Die Sorge um den Dorfcharakter war zu gross
30.11.2021 Abstimmungen, Lupsingen, Gemeinden, Bezirk Liestal, Baselbiet
Sebastian Schanzer
832 Personen, das sind knapp 78 Prozent der stimmberechtigten Dorfbevölkerung, haben an der Abstimmung über die Revision des Zonenplans und des Zonenreglements Siedlung in Lupsingen teilgenommen. Eine Mehrheit von knapp 55 Prozent folgte ...
Sebastian Schanzer
832 Personen, das sind knapp 78 Prozent der stimmberechtigten Dorfbevölkerung, haben an der Abstimmung über die Revision des Zonenplans und des Zonenreglements Siedlung in Lupsingen teilgenommen. Eine Mehrheit von knapp 55 Prozent folgte dabei dem Referendumskomitee und schickte die Vorlage zurück zum Absender, dem Gemeinderat. Dieser muss nun eine neue, mehrheitsfähige Revision erarbeiten und der Dorfbevölkerung vorlegen. Das werde weitere zwei Jahre beanspruchen, kündigte der Gemeinderat bereits vor der Abstimmung an. Nun kläre man allerdings ab, ob eine Neuauflage der Zonenplanrevision in den kommenden Jahren überhaupt sinnvoll sei, sagt Gemeinderat Nicolas Hug auf Anfrage.
Kritisiert hatte das Referendumskomitee die im Zonenplan vorgesehene verdichtete Bauweise, die eine massive Zunahme der Dorfbevölkerung mit sich bringe und zu einer Verstädterung der Gemeinde führen würde. Schlecht angekommen ist auch die Zulassung von grösseren Gebäuden – nicht zuletzt in der umstrittenen Gewerbezone – und Flachdächern im Dorf. Die Gegner der Vorlage äusserten ihre Sorge um das intakte und einheitliche Dorfbild.
Folge der Pandemie?
Das deutliche Abstimmungsresultat enttäuscht und erstaunt Stefan Vögtli, Mitglied des Pro-Komitees und ehemaliger Gemeindepräsident von Lupsingen, gleichermassen. «Aus unserer Sicht stellte die vorgelegte Revision einen guten Kompromiss dar», sagt er auf Anfrage.
Als «Breesi» hatte Vögtli die Zonenplanrevision vor vier Jahren in Angriff genommen, vergangenes Jahr war er aus beruflichen Gründen von seinem Amt zurückgetreten und gab das Projekt in neue Hände. Die Gegner, so Vögtli, hätten die unberechtigte Angst geschürt, dass die Dorfbevölkerung nach einer Zustimmung quasi über Nacht von knapp 1500 auf 2000 Personen wachsen würde. Auch die formulierte Sorge um das Dorfbild wegen der Flachdächer habe sicherlich viele Nein-Stimmen gebracht. «Dabei gibt es heute kaum noch Dörfer, die Flachdächer komplett verbieten.»
Einen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis habe möglicherweise auch die Pandemie gehabt. Eine wichtige Mitwirkungsveranstaltung für die Bevölkerung im Frühjahr vergangenen Jahres musste wegen Corona abgesagt werden. «Als die Gemeinde dies im August nachholte, waren die Meinungen bereits gemacht. Die Opposition hatte sich formiert und mittels Flugblatt gegen die Planung Stimmung gemacht», so Vögtli. Denkbar sei auch, dass die Pandemie dem Vertrauen der Einwohnerschaft in die Arbeit von Behörden geschadet habe. «Wir hatten vor der Pandemie eine deutlich bessere Gesprächskultur in Lupsingen, als es jetzt der Fall ist», so Vögtli.
Versteckte Abstimmungsempfehlung?
Und dann wäre da noch der Bericht der Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission (RGPK) zum Finanzplan der Gemeinde. Die Kommission – Präsident ist der Initiant des Referendumskommitees, Marcel Staudt – moniert darin, der vorgelegte Finanzplan der Jahre 2022 bis 2026 bewerte nicht die möglichen finanziellen Folgen einer Zustimmung zur Revision. Das damit einhergehende Bevölkerungswachstum würde zu zusätzlichen Kosten führen, etwa durch den nötigen Ausbau der Infrastrukturen wie Schulen und Strassen, welche die Gemeinde im Finanzplan nicht berücksichtige. «Diese Aussagen entbehren einer stichhaltigen Grundlage, da sich die Bevölkerungszahl innerhalb der im Finanzplan betrachteten fünf Jahre mit Sicherheit unwesentlich anders entwickeln würde als bisher. Ich stelle mir deshalb die Frage, ob die Kommissionsmitglieder hier ihr Amt in Form einer versteckten Abstimmungsempfehlung überstrapaziert haben», so Vögtli.
«Ganz im Gegenteil», sagt Marcel Staudt. «Wir sind damit vielmehr unserem Auftrag als Prüfungskommission nachgekommen.» Die Kommission fordert vom Gemeinderat, einen Masterplan für die Jahre 2022 bis 2032 zu erstellen, der die mit der Verdichtung und dem Wachstum auf rund 2000 Einwohner zu erwartenden Investitionen aufzeigt und bewertet. Dies insbesondere, weil die heutige Infrastruktur für rund 1600 Einwohner ausgelegt sei.
«Das kann man uns nicht vorwerfen»
Staudt als Mitglied des Referendumskomitees wirft dem Gemeinderat in erster Linie aber vor, bei der Erarbeitung des Zonenplans die Bedürfnisse der Dorfbevölkerung zu wenig beachtet zu haben. «Nach diesem Verdikt muss sich der Gemeinderat schon fragen, wie und wann er die Bevölkerung verloren hat», so Staudt. «Die ganze Mitwirkung war ungenügend organisiert, Änderungswünsche wurden missachtet. Die Lupsinger sind unzufrieden mit dieser Vorgehensweise.»
Dagegen wehrt sich Gemeinderat Christian Hug, der das Dossier von Vögtli übernommen hatte: «Wir haben eine Infoveranstaltung mit 150 Anwesenden organisiert, Petitionäre in die Planungskommission aufgenommen und das Mitwirkungsverfahren wegen eines pandemiebedingten Unterbruchs verlängert», so Hug. Bei der Mitwirkung seien zudem viele Inputs teilweise oder ganz in die Vorlage integriert und auch an der Gemeindeversammlung seien nochmals Justierungen an der Revision vorgenommen worden: «Man kann uns also nicht vorwerfen, wir hätten die Bevölkerung nicht genügend einbezogen.»