Der Herr der Hopfen
21.10.2021 Baselbiet, Wirtschaft, Sissach, RegionTeil 4: Die Sissacher «Hopferei» liefert den intensivsten Inhaltsstoff
Lokal produziertes Bier von kleinen Brauereien ist im Trend. Doch die Zutaten sind oft alles andere als lokal. Tobias Luchsinger zeigt mit seiner «Hopferei», dass dies zumindest beim geschmacksintensivsten ...
Teil 4: Die Sissacher «Hopferei» liefert den intensivsten Inhaltsstoff
Lokal produziertes Bier von kleinen Brauereien ist im Trend. Doch die Zutaten sind oft alles andere als lokal. Tobias Luchsinger zeigt mit seiner «Hopferei», dass dies zumindest beim geschmacksintensivsten Inhaltsstoff nicht so sein muss: beim Hopfen.
Sebastian Wirz
Wer von der Sissacher Fluh her in Richtung Bezirkshauptort fährt, kann vier Fahnenstangen in unmittelbarer Nähe zueinander sehen. Sie sind die Basis von Tobias Luchsingers Hobby. Der Sissacher ist aber kein Heraldik-Fanatiker, sondern ausgebildeter Gärtner: An den Schnüren, die jeweils zwischen zwei Stangen gespannt sind, wachsen im Frühling und Frühsommer Hopfenpflanzen in die Höhe. Irgendwann im Juli stoppen die ausschliesslich weiblichen Pflanzen das vertikale Wachstum und bilden fast auf der ganzen Höhe Hopfendolden. Während diese für die Ernte andernorts bodennah abgeschnitten und heruntergerissen werden, beginnen Luchsinger und seine Kollegen unten mit der Ernte und fahren danach jeweils die Schnüre Meter um Meter runter. Es ist nur ein guter Teilaspekt einer insgesamt guten Idee.
Das Projekt, das der 36-Jährige vor fünf Jahren gestartet hat, heisst Hopferei und ist eine Mischung aus Bieridee und Nachhaltigkeitsförderung. Luchsinger berücksichtigt als Bierliebhaber am liebsten regionale Brauereien. Die Rohstoffe, die Letztere verwenden, sind aber abgesehen vom Wasser mehrheitlich alles andere als regional, sondern kommen von mehr oder weniger weit her. So werden etwa die meisten der Hopfensorten, welche die trendigen Pale-Ale-Kreationen mit fruchtigen Aromen ausstatten, als gepresste Pellets aus Amerika importiert. Nur ein Bruchteil des Biers, das in der Schweiz produziert wird, erhält seine charakteristische Bittere, die besonderen Aromen und die verlängerte Haltbarkeit von hiesigem Hopfen.
Viel Sonne, viel Wasser
Im Jahr 2016 pflanzte Luchsinger an den Fahnenstangen auf dem Hof von Gemeindepräsident Peter Buser seine ersten Hopfen an, die zur Familie der Hanfgewächse zählen. «Es sind an sich unkomplizierte Pflanzen, sie bedeuten einfach viel Handarbeit», sagt der heute in der Landschaftsarchitektur Tätige. Sie sind mehrjährig und brauchen lediglich zwei Dinge: viel Sonne und viel Wasser. Bekommen sie das, kann man ihnen sprichwörtlich beim Wachsen zusehen: Sie klettern in der Wachstumsphase bis zu 35 Zentimeter pro Tag in die Höhe.
Doch es blieb nicht bei den eigenen Pflanzen. Als Luchsinger beruflich an einem Grossprojekt in Allschwil arbeitete und dort eine grosse Gartenbar entstand, die mit Hopfen «eingekleidet» wurde, fragte der Sissacher kurzerhand an, was der Betreiber mit dem Hopfen vorhabe. Da dieser die Pflanzen im Herbst einfach abgeschnitten und entsorgt hätte, ernteten Luchsinger und seine Freunde auch diese Dolden. Mangels eines entsprechenden Raums werden sie in der eigenen Wohnung getrocknet – Luchsingers Freundin und die Nachbarn riechen, wenn die Ernte eingebracht ist. Am Ende wird der Hopfen portioniert, vakuumiert und eingefroren.
Direkt vom Garten in den Topf
Doch auch getrockneter Hopfen macht noch kein Bier. Um zu beweisen, dass sich Bier mit hiesigem Hopfen statt den praktischen gepressten und lange haltbaren Pellets brauen lässt, musste Luchsinger selber Hand anlegen – und fand in Roland Schaub den perfekten Partner: Der gebürtige Buckter ist einer der ältesten Hasen unter den Klein-Brauern. Nur rund 100 heute noch aktive Schweizer Brauereien sind vor seinem «Roscha-Bräu» eingetragen worden.
In Schaubs Garage in Frenkendorf entsteht nun seit vergangenem Jahr das «Sissa Hopf», das Luchsingers Produkt gar im Namen trägt. Und einmal im Jahr wird der eigene Hopfen beinahe zeremoniell gefeiert: Für das «Grünhopfen» werden die Dolden am Morgen früh unter der Sissacher Fluh geerntet, werden dann nach Frenkendorf gebracht und landen direkt im Topf, ohne getrocknet und eingefroren zu werden. Der neueste Jahrgang steht aktuell im Regal der «Bierfabrik» in Gelterkinden – und ist keine Massenware: Nur 200 Liter haben Luchsinger und Schaub dieses Mal gebraut.
Auch wenn die trendigen, ultrafruchtigen amerikanischen Neuzüchtungen geschützt sind und daher in Europa noch nicht angebaut werden können, steht hierzulande eine grosse Breite von verschiedenen Hopfen zur Verfügung. Luchsinger hat damit auch in einem klimatisch schwierigen Jahr, was Sonnenstunden im Sommer angeht, bewiesen: Im Kleinen ist es durchaus möglich, Bier mit hiesigem Hopfen haltbar und vor allem geschmacklich zu einem Genuss zu machen.
Oberbaselbieter Bier – eine Serie
wis. Mehr als 1200 Einträge sind bei der Eidgenössischen Zollverwaltung im «Verzeichnis der steuerpflichtigen Inlandbrauereien» vermerkt. 400 Liter Bier dürfen pro Kalenderjahr zum unentgeltlichen Eigenkonsum gebraut werden, Vereine dürfen 800 Liter steuerfrei brauen. Wer mehr produziert, muss in diesem Verzeichnis eingetragen sein. Auch nach dem Konkurs der Brauerei Farnsburg gibt es im Oberbaselbiet zahlreiche Brauereien, die Bier in grösseren Mengen produzieren und es verkaufen. Die «Volksstimme» stellt in loser Folge Oberbaselbieter Biere und ihre Macher vor. Bisher erschienen: Kraftstoff (Sissach), Engibeer Brauerei Leue (Waldenburg), Hopster und Malzer (Rickenbach).
Weltmeister Amerika
wis. Gemäss dem Statistik-Portal statista baute der Branchenleader USA im Jahr 2020 auf 24 738 Hektaren Hopfen an, Deutschland landete mit 20 706 Hektaren auf Rang 2, Tschechien mit knapp 5000 Hektaren auf dem dritten Platz.
Der Hopfen wird beim Kochen und je nach Sorte beim Gärprozess zum Bier gegeben. Er verleiht dem Getränk Bittere sowie Geschmack und trägt zu einer verlängerten Haltbarkeit bei. Vor allem Letzteres führte einst dazu, dass Hopfen überhaupt zur Bierherstellung verwendet wurde, weil die enthaltenen Bitterstoffe eine keimtötende Wirkung haben.
Bier-Facts
Name: Hopferei, Sissach
Gründung: 2016
Sorten: Der Hopfen von der «Hopferei» landet im «Sissa Hopf» von «Roscha Bräu» (Frenkendorf). Nach der Ernte im Spätsommer führen Tobias Luchsinger und Brauer Roland Schaub zudem jeweils einen «Grünhopfen»-Sud durch, bei dem der Hopfen ungetrocknet verbraut wird.
Verkauf: «Sissa Hopf» gibt es als Flasche in der Gelterkinder «Bierfabrik» und im «Vitrum» in Sissach. Das «Grünhopfen»-Bier steht ebenfalls in den Regalen der «Bierfabrik» und wird im Laufwerk in Liestal offen ausgeschenkt.