Medienpaket – Investition in die Vielfalt
27.01.2022 Abstimmungen, Medien, Baselbiet, RegionMit ihrer Berichterstattung aus und für die Regionen ermöglichen die Medien Debatten, bilden damit das Fundament demokratischer Meinungsbildungsprozesse und tragen zum Zusammenhalt in unserem föderalistischen Staat bei.
Medienvielfalt in Gefahr
Die Schweizer Medien ...
Mit ihrer Berichterstattung aus und für die Regionen ermöglichen die Medien Debatten, bilden damit das Fundament demokratischer Meinungsbildungsprozesse und tragen zum Zusammenhalt in unserem föderalistischen Staat bei.
Medienvielfalt in Gefahr
Die Schweizer Medien garantieren den Meinungswettbewerb, ein wichtiges Fundament der direkten Demokratie. Es ist vor allem die Zukunft vieler kleinerer Zeitungen, die auf dem Spiel steht. Und wer, wenn nicht die noch vorhandenen Lokal-/ Regionalzeitungen, setzt alles daran, um der Bevölkerung in einem begrenzten Gebiet einen qualitativ guten Überblick über das gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche, sportliche und kulturelle Geschehen zu bieten?
65 Prozent der Werbeeinnahmen gingen verloren
Nicht nur unser Verlag, sondern alle Schweizer Medien stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Seit Jahren sinken die Erträge aus Werbeeinnahmen unaufhaltsam. Massiv verschärft wurde dieser Negativtrend 2020/21 durch die Corona-Pandemie. 2020 lagen die Werbeerlöse der Schweizer Printmedien mit 720 Millionen Franken etwa 1,4 Milliarden Franken tiefer als noch vor zehn Jahren.
Demgegenüber generieren die Internet-Giganten, hauptsächlich Facebook und Google, jährlich rund 2 Milliarden an Werbeeinnahmen nur aus der Schweiz und entziehen dem Informations-Journalismus damit die finanzielle Grundlage. In der Vergangenheit wurde dieses Geld für die Finanzierung von Journalismus auf allen Ebenen verwendet.
Aber auch das Mediensystem als Ganzes veränderte sich in den letzten Jahren stark. Während bei den meisten Zeitungsverlagen die Lesermarkt-Einnahmen immer noch hauptsächlich aus den Printabos kommen, kann die Auflage damit nicht gehalten, geschweige denn ausgebaut werden. Die Verlage sind deshalb gefordert, sich weiterzuentwickeln, um für jüngere Leserinnen und Leser attraktiv zu sein. Diese Weiterentwicklung mit Berücksichtigung der sich laufend ändernden Anforderungen und Wünsche der User ist teuer und für einen einzelnen Verlag – speziell im Lokalen – ohne Unterstützung kaum zu finanzieren.
Hier setzt das vom Parlament verabschiedete und auf Kompromissen beruhende Medienpaket an.
Einerseits sollen digitale Nachrichten-Angebote, Online-Newsplattformen beziehungsweise kleinere und mittlere Verlage beim Wandel im digitalen Bereich unterstützt und gleichzeitig ein Abbau im Bereich der Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ wertvollem Journalismus – auch auf Papier – verhindert werden.
Und so funktioniert das Medien-Unterstützungspaket:
1. Indirekte Presseförderung (IPF)
Den ersten Pfeiler bildet die Aufstockung der indirekten Presseförderung. Seit über 170 Jahren werden die Postporti für abonnierte Zeitungen mittels IPF vergünstigt. Diese indirekte Förderung sorgt dafür, dass Zeitungen auch heute noch täglich erscheinen und eine «Volksstimme» in der Regel drei Mal pro Woche zugestellt werden kann. Die Aussage des ehemaligen SRF-Direktors Ruedi Matter im «Volksstimme»-Interview vom 6. Januar 2022: «Vielleicht wird die ‹Volksstimme› zukünftig nur noch ein Mal pro Woche erscheinen und dafür mehr Informationen über ihre Webseite verbreiten», kann durchaus dereinst Realität werden. Die Tatsache jedoch, dass fast 99 Prozent unserer Abonnentinnen und Abonnenten heute regelmässig die gedruckte «Volksstimme» lesen und ebenso die Antworten aus unseren Umfragen zeigen, dass unsere Leserinnen und Leser weiterhin drei Printausgaben pro Woche zugestellt erhalten möchten, und zwar jeweils am Dienstag, Donnerstag und Freitag (möglichst vor Mittag!).
Da heute insgesamt weniger Zeitungen vertrieben werden, wird die Zustellung der Post pro Exemplar immer teurer, womit sich auch der Abonnementspreis stetig verteuert. Nun soll die Presseförderung der Zeitungen von heute 30 auf 50 Millionen aufgestockt werden und diejenige der Mitgliederorgane von 20 Millionen auf 30 Millionen. Dazu kommen 40 Milionen Franken an die Frühzustellung der Tageszeitungen.
Für mich als Verantwortliche für den Verlag der «Volksstimme» ist die weitere Vergünstigung der Porti sehr wichtig. Die Bundesbeiträge, die direkt an die Post überwiesen werden und so also in erster Linie eine direkte Postförderung und gleichzeitig eine indirekte Medienförderung darstellen, kommt letztendlich im Abopreis den Abonnentinnen und Abonnenten der «Volksstimme» zugute. Denn eine Lokalzeitung wie die «Volksstimme» sollten sich doch eigentlich alle leisten können.
2. Lokalradios, Regionalfernsehen, Aus-/Weiterbildung
Der zweite Pfeiler umfasst eine Änderung des Radio- und Fernsehgesetzes. Hier sollen von den Serafe-Gebühren (ehemals Billag) neu maximal 8 Prozent an private TV- und Radioveranstalter gehen. Eine Stärkung der Vielfalt somit auch bei Radio und Fernsehen.
Mit diesem Paketteil werden ebenfalls Aus- und Weiterbildung der Journalistinnen und Journalisten sowie Presseagenturen und der Presserat unterstützt. Insbesondere die Massnahmen im Bereich Aus- und Weiterbildung sind für Lokalverlage wie die «Volksstimme» wichtig. So konnten in den letzten 30 Jahren 12 Redaktions-Mitarbeitende die berufsbegleitende Ausbildung am Medienausbildungszentrum zur Diplom-Journalistin oder zum Diplomjournalisten erfolgreich absolvieren.
Erstmals Förderung von digitalen Angeboten
Der dritte Pfeiler beinhaltet die Förderung von Online-Medien mit neu 30 Millionen Franken.
Gewisse Kreise sind der Überzeugung, die Printzeitung sei ein Auslaufmodell, weshalb von dieser Seite nur eine digitale Förderung gewünscht war. Mit dem Kompromiss, welcher zustande kam, wird politisches Neuland betreten. Diese direkte Förderung ist mit dem Erhalt einer vielfältigen Medienlandschaft begründet.
Damit Qualität und Relevanz der geförderten Medien gewährleistet sind, werden nur Online-Medien unterstützt, für welche Leser/-innen bereit sind, etwas zu bezahlen. Mit objektiven Förderkriterien soll explizit eine Einflussnahme des Bundes auf die Inhalte ausgeschlossen werden.
Weil die Kosten für den digitalen Ausbau für einen grossen Verlag – dank Skaleneffekten – einfacher zu stemmen sind, soll die auf sieben Jahre befristete Förderung in der Verordnung mit einer zu verankernden Degression dafür sorgen, dass die kleineren und mittleren Anbieter inklusive Start-up-Projekte mindestens 50 Prozent der Fördergelder erhalten.
Die direkte Demokratie braucht ein vielfältiges Medienangebot
Mit dem Medienpaket kann das vielfältige Medienangebot auch in den Regionen – abseits der grossen Zentren – erhalten bleiben. Denn die Schweizer Medien sind für die direkte Demokratie – unseren Erfolgsfaktor – und den Föderalismus und die regionale Identität von zentraler Bedeutung.
Und das Oberbaselbiet braucht weiterhin seine Stimme – die «Volksstimme» – die Zeitung aus dem Oberbaselbiet und für das
Oberbaselbiet – seit 140 Jahren.
Argumente der Gegner
Das erste Argument: Die Medien mutieren zu Staatsmedien und verlieren ihre Unabhängigkeit, weil sie Geld vom Staat annehmen.
Wenn dem so wäre, hätten wir (die kleinen und mittelgrossen Verlage) sowie auch die Lokalradios und Regionalfernsehstationen die Unabhängigkeit schon lange verlieren müssen. Es ist umgekehrt: Unabhängig können Medien berichten, wenn sie wirtschaftlich nicht permanent gefährdet sind. Und speziell die noch eigenständigen Lokalverlage werden alles daransetzen, ihre Unabhängigkeit und Seriosität in ihren Redaktionen zu bewahren.
Das zweite Argument: «Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre. Die grossen Medienhäuser brauchen dieses Geld nicht.»
Wer kann hier nicht spontan zustimmen? Nur – auch diese Medienhäuser verdienen ihr Geld kaum mehr mit Journalismus, sondern mit anderen Geschäftsbereichen, mit Online-Maktplätzen beispielsweise, welche sonst womöglich durch ausländische Firmen betrieben würden.
Die grossen Medienhäuser erfüllen jedoch mit ihren Zeitungen eine wichtige Aufgabe, beschäftigen eine grosse Zahl an Journalistinnen und Journalisten und bezahlen höchstwahrscheinlich ihre Steuern in der Schweiz.
Die grosse Mehrheit, die von den Fördergeldern profitieren würde, gehört nicht zu den Medienmillionären, welche das Referendumskomitee in den Mittelpunkt seiner Kampagne stellt.
Das dritte Argument: Das Medienpaket diskriminiert Gratismedien.
Im digitalen Bereich sind Gratisangebote in der Regel ausgerichtet auf Klicks und nicht auf eine breite, ausgewogene Berichterstattung. Die Grundtarife der Post für die Zustellung von Gratiszeitungen sind viel tiefer als die Grundtarife von abonnierten Zeitungen.