Die Lehren aus der Pandemie
14.09.2021 Baselbiet, Gesundheit, LausenFachpersonen aus der Gesundheitsbranche diskutieren
«Lessons to be learned» lautete das Thema des «Netzwerks Gesundheit und Soziales Oberbaselbiet», das zu einer Podiumsdiskussion im Tonwerk Lausen mit Fachpersonen aus der Gesundheitsbranche einlud. Die Erkenntnis: Nicht alles ist ...
Fachpersonen aus der Gesundheitsbranche diskutieren
«Lessons to be learned» lautete das Thema des «Netzwerks Gesundheit und Soziales Oberbaselbiet», das zu einer Podiumsdiskussion im Tonwerk Lausen mit Fachpersonen aus der Gesundheitsbranche einlud. Die Erkenntnis: Nicht alles ist schlecht an der Pandemie.
Tobias Gfeller
«Gibt es Chancen in der Krise?», fragte Moderatorin Cornelia Kazis zu Beginn. Nach 75 Minuten interessanter Debatte, zu der sich am Ende auch die interessierten Fachpersonen aus dem Publikum einschalten konnten, war klar: Ja, es gibt sie. «Wir mussten ganz schnell lernen, auch das Nichtperfekte zu akzeptieren, und mit dem arbeiten, was wir haben und vorhanden ist», meinte Ruth Walter, Leiterin Ergotherapie beim Roten Kreuz Baselland. In der Corona-Pandemie, vor allem während der ersten Welle, seien alle gezwungen gewesen, aus den knappen Ressourcen und Möglichkeiten das Beste herauszuholen. Walter zum Beispiel musste sich mit Videokonferenzen und grundsätzlich mit der fortschreitenden Digitalisierung anfreunden, obwohl sie zuvor wenig digitalaffin gewesen sei. «Aber auch das hatte rückblickend seine Vorteile. Alles war effizienter.»
Dies empfand auch der Zunzger Hausarzt Reto Misteli so. Er engagierte sich während der ersten Welle im Krisenstab Baselland. «Auch ich empfand es in dieser Situation als wohltuend, nicht von Sitzung zu Sitzung gondeln zu müssen und auch mal das Nichtoptimale zu akzeptieren.» Ursula Schär, Leitung integrierte Beratung bei der Lungenliga beider Basel, widersprach. Sie habe schon vor Corona immer wieder auf nicht optimale Situationen und auf Unvorhergesehenes reagieren und Abstriche machen müssen. «Einmal kommt ein Patient nicht, einmal werden wir angeschrien – das kam schon immer vor.»
Auch ohne Corona einsam
Für Sonja Wagner, Vizepräsidentin des Spitexverbands Baselland, war die grösste Herausforderung in der ersten Welle, trotz der Kontaktbeschränkungen für die Klientinnen und Klienten ambulant da zu sein. Es habe viel Leid aufgrund von Isolation und Einsamkeit gegeben. «Man muss bedenken, dass es nicht allen Menschen möglich ist, einfach so rauszugehen und andere zu treffen.» Sonja Wagner hofft als Lehre aus der Corona-Pandemie, dass dies der Gesellschaft auch nach Corona bewusst bleibt. «Es wird auch dann noch Menschen geben, die isoliert zu Hause sitzen und nicht nach draussen können.» Dies betonte auch Hausarzt Reto Misteli und erinnerte an die zweite Corona-Welle, als viele positiv getestete Seniorinnen und Senioren einsam zu Hause waren und Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegende einen Weg finden mussten, ihnen zu helfen, ohne sich selber zu sehr in Gefahr zu bringen. «Als helfender Profi war man auf einmal hilflos», beschrieb Sonja Wagner das Dilemma.
Bei Misteli klappte dies nur bedingt. Er infizierte sich selber mit dem Coronavirus. Sein Verlauf war so schwer, dass er auf Spitalpflege und künstlichen Sauerstoff angewiesen war. «Ich konnte nicht mehr Treppen steigen, musste immer wieder Pausen einlegen.» Während sein Umfeld grosse Angst hatte, empfand er selber vor allem ein Verlangen nach Sauerstoff.
Besser vernetzen
So viel Leid Corona bisher mit sich brachte, so herausfordernd und belastend die Pandemie für die Fachpersonen in der Gesundheitsbranche ist, so hat sie doch auch ihre positiven Seiten und vor allem Lerneffekte für die Fachpersonen und die Gesellschaft. In zwei Punkten waren sich die fünf Podiumsteilnehmerinnenund -teilnehmer einig: Der direkte Kontakt zwischen Menschen ist durch nichts zu ersetzen und die durch Corona auf einmal nötig gewordene Vernetzung zwischen den Organisationen und Institutionen aus der Branche muss noch besser werden und vor allem anhalten. Spitexverband-Vizepräsidentin Sonja Wagner brachte es auf den Punkt: «Man wurstelte im eigenen Gärtchen vor sich hin, anstatt sich Hilfe von anderen Organisationen zu holen. Wir müssen alle enger zusammenrücken. Das sollten wir über Corona hinaus mitnehmen.»
Geblieben ist auch die Warnung von Matthias Jäger, Direktor der Erwachsenenpsychiatrie bei der Psychiatrie Baselland: Zwar hätten sie bei den Erwachsenen 2020 keine erhöhte Suizidrate festgestellt, doch bei Kindern und Jugendlichen habe das Bedürfnis nach psychologischer und psychiatrischer Hilfe massiv zugenommen. Seit der Pandemie habe man begonnen, der mentalen Gesundheit mehr Beachtung zu schenken. Dies müsse unbedingt über Corona hinaus anhalten, forderte Jäger.