Gegen den Mainstream
14.01.2022 Baselbiet, Gelterkinden, KulturRaja Breig
«Du bist eine Perle, ich bin nicht einmal ein Stein», lauten die ersten Zeilen des Drittlings «Perle» der Oberbaselbieter Indie-Band Blindzeile und repräsentieren das Album sowohl stilistisch als auch inhaltlich. Selbstkritische Texte, die eine Vielzahl an ...
Raja Breig
«Du bist eine Perle, ich bin nicht einmal ein Stein», lauten die ersten Zeilen des Drittlings «Perle» der Oberbaselbieter Indie-Band Blindzeile und repräsentieren das Album sowohl stilistisch als auch inhaltlich. Selbstkritische Texte, die eine Vielzahl an Metaphern aufweisen, erzeugen die gewohnt wehmütige Atmosphäre der insgesamt neun Songs des Albums. Die Musik von «Blindzeile» – Indie-Pop mit Elementen von Wave der frühen Achtziger – kombiniert schnelle Beats mit meditativen Gitarrenklängen und eignet sich somit hervorragend zum Entspannen und Tagträumen.
Nach dem Debütalbum «Wiedersehen» im Jahr 2017 veröffentlichte die Gruppe – bestehend aus David Pümpin, Gregor Triebold und David Reichenstein – zwei Jahre später «Bewegung». Im November vergangenen Jahres ist das dritte Album erschienen. Das Infragestellen der eigenen Person dominiert «Perle» textlich. Dies zeigt sich sowohl im gleichnamigen Opener als auch in weiteren Zeilen wie «Wenn ich vier Schritte gehe, sind fünf davon daneben» und «Ich schaukle mich hoch und falle deshalb tief» aus dem Lied «Natriumchlorid». Die Texte sind in selbstkritischen Phasen entstanden, wie Texter, Sänger und Gitarrist David Pümpin sagt. «Böse Zungen munkeln, sie seien alle autobiografisch», fügt er an. Repräsentativ für ihn seien sie jedoch nicht: «Ich bin nicht permanent nachdenklich.»
Nixengesang und Vogelzwitschern
Hin und wieder wirken die Texte – etwa in «Minenfeld» – fragmentarisch und somit beim ersten Hören zusammenhangslos. «Das sind sie aber nicht», beteuert Pümpin. Er schreibe seine Texte in erster Linie für sich selbst. Dabei sei er sich bewusst, dass sich die Musik vor allem emotional vom Debütalbum entfernt habe, weniger poppig und zugänglich geworden sei. «Wenn wir berücksichtigen würden, was dem Publikum gefällt, müssten wir uns dem Mainstream annähern», sagt Pümpin. Er sei sich darüber im Klaren, dass seine Musik bloss eine Nische anspreche.
«Blindzeile» lässt sich gerne Zeit, beginnt einen Grossteil der Lieder mit längeren Crescendi und baut auf diese Weise gekonnt Spannung auf. Trotz der nachdenklichen Ruhe ihrer Songs erhalten sie mit schnellen Beats stets die Dynamik aufrecht. «Alles Wasser» initiieren sie mit schwer einzuordnenden, mystisch-galaktischen Klängen, die an verzerrte Menschenstimmen oder sphärische Nixengesänge erinnern. Tatsächlich handelt es sich laut Pümpin allerdings um verfremdetes Vogelgezwitscher, das den abermals metaphorischen Anfang des Liedtextes («Ein Vogel fiel, weiss auf grau, ein schwarzer Tag») einleitet.
Hoher Wiedererkennungswert
Mit «Alles Wasser» zeigt sich «Blindzeile» von seiner funkigen Seite, und auch textlich hebt sich der Song von den anderen ab. Anstelle nur seiner selbst kritisiert der Protagonist des Liedes gleich die ganze Spezies («Wir sind vernichtend klein, aber vernichten im grossen Stil») und enerviert sich dabei über die verschwenderische Grundhaltung unserer Gesellschaft. Mit «Perle» stellt «Blindzeile» einmal mehr hohen Wiedererkennungswert unter Beweis. Hoffen wir bloss, dass das Album – anders als Janis Joplins «Pearl» – nicht das letzte sein wird.
Die Ausgangslage in Bezug auf Konzerte ist zu Zeiten der Pandemie laut Pümpin desaströs. «Die Fixierung eines Konzertdatums bedeutet noch gar nichts», sagt er. Teilweise hätten sie Konzerte bis zu drei Mal verschieben müssen, das neue Album erst in Zürich, Birsfelden und Freiburg i. B. live präsentieren können. Einige Konzerte seien zudem abgesagt worden und die Zahl der Besuchenden pandemiebedingt gesunken. Das nächste Konzert wird voraussichtlich am 22. Januar in Wald im Kanton Zürich stattfinden.