AUSGEFRAGT | MONICA SOMACAL, PRÄSIDENTIN EVANGELISCHE FRAUENHILFE BASELLAND
06.08.2021 Gesellschaft, KircheAndrea Masek
Frau Somacal, wie sind Sie zur Evangelischen Frauenhilfe Baselland gekommen?
Monica Somacal: Meine Vorgängerin hatte mich angefragt, ob ich Vorstandsmitglied werden wolle. Ich kannte das Freizeithaus Walten, eines der Angebote ...
Andrea Masek
Frau Somacal, wie sind Sie zur Evangelischen Frauenhilfe Baselland gekommen?
Monica Somacal: Meine Vorgängerin hatte mich angefragt, ob ich Vorstandsmitglied werden wolle. Ich kannte das Freizeithaus Walten, eines der Angebote des Vereins. Ich leitete dort auch schon Kurse und fand es eine tolle Institution. Zudem wies ich langjährige Erfahrung in der Bearbeitung von Gesuchen auf und beschloss, dem Vorstand beizutreten – wo ich mich dann auch um die Gesuche kümmerte.
Was hat Sie dazu bewogen, das Präsidium zu übernehmen und was bringen Sie dafür mit?
Es gab Veränderungen im Vorstand und wir organisierten uns neu. Die Präsidentin fand, es sei ein guter Zeitpunkt, mit gutem Gewissen das Amt abgeben zu können. Ich konnte mir gut vorstellen, das neue Team zu leiten, und stellte mich zur Verfügung. Ich bringe durch meine früheren Beratungstätigkeiten ein grosses Netzwerk im Kanton Baselland mit. Und jetzt auch Zeit. Ich bin jemand mit vielen Ideen, kann gut mit Menschen umgehen und bin, glaube ich, auch gut darin, mein Team für verschiedenste Arbeiten zu motivieren.
Wie hoch ist der Zeitaufwand?
Das kommt auf die Anzahl Gesuche an. Pro Monat erhalten wir zwei bis drei – von Sozialdiensten, Beiständen, Budget- und Schuldenberatungsstellen oder auch kirchlichen Institutionen. Wir behandeln keine direkten Gesuche.
Wem kommt Ihre Hilfe zugute?
Wir leisten beispielweise Unterstützung bei ungedeckten Zahnarztkosten, unerwarteten medizinischen Eingriffen, Sprachkursen, U-Abos, Ferien mit Kindern oder Freizeitaktivitäten von Kindern.
Was sind Ihre Kriterien?
Die Gesuche werden im Vorstand stets anonym präsentiert und besprochen. Es müssen gut begründete Gesuche sein. Wir helfen vor allem bei Notsituationen, mit maximal 800 Franken. Das Zahlen zum Beispiel von Serafe kommt für uns nicht infrage. Unterstützt werden übrigens nicht nur Frauen und Kinder, sondern auch alleinerziehende Väter, ungeachtet ihrer Herkunft und oder Religionszugehörigkeit. Und wenn am Ende eines Jahres noch Geld im Fonds ist, spenden wir es der Frauenoase, dem Frauenhaus und ähnlichen Institutionen.
Warum leben in der reichen Schweiz doch viele Menschen an der Armutsgrenze?
Das beschämt mich schon lange. Ich kenne die dramatische Situation der «Working Poor» in unserem Land durch meine früheren Tätigkeiten nur zu gut. Es sind oft Familien mit Kindern im Niedriglohnsegment, die sich von Monat zu Monat durchhangeln müssen und nie Reserven anlegen können. Es ist beschämend, wie tief gewisse Gehälter sind und wie Alleinerziehende unten durch müssen. Bei einer Trennung und der darauf folgenden Finanzierung von zwei Haushalten landen immer wieder Frauen bei der Sozialhilfe.
Sind die Auswirkungen der Pandemie spürbar?
Im Lockdown kamen weniger Gesuche. Doch seither hat sich die Zahl der Gesuche wieder auf gleichem Niveau eingependelt.
Wie wird Ihr Fonds gespiesen?
Hauptsächlich durch die Mitgliederbeiträge, die 30 Franken pro Jahr und Mitglied betragen. Dann erhalten wir Kirchgemeindekollekten und Spenden. Auch die Kantonalkirche macht einmal im Jahr eine Kollekte für uns. Wir haben Einnahmen durch die Vermietung des Freizeithauses in Läufelfingen. Es steht für Schullager, Familienfeiern oder Seminare zur Verfügung – und ich kann es wirklich nur empfehlen: Es ist wunderschön gelegen, eine Perle. Zum Haus gehörte einst ein Hof, der verkauft wurde und uns Reserven gebracht hat.
Wie viele Mitglieder haben Sie?
Im Moment um die 250. Wir sind aktiv auf der Suche nach neuen Mitgliedern. Leider sind wir etwas überaltert und das möchten wir ändern.
Allgemein haben Vereine Schwierigkeiten, neue Mitglieder zu finden. Und auch der Kirche laufen die Leute davon. Was machen Sie?
Konkret haben wir beschlossen, dass jedes Vorstandsmitglied fünf Personen angeht. Wir sind auch fleissig am Sammeln von Ideen. Gerne würden wir Anlässe planen, um dort potenzielle Mitglieder anzusprechen. Leider kam uns da die Pandemie in die Quere. Da war und ist nichts planbar.
Ist das Ihre neue Strategie und Teil des veränderten Leitbilds?
Ja, wir wollen vermehrt Bildungsangebote auf die Beine stellen, Referate, Kurse und Workshops vor Ort. Zu gesellschaftsrelevanten Themen, wie zum Beispiel Alter oder Beziehungen. Wenn wir dafür bekannte Referentinnen einladen, wie etwa Pasqualina Perrig-Chiello, können wir hoffentlich viele Leute anlocken und uns und unsere Arbeit vorstellen. Zudem haben wir uns geöffnet und uns von der Religion entkoppelt. Wir wollen künftig eine breite Spiritualität vermitteln. Die Frauenhilfe hat ihre Ursprünge im Umfeld der reformierten Kirche, ist jedoch als Verein grundsätzlich unabhängig von der Kirche. Deshalb spielt die Religionszugehörigkeit bei der Mitgliedschaft keine Rolle.
Machen da die Kirchen mit?
Ja, sie sind dafür sehr offen. Schön wäre es, wenn wir uns auch in Kirchen vorstellen dürften. Für uns ideal wären zudem Kooperationen mit anderen Beratungsstellen, Vereinen und Institutionen. Im November gibt es die Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen». Wenn wir Teil des Kollektivs werden könnten, als Trägerin erscheinen, würden wir hoffentlich wahrgenommen. Wir müssen uns bekannter machen, aber im Alleingang ist es schwierig.
Wie motivieren Sie sich?
Am 1. August waren wir aufs Rütli eingeladen, zur Feier der 50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz. Das ist ein Erfolg. Darum macht man es.
Wie sehen Sie die Zukunft der Frauenhilfe?
Mit viel mehr Mitgliedern. 500 wären super. Ich hoffe, wir werden wahrgenommen und können das angedachte Angebot umsetzen. Gerne würden wir auch Ferien für Frauen und Familien anbieten. Ich denke, wir werden viel mehr Aktivitäten organisieren in Zukunft – hoffentlich ohne mehr Zeitaufwand. Leider sehe ich keine Abnahme der Gesuche, im Gegenteil.
Zur Person
mas. Monica Somacal (1954), wohnt in Lupsingen und hat eine Praxis in Liestal. Sie ist Fachfrau für sexuelle Gesundheit und Gestalttherapeutin, Paar-, Sexual-, Beziehungs- und Trennungsberaterin. Sie hat in der Akutpsychiatrie Baselland mitgearbeitet, eine Gruppenpraxis für Frauenkrankheiten sowie eine Frauenberatungsstelle in Rheinfelden aufgebaut und geleitet. Sie referiert und gibt Kurse zu verschiedensten Themen wie «Nein ist Nein», Kränkungen usw. Von 2002 bis Ende 2020 war sie Leiterin der Kantonalen Fachstelle für Sexuelle Gesundheit und seit 2017 ist sie Projektleiterin gegen Mädchenbeschneidung beider Basel.