssen dankbar sein, wenn wir dieses Jahr die Hälfte davon erreichen.
Für Waren aus China gibt es Lieferschwierigkeiten. Sind Sie davon betroffen?
S.P.: Für diese Fasnacht noch gar nicht, da unsere Lieferanten aus dem Fasnachtsbereich – hauptsächlich Zwischenhändler in Europa – gut gefüllte Lager haben. Wegen höherer Rohstoffpreise und Transportkosten für Ware aus China steigen die Einkaufspreise deutlich an und wir müssen entsprechend die Verkaufspreise teils deutlich nach oben korrigieren.