Kabelschmelze führte zur Explosion
28.10.2021 Bezirk Sissach, Kirche, WintersingenKirchenrestauration kostet rund 400 000 Franken
Nach langwierigen Vorabklärungen ist die Restauration der Kirche von Wintersingen nun angelaufen. Die Forensiker der Polizei Baselland haben Gase, die beim Schmelzen von Kabeln der Elektroheizung entstanden, als Explosionsursache ...
Kirchenrestauration kostet rund 400 000 Franken
Nach langwierigen Vorabklärungen ist die Restauration der Kirche von Wintersingen nun angelaufen. Die Forensiker der Polizei Baselland haben Gase, die beim Schmelzen von Kabeln der Elektroheizung entstanden, als Explosionsursache eruiert.
Christian Horisberger
Der Weihnachtsgottesdienst in Wintersingen kann dieses Jahr wieder in der Kirche abgehalten werden. Nachdem am 8. Dezember vergangenen Jahres eine Explosion das Gotteshaus erschüttert hat, sollen die Reparatur- und Reinigungsarbeiten bis dahin abgeschlossen, die Kirchenorgel wieder montiert und alle elektrischen Installationen erneuert sein. Zurzeit haben die Restauratoren die Kirche unter ihren Fittichen.
Der Sanierung gingen langwierige Verhandlungen zwischen der Stiftung Kirchengut, der Forensik der Baselbieter Polizei, einem Restaurator und Versicherungen voraus. In deren Vordergrund stand die Ursache für die Explosion. Hier sind die Ermittler einen entscheidenden Schritt vorangekommen: Gemäss Martin Innerbichler, Verwalter der Stiftung Kirchengut, in deren Eigentum sich 33 reformierte Kirchen im Baselbiet befinden, ist davon auszugehen, dass im Kabelkanal der Fussbodenheizung eine Hitzeentwicklung entstehen konnte, «die zu einer Kettenreaktion mit bekanntem Ende führte». Gase, die beim Schmelzen der Kabel entstanden, wurden durch den Funken eines Relais im Elektro-Schaltkasten unter der Empore, auf der sich die Kirchenorgel befindet, entzündet. Es habe viele Zufälle zur «richtigen Zeit» gebraucht, ansonsten wäre es nicht zu einer solchen Explosion gekommen, so Innerbichler. Immerhin: Personen kamen beim Knall nicht zu Schaden, ebenso wenig die Orgel und die jahrhundertealten Bleiglasfenster.
Kabel bei Einbau verletzt?
Der Kirchenverwalter betont, dass der abschliessende Bericht der Forensik noch nicht vorliege. Jedoch werde nach aktuellem Ermittlungsstand angenommen, dass das betroffene Kabel beim Einziehen während der grossen Renovation von 1979 bis 1981 leicht verletzt worden ist. «An dieser Stelle alterte vermutlich die Isolation derart ungünstig, dass es zu einem Kurzschluss kommen konnte.»
Der 40-jährige Elektro-Schaltkasten wurde bei der Explosion vollständig zerstört, ein neuer ist bestellt. Die weiteren elektrischen Installationen in der Kirche werden grösstenteils ebenfalls erneuert. Problematisch ist die Neuverkabelung der elektrischen Fussbodenheizung, wie Hansruedi Rohrer, Bauchef der Kirchenpflege, bei einem Augenschein mit der «Volksstimme» sagt. Damit der Plattenboden im Innern der Kirche nicht aufgerissen werden muss, werde man die Kabel neu ausserhalb verlegen und sie nach innen zu den Anschlusstellen führen. Sobald die Heizung wieder in Betrieb ist, wird die kälteempfindliche Orgel, die auswärts von einem Spezialisten gereinigt worden ist, wieder auf der Empore aufgebaut.
Der aufwendigste Teil der Sanierung ist die Reinigung der Kirche. Durch die Explosion hat sich Russ auf allen Oberflächen abgelagert. Insbesondere die Wände mit ihren jahrhundertealten Dekorationsmalereien im Bereich der Fenster und Türen müssen sehr schonend behandelt werden. Ein dreiköpfiges Team des auf Restaurationen spezialisierten Malergeschäfts Buess aus Gelterkinden befreit derzeit die Wände von den Verschmutzungen: In einem ersten Schritt werden hier grössere Russpartikel mit Staubwedel und Staubsauger von Wänden und Simsen entfernt, in einem zweiten werden die Oberflächen mit einem trockenen, einem Radiergummi ähnlichen Schwamm vom feinen Russ befreit. Im dritten Arbeitsgang werden die Wände mit einem Reinigungsmittel feucht vorbehandelt und mit einem Naturschwamm abgewaschen.
Unterhalb eines Fensters, wo Kondenswasserläufe und Russ senkrechte Striche auf die Mauer gezeichnet haben, demonstriert Restaurator Stefan Buess die Arbeitsgänge. Dabei wird deutlich: Die Reinigung erfordert viel Handarbeit und noch mehr Geduld. Rund zwei Monate sind laut Buess für die Reinigung veranschlagt, Anfang Oktober wurde mit dem Aufbau der Gerüste in der Kirche begonnen. Die Holzdecke und das Mobiliar – vor allen Dingen die Kirchenbänke – seien bereits abgesaugt worden, sagt Buess. Jetzt knöpfen sich die Gelterkinder Spezialisten das Gemäuer vor.
Die Kosten für die Sanierung und Restauration belaufen sich gemäss Martin Innerbichler auf rund 400 000 Franken. Der grösste Teil davon sei durch Versicherungen gedeckt. Einen Teil der Kosten trägt die Kirchgemeinde. Kirchenpflege-Präsident Christoph Schaffner nennt einen Betrag von 25 000 bis 30 000 Franken, der unter anderem für eine bessere Tonanlage sowie eine neue Steuerung für die Kirchenglocken fällig werde.
Stiftung setzt Arbeitsgruppe ein
Auch wenn der Schlussbericht der Polizei-Forensiker das Szenario mit einem geschwächten Kabel bestätigen sollte – die Stiftung Kirchengut legt damit den Vorfall nicht zu den Akten. Gemäss Innerbichler hat der Stiftungsrat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich unter Einbezug von Spezialisten weiter mit diesem Thema befasst und dem Stiftungsrat einen Bericht vorlegen soll. «Falls man zum Schluss kommen sollte, mit Massnahmen eine Risikominimierung erreichen zu können, werden diese umgehend eingeleitet.»
Die Kirche von Wintersingen wurde urkundlich erstmals 1196 erwähnt. Sie ist laut dem Inventar der geschützten Kulturdenkmäler im Kanton eines der wenigen Baselbieter Gotteshäuser, deren Ausstattung aus dem 17. und 18. Jahrhundert beinahe vollständig erhalten ist. Das Innere sei deshalb abgesehen vom «eigenartigen und ausserordentlich seltenen Grundriss auch wegen seiner Ausstattung von unschätzbarem Wert».