Herr Blatter, kann der Schulpsychologische Dienst generell bestätigen, dass Jugendliche unter einem Druck leiden, wenn sie sich nicht impfen lassen wollen?
Thomas Blatter: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Jugendliche stehen entwicklungsbedingt immer ...
Herr Blatter, kann der Schulpsychologische Dienst generell bestätigen, dass Jugendliche unter einem Druck leiden, wenn sie sich nicht impfen lassen wollen?
Thomas Blatter: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Jugendliche stehen entwicklungsbedingt immer unterschiedlichen Meinungen und Überzeugungen gegenüber. Einen grossen Einfluss hat dabei die Meinung der Peergroup, der Geschwister, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer. Pandemiebedingt müssen Jugendliche also auch bezüglich des Impfens eine Haltung entwickeln. Generell ist die Situation insofern aber nicht problematisch, weil es nach wie vor gesellschaftlich akzeptiert ist, sich nicht impfen zu lassen.
Aber kann das Vorhandensein einer mobilen Impfstation an der Schule nicht einen zusätzlichen Druck ausüben, sich doch impfen zu lassen?
Die Jugendlichen werden mit der Realität konfrontiert und sehen, dass sich Kolleginnen und Kollegen impfen lassen. Dies kann bei Unentschlossenen, von denen es noch viele gibt, zu einem massgeblichen Anreiz führen. Bei anderen kann diese Konfrontation mit einer mobilen Impfstation wohl auch eine Drucksituation auslösen. Wie die einzelne Jugendliche, der einzelne Jugendliche die Situation empfindet, ist sehr individuell. In der Regel können Jugendliche mit Drucksituationen auch gut umgehen.
Wurden ihre Schulpsychologen und Schulpsychologinnen denn bisher mit Klagen durch Jugendliche über die Impf-Problematik konfrontiert?
Dort, wo Jugendliche sich impfen lassen möchten und dies aufgrund ihres sozialen Umfeldes nicht dürfen, kann es natürlich zu Spannungen kommen. Eltern spielen dabei eine wichtige Rolle. Deren Haltung hat auch in dieser Frage einen Einfluss darauf, wie Jugendliche ihre Umwelt erleben und ihre Handlungsoptionen beurteilen. In unseren Beratungen sprechen Jugendliche vereinzelt davon.
Wie können Sie diese Jugendlichen unterstützen?
Erklärte Aufgabe der Mitarbeitenden des Schulpsychologischen Dienstes ist es, solche Probleme mit den Familien zu besprechen und auf eine gute Lösung für die Jugendlichen hinzuwirken. Druck ist für den Menschen nicht grundsätzlich problematisch. Solange wir über Handlungsalternativen verfügen und möglichst selbstverantwortlich Entscheide treffen können, kann der Mensch gesund bleiben. In der Schweiz herrscht keine Impfpflicht – diese Herausforderung stellt sich also nicht. Für die Mitarbeitenden des Schulpsychologischen Diensts gilt es wie immer, alle Probleme und Fragen der Jugendlichen wahr- und ernst zu nehmen und sie bei ihrer Meinungsäusserung zu unterstützen.
Interview Sebastian Schanzer
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