«Beton hat dort nichts verloren»
09.09.2021 Bezirk Sissach, SissachGemeindepräsident Peter Buser über den Pflanzgarten-Rückbaubefehl
Auf vielen Pflanzgartenparzellen in der Nähe des Sissacher Tenniscenters wurde zu üppig gebaut, wie die «Volksstimme» am 19. August berichtete. Der von der Gemeinde erlassene Rückbaubefehl stösst nun teilweise auf ...
Gemeindepräsident Peter Buser über den Pflanzgarten-Rückbaubefehl
Auf vielen Pflanzgartenparzellen in der Nähe des Sissacher Tenniscenters wurde zu üppig gebaut, wie die «Volksstimme» am 19. August berichtete. Der von der Gemeinde erlassene Rückbaubefehl stösst nun teilweise auf Kritik. Gemeindepräsident Peter Buser nimmt Stellung.
David Thommen
Herr Buser, die Gemeinde Sissach und die Pächter der Pflanzgärten beim Tenniscenter seien sich nicht mehr grün, war in der «Volksstimme» zu lesen. Wo liegt das Problem?
Peter Buser: In den Jahren sind dort Bauten entstanden, die alles andere als gesetzeskonform sind. Auf diesem Areal sind einzig sogenannte Fahrnisbauten erlaubt, also einfache Geräteschuppen, die man innert nützlicher Frist wieder abbauen kann. Heute trifft man viel Gemauertes an.
Wie viele der 60 Mieter haben beim Ausbau «übermarcht»?
Bei gut der Hälfte der Parzellen musste etwas beanstandet werden. Häufig wurde zu grosszügig ausgebaut, dabei schreibt das Reglement vor, dass die Häuschen auf den 100-Quadratmeter-Parzellen nur 10 Quadratmeter gross sein und ein ebenso grosses Vordach haben dürfen. Heute muss man feststellen, dass nicht nur der Salat, sondern in vielen Fällen vor allem auch die Häuschen gut gewachsen sind (lacht).
Welche Reaktionen haben Sie auf den Rückbaubefehl?
Da sind natürlich die Betroffenen selber, die reklamieren, was ich teilweise sogar verstehen kann. Viele haben den Vormietern die bereits damals zu grossen Bauten für stattliche Beträge abgekauft. Hier muss ich aber deutlich sagen: Wenn man etwas Illegales kauft, wird es dadurch noch lange nicht legal. Doch für diese Kritik hätte ich wie gesagt noch Verständnis …
… und wofür fehlt Ihnen dieses?
Mühe habe ich damit, wie wir als Gemeindevertreter von Dritten angegangen werden. Ich bekomme zu hören, was für «Unmenschen» wir angeblich doch seien, teilweise heisst es sogar, wir seien fremdenfeindlich, weil viele der Gartenmieter Ausländer sind. Hier hört bei mir der Spass auf. Ich halte entgegen, dass wir gar nicht anders können, als die Gesetzesverstösse zu ahnden. Es gibt für illegal erstellte Bauten kein Gewohnheitsrecht und auch keine Besitzstandswahrung. Die Pflanzgärten befinden sich in einer öW-Reservezone, in der schlicht und einfach keine festen Bauten erlaubt sind. Beton hat dort nichts verloren. Alle anderen müssen sich ja ebenfalls ans Baugesetz halten.
Die Gemeinde hat während 15 Jahren offenbar keine Kontrollen gemacht, sondern den Wildwuchs stillschweigend geduldet. Warum kommt die Gemeinde erst jetzt?
Wir hatten das schon lange auf der Pendenzenliste, und bei einzelnen Mietern haben wir auch schon direkt auf die Verstösse hingewiesen. Doch wir hatten die personellen Ressourcen bisher nicht, um die gesetzlichen Vorgaben durchzusetzen. Nun konnten wir vor rund einem Jahr eine neue Stelle bei der Gemeinde besetzen und haben die Möglichkeit, gegen den Wildwuchs vorzugehen.
War die Gemeinde bisher überhaupt zuständig für die Aufsicht? Sie ist ja nicht Vermieterin.
Das Konstrukt ist so, dass der Gemeinde das Land gehört, dieses aber schon lange an einen Landwirt verpachtet hat, der wiederum die Pflanzgärten vermietet. Die Oberaufsicht, die zugegebenermassen zu lange nicht wahrgenommen wurde, liegt aber gleichwohl klar bei der Gemeinde.
Ist es nicht dennoch etwas unredlich, wenn man es zulässt, dass Neumieter überhöhte Preise für illegal erstellte Häuschen zahlen, die man lange geduldet hat?
Nein. In jedem Pachtvertrag steht klipp und klar, was auf einer solchen Parzelle erlaubt ist. Jeder der nun Betroffenen war sich voll und ganz bewusst, dass er eigentlich etwas Illegales übernommen hat. Zum Vergleich: Wenn jemand auf einer 80er-Strecke immer 100 km/h gefahren ist, kann er sich auch nicht darüber beklagen, wenn er plötzlich eine Busse bekommt.
Hinter den Pflanzgärten werden derzeit neue, wohl nicht ganz billige Wohnbauten hingestellt. Hat Ihre Aktion auch damit zu tun, dass die dortigen neuen Bewohner ein möglichst properes Umfeld bekommen sollen?
Das ist ein Vorwurf, der mich ärgert. Nein, das hat damit überhaupt nichts zu tun. Wir stehen zu den Pflanzgärten, aber diese müssen regelkonform sein.
Seit einiger Zeit gibt es offenbar neue Pachtverträge. Verboten ist seither die Tierhaltung, die vorher gang und gäbe war. Warum?
Es geht darum, Emissionen wie Lärm und Gestank zu verhindern. Es gab zuvor beispielsweise Streitigkeiten wegen eines lauten «Güggels» … Und vor allem war die Tierhaltung häufig so, dass geltende Tierschutzvorschriften nicht eingehalten werden konnten. Herkömmliche Kaninchenställe sind heute beispielsweise nicht mehr erlaubt – die Tiere dürfen nicht mehr einzeln gehalten werden und müssen Auslauf haben.
Die Vorschriften für die Gärten muten recht streng an. Man darf dort Gemüse anpflanzen und nicht viel mehr. Ist das nicht ein etwas gar protestantischer Ansatz in der heutigen Zeit?
Nein, das ist nach wie vor zeitgemäss. Es handelt sich hier per Definition um Pflanzgärten und nicht etwa um Familien- oder Freizeitgärten. Wir haben viele Interessenten, die eine Parzelle zum Anpflanzen suchen. Deshalb wollen wir mit der Zeit sogar neue Parzellen in diesem Gebiet anbieten. Doch es ist ja auch nicht so, dass jemand etwas dagegen hätte, wenn dort am Abend ein Holzkohlegrill angefeuert oder ein Bier getrunken wird. Aber gleich wohnen sollte man dort nicht.
Schadet das bisschen Luxus tatsächlich jemandem?
Ja, natürlich. Zum einen müssen die Gesetze für alle gelten. Zum anderen: Dadurch, dass so grosse Häuschen entstanden sind, werden die Parzellen der Mieter nebenan beeinträchtigt. Die Durchlässigkeit auf dem Gelände ist nicht mehr gegeben, man schaut zum Teil nur noch an eine grosse Wand. Dazu ist das Ganze brandschutztechnisch sehr problematisch. In vielen der Häuschen gibt es Öfen oder Cheminées, was verboten ist. Wehe, es bricht dort einmal ein Brand aus.
Befolgen die Mieter den Rückbaubefehl der Gemeinde?
Das werden wir sehen. Alle wissen mittlerweile, was weg muss. Wir haben das vor Ort mit den Betroffenen besprochen und ihnen das auch schriftlich mitgeteilt. Mitte Oktober findet die Kontrolle statt, dann wird sich zeigen, ob behördliche Verfügungen nötig werden. Was es zu sagen gibt: Die Gemeinde wird Mulden zur Verfügung stellen, in denen das illegale Baumaterial legal und sogar gratis entsorgt werden kann.