Wie das Hab und Gut vor dem Wasser schützen?
23.11.2021 Baselbiet, Zunzgen, Gemeinden, Bezirk Sissach
Sander van Riemsdijk
Im Juni 2016 und nochmals im Juni 2021 entleerten sich über das Oberbaselbiet lokal sintflutartige Niederschläge. Diese führten in beiden Jahren zu einem bedrohlichen Hochwasser, wobei insbesondere die Gemeinde Zunzgen betroffen war. Der ...
Sander van Riemsdijk
Im Juni 2016 und nochmals im Juni 2021 entleerten sich über das Oberbaselbiet lokal sintflutartige Niederschläge. Diese führten in beiden Jahren zu einem bedrohlichen Hochwasser, wobei insbesondere die Gemeinde Zunzgen betroffen war. Der Nestelbach und der Diegterbach, sonst eher harmlos dahinplätschernde Bäche, verwandelten sich überfallartig in reissende Flüsse mit starken Strömungen. Unvorstellbare Wassermassen flossen durch Gärten, Keller, Lagerräume, Garagen und die Hauptstrasse entlang und rissen mit, was nicht nietund nagelfest war.
Die materiellen Schäden lassen sich zwar nicht genau beziffern, gehen jedoch in Millionenhöhe. Erlebnisse, welche die Bevölkerung von Zunzgen nicht so schnell vergessen wird, wie im Gespräch mit dem Gemeindepräsidenten Hans-Rudolf Wüthrich immer wieder zu vernehmen ist. «Es war einerseits Horror, anderseits beeindruckend, über welches Gewaltpotenzial die Natur, in diesem Fall das Wasser, verfügt. Und vor allem wie schnell so etwas gehen kann.» Viele Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer erinnern sich zusammen mit Wüthrich denn auch ungern an die zwei Ereignisse und suchen nach Antworten auf die Frage, wie sie ihr Wohneigentum vor einem allfälligen nächsten Hochwasser besser schützen könnten. Bei so viel Unsicherheit war seitens des Gemeinderats Handlungsbedarf angesagt: «Wir sind bei der Gebäudeversicherung vorstellig geworden und haben sie gebeten, der Zunzger Bevölkerung Lösungsvorschläge zu bringen, wie sie sich künftig besser gegen das Hochwasser schützen kann», sagt Wüthrich. Dies im Wissen, dass sich ein solches meteorologisches Ereignis jederzeit wiederholen könnte.
Diegterbach umleiten?
Nach dem Hochwasser im Jahr 2016 habe man bereits viel Geld in den Hochwasserschutz investiert, so Wüthrich. Dabei wurde prioritär die Planung des Einbaus eines Geschieberechens im Gebiet Nestelbach vorangetrieben. Diese Umsetzung verzögerte sich unter anderem wegen Umweltund Naturschutzvorgaben und zwar um satte fünf Jahre. Vor drei Wochen ist die Baubewilligung endlich eingetroffen. «Wir werden noch vor Jahresende mit dem Einbau beginnen», berichtet Wüthrich erleichtert. Dafür wird der zusätzliche Bau eines Rückhaltebeckens nach wie vor beim Kanton geprüft. Laut Wüthrich ist dies keineswegs eine einfache Lösung: «Es braucht gemäss dem zuständigen Wasserbauingenieur gewaltige bauliche Massnahmen, damit ein solches überhaupt etwas nützt», sagt er. Kleinere Rückhaltebecken wären einfach nur Kosmetik.
Es ist insbesondere die topografische Lage des Dorfs am untersten, tiefsten Teil des Diegtertals, die bei den starken Regenfällen im oberen Teil des Tals diesen Sommer die verheerende Auswirkung begünstigte. Vor einigen Wochen hat der Gemeinderat gemeinsam mit den Nachbargemeinden Tenniken, Diegten und Eptingen die Situation rund um den Diegterbach und dessen Seitenbäche eingehend analysiert und vergangenen Donnerstag mit dem Kanton über mögliche Lösungsvorschläge im Rahmen einer Prävention diskutiert. Dabei wurde unter anderem eruiert, ob der Kanton bereit wäre, das Bachbett des Diegterbachs tiefer zu legen beziehungsweise auf Höhe Diegten oder Tenniken eventuell umzuleiten, berichtet Wüthrich.
Angst und Sorgen bleiben
Allerdings: «Das Resultat dieser Besprechung war ernüchternd», resü- miert Wüthrich. «Verbauungen oder Rückhaltebecken sind praktisch unmöglich umzusetzen.» Einerseits wären die baulichen Massnahmen zu aufwendig – es bräuchte bis zu mehrere Meter hohe Dämme – und andererseits gibt es im Diegtertal viele Talflächen im Grundwasserschutzgebiet. Mit Entlastungskanälen könne man vielleicht etwas machen, die Dauer von der Planung bis zur Umsetzung werde aber mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Auch die Möglichkeit einer Alarmierung wird geprüft. «Bis es allenfalls mal so weit ist, wird die Feuerwehr in Diegten uns bei einem örtlichen Starkregen telefonisch vorwarnen», versichert der Gemeindepräsident.
Für viele Dorfbewohner bleibt nach den beiden Ereignissen die Unsicherheit bestehen. Die Hochwassergefahr ist nämlich nicht gebannt. Wüthrich und seine Gemeinderatskollegen werden in Gesprächen immer wieder mit der Angst und mit den Sorgen der Menschen konfrontiert. «Es zeigte sich dabei immer wieder, dass wir als Laien auf dem Gebiet der Hochwasserprävention diese Fragen nicht kompetent genug beantworten konnten.» Dafür bietet die kantonale Gebäudeversicherung an der Informationsveranstaltung vom kommenden Mittwoch der Bevölkerung ausreichend Gelegenheit.
Insbesondere erhoffen sich die Hauseigentümer und die Gemeinde, von den Versicherungsfachleuten Antwort auf die Frage zu erhalten, welche Vorkehrungen schon jetzt getroffen werden könnten, um im Wiederholungsfall grösseren Schäden vorzubeugen. «Schnell ein paar Sandsäcke irgendwo hinlegen wenn das Wasser kommt, reicht ganz sicher nicht», so Wüthrich.
Öffentliche Informationsveranstaltung mit der Basellandschaftlichen Gebäudeversicherung zum Thema Hochwasser: Mittwoch, 24. November, 20 Uhr, Gemeindesaal Zunzgen. Die Veranstaltung untersteht der 3G-Regelung und kann nur mit einem gültigen Zertifikat besucht werden.