«Cheesmeyer»: Ein Haus voller Geschichten und Gegenstände
31.08.2021 Bezirk Sissach, Bildung, Kultur, SissachMartin Stohler (Text) Christian Roth (Bild)
Im Jahr 1996 schloss das Warenhaus Cheesmeyer seine Türen für immer. Zurück blieb ein markantes Gebäude voller Erinnerungen und Geschichten. Die Theatercompany «Texte und Töne» hat sie im Rahmen ihres «Cheesmeyer»- ...
Martin Stohler (Text) Christian Roth (Bild)
Im Jahr 1996 schloss das Warenhaus Cheesmeyer seine Türen für immer. Zurück blieb ein markantes Gebäude voller Erinnerungen und Geschichten. Die Theatercompany «Texte und Töne» hat sie im Rahmen ihres «Cheesmeyer»- Projekts wieder aufleben lassen und lädt zu einem Parcours durch die oberen Stockwerke des Hauses ein. Erbaut wurde das Haus um 1901 nach Plänen der Basler Architekten Ganser und Bernoulli. Das Erdgeschoss mit seinen vier grossen Schaufenstern und Teile des ersten Stocks waren als Verkaufsräume konzipiert, während die weiteren Räume als Wohnungen dienten.
Vom heutigen Bistro geht es über eine alte Holztreppe zum «Kassenraum», dem Ausgangspunkt unserer Zeitreise. Hier stehen auf Regalen und Schäften an der Wand Verpackungen verschiedener Produkte aus vergangener Zeit – schon damals kam es nicht nur auf den Inhalt an, auch das Auge kaufte mit.
Drei Familien
Eng mit dem historischen Haus verbunden sind die drei Familien Meyer, Kunz und Häfelfinger. Ihnen ist der nächste Raum gewidmet. Hier kann man sich in Dokumente vertiefen, eine Videoinstallation betrachten und Familiengeschichten anhören. Doch zunächst steht mit den «Cheesfüess» von Irene Maag eine Performance an. Die Basler Künstlerin – sie ist jeweils am Samstag und Sonntag von 17 bis 20 Uhr anwesend – hat ein Paar Füsse modelliert und wird sie aus Greyerzerkäse nachbilden.
In eine andere Zeit versetzt uns der «Salon». Bei den alten Möbeln, Bildern, Figürchen und dem Leuchter handelt es sich nicht um Leihgaben von Privaten oder Institutionen, die Ausstellungsmacherinnen und -macher fanden sie alle im Haus selbst.
Noch vollgestopfter ist die zweiteilige «Katholikenkammer». Ihr Name weist darauf hin, dass es sich bei den Familien Meyer und Kunz um Katholiken handelte, die sich seinerzeit im mehrheitlich reformierten Sissach niederliessen. Der Raum ist schwach beleuchtet. Im sich verändernden Licht werden einzelne Gegenstände sichtbar, und wer etwas verweilt, dem erscheint für einen kurzen Augenblick die Jungfrau Maria. Zum Parcours gehören auch zwei Archivräume des Hauses. Der eine ist Maria Kunz (1899–1985) gewidmet, der andere Helene Bossert (1907–1999). Die beiden Frauen stehen auch im Mittelpunkt der beiden Theaterstücke, welche die Theatercompany «Texte und Töne» für ihr «Cheesmeyer»-Projekt erarbeitet hat (Die «Volksstimme» berichtete.)
Im Archivraum zu Maria Kunz finden sich viele Fotos und Dokumente, die im Zusammenhang mit ihrem langjährigen Wirken als Missionsärztin in Südafrika stehen. Der Raum für Helene Bossert, die sich einen Namen als Baselbieter Mundartdichterin gemacht hat, dokumentiert das Auf und Ab ihres Ansehens in der Öffentlichkeit. Eindrücklich die Fotos ihrer Reise in die Sowjetunion im Jahr 1953, die in der Heimat zu einem Politikum wurde und Helene Bossert zum Opfer einer Hetzkampagne werden liess. Jeweils am Samstag und Sonntag, von 17 bis 20 Uhr, besteht Gelegenheit für Gespräche mit Ueli Fausch, dem Sohn Helene Bosserts, oder mit der Literaturwissenschaftlerin Rea Köppel. Nach diesem Abstecher in die Baselbieter Literatur- und Kulturgeschichte holt uns eine Installation mit Kleidungsstücken in die Welt des Warenhauses zurück. Sie verweist auf die Sammlung von Kleidungsstücken aus verschiedenen Jahrzehnten – in Plastik gut verpackte und gegen Mottenfrass geschützte Mäntel, Blusen, Hosen, Röcke und Korsette –, die auf dem Dachboden des «Cheesmeyer» gefunden wurde. Diese Kleidungsstücke haben es verpasst, Käuferinnen und Käufer zu finden, sie bleiben für immer leere Hüllen. Sand, der aus den Ärmeln gerieselt ist, macht deutlich, dass ihre Zeit abläuft oder schon abgelaufen ist.
Viele Schuhschachteln
Ähnliche Fragen wirft die letzte Installation des Parcours auf. Sie konfrontiert uns auf dem Dachboden mit einem Metallregal, auf dem viele staubbedeckte Schuhschachteln stehen, in denen unverkaufte Schuhe der Firma Bata lagern. Das Gestell wurde dem Warenhaus seinerzeit von der Firma mitgeliefert und stand mit den jeweils neusten Schuhmodellen unten im Laden, im mittleren Parterre-Bereich. Hier auf dem Dachboden geben die Schachteln knackende Geräusche von sich. Drücken die Schuhe damit ihren Ärger darüber aus, dass ihr Verkauf verpasst wurde und sie nicht ihrer wahren Bestimmung zugeführt wurden, oder sind es Zeichen der Freude, Teil einer Kunstintervention zu sein? Ich meinte aus dem Geknacke beides herauszuhören. Bevor ich aber zu sehr ins Grübeln kam, machte ich mich an den Abstieg ins Bistro, wo das Leben im «Cheesmeyer» nach dem Ende des Warenhauses heute in anderer Form weitergeht.
Parcours im «Cheesmeyer-Huus»: Bis 19. September jeweils Mittwoch bis Freitag, 16 bis 20 Uhr; Samstag und Sonntag, 16 bis 22 Uhr. Informationen unter www.texteundtoene.ch
Kulturgeschichtlich bedeutend
Am Freitag, den 3. September, um 20 Uhr findet eine Führung durch Brigitte Frei-Heitz, Leiterin der Kantonalen Denkmalpflege, durch das «Cheesmeyer-Huus» statt. Die Führung gewährt einen Einblick in die Geschichte des Hauses. Teilnehmende lernen die grosse kulturgeschichtliche Bedeutung des Hauses kennen und werden mit dem denkmalpflegerischen Umgang vertraut.