Katzenwelpenmilch für Fledermausbabys
13.07.2021 Baselbiet, Ratgeber, NaturElmar Gächter
Nomen est omen. Hier hätten sich selbst fürstliche Würdenträger wohlgefühlt und so erstaunt es nicht, dass sich der Betrieb der Familie Meier Fürstenhof nennt. Wunderbar auf 550 Metern über Meer gelegen, mit dem Blick ins Tal, wo hinter ...
Elmar Gächter
Nomen est omen. Hier hätten sich selbst fürstliche Würdenträger wohlgefühlt und so erstaunt es nicht, dass sich der Betrieb der Familie Meier Fürstenhof nennt. Wunderbar auf 550 Metern über Meer gelegen, mit dem Blick ins Tal, wo hinter Bäumen Wegenstetten und Hellikon liegen. Weiden, darunter Ökowiesen, hügelig, sehr gut besonnt, naturbelassen, was Wunder, dass hier die Grosse Hufeisennase, das Grosse Mausohr oder das Graue Langohr seit Langem ihre Heimat gefunden haben. Von Wegenstetten bis Zeiningen dehnt es sich aus, das Wegenstettertal oder auch Fledertal genannt, dort, wo die kunstvollen Flieger ihre bevorzugten Jagdund Lebensräume vorfinden.
Doch die Idylle trügt. Denn selbst hier kämpfen die Nachtschwärmer mit ihren langen und kurzen Ohren um ihren Fortbestand. Ihr Glück ist, dass Idealistinnen und Idealisten sich für die faszinierenden Wesen einsetzen. Christine Meier zum Beispiel. Die gelernte Tierpflegerin verliebte sich im Jahr 2004 in ihren jetzigen Mann, zog auf den Fürstenhof und gründete mit ihm eine Familie. Zu dieser Familie sollten bald auch die Fledermäuse gehören, die den Fürstenhof seit Generationen bewohnen.
Ein Gramm leichte Jungtiere
Christine Meier erzählt von ihrem Schlüsselerlebnis: Sie hatte bei der Stiftung Fledermausschutz einen Kurs absolviert, um eine Fledermaus-Notpflegestation zu betreuen. «Ich kam nach dem Kurstag nach Hause, unschlüssig, ob ich mich dieser Tätigkeit widmen soll. Da sah ich am Boden ein Fledermausbaby, das aus der Wochenstube gefallen war. Dies war für mich ein klares Zeichen: Ich muss es machen.»
Bereits im ersten Jahr fanden 13 Tiere Aufnahme auf dem Fürstenhof, 2020 gar mehr als das Doppelte. Neben Jungtieren, die gerade mal ein Gramm wiegen, pflegt sie auch ausgewachsene Fledermäuse, die ihr Zuhause verloren haben oder Opfer von Katzen geworden sind. «Als Notpflegerin betreue ich nur Tiere, bei denen die Chance besteht, sie wieder raubflugfähig entlassen zu können. Dies wäre etwa bei gebrochenen Flügeln nicht möglich. Diese Tiere müssen von einem Tierarzt eingeschläfert werden», so Christine Meier.
Ihre berufliche Erfahrung kommt der Notpflegerin zustatten, wenn es darum geht, ihre Patienten zu kurieren. Der Hauptanteil ihrer Hilfe besteht im Füttern der Tiere. «Erwachsene Fledermäuse erhalten lebende Mehlwürmer, den Babys träufle ich mit einem kleinen Pinsel Katzenwelpenmilch, angereichert mit Mineralstoffen ein.» Jede Stunde, von morgens halb sechs bis nachts um halb zwölf Uhr. Da kommt es schon vor, dass sie die Babys mit ins Büro nimmt – sie arbeitet Teilzeit als Zivilschutzstellenleiterin bei einer Gemeinde – und dort ihre Schützlinge schöppelt.
Flugtraining im Badezimmer
Wenn sich die Tiere gut entwickeln, können sie nach vier bis sechs Wochen ausgewildert werden, jedoch erst nach einem erfolgreichen Flugtraining im Badezimmer. Die Erfolgsquote, dass die Fledermäuse wieder flügge werden, beträgt laut Christine Meier rund 50 Prozent. Zum Auswildern lässt sie die Tiere dort frei, wo sie gefunden worden sind.
Der Ruf der Fledermäuse hat mit der Entstehung des Coronavirus gelitten, ist die Frage doch noch immer offen, ob Covid-19 durch Fledermäuse auf den Menschen übertragen wurde. «Als ich davon das erste Mal hörte, hatte ich schon ein wenig Angst, nicht vor einer allfälligen Ansteckung, sondern davor, dass unser Einsatz zum Schutz der Tiere bei der Bevölkerung mit einem Fragezeichen behaftet werden könnte.» Diese Bedenken seien in der Zwischenzeit verflogen. Wichtig sei es im Umgang mit Fledermäusen generell, stets Handschuhe und Mundschutz zu tragen. «Ist man selber mit dem Virus infiziert, dürfen wir keine Fledermäuse pflegen», so Meier.
Christine Meier wird ihre Notpflegestelle auch weiterhin betreuen. Die Faszination werde laufend grösser, je mehr sie sich mit der Fledermaus auseinandersetze. «Ich bin total begeistert von diesen Tieren. Wenn ich sie gesund wieder fliegen lassen darf, bin ich stolz, und wenn einer meiner Lieblinge eingeht oder eingeschläfert werden muss, bin ich richtig traurig.» Und sollte sie sich dereinst dennoch entscheiden, ihre Pflegeleistung einzustellen, so steht ihre 13-jährige Tochter Julia bereit, die Nachfolge anzutreten. Die Fledermäuse im Fledertal wird’s freuen.
www.fuerstenhof.ch www.fledermausschutz.ch
Zur Person
emg. Christine Meier, 55, ist in Olten aufgewachsen, gelernte Tierpflegerin und leitet heute im Teilzeitpensum die Zivilschutzstelle Frenkendorf. Sie lebt mit ihrem Mann Martin und ihren zwei schulpflichtigen Kindern Noah und Julia auf dem Fürstenhof in der Gemeinde Hellikon. Meiers betreiben auf rund 32 Hektaren Land vorwiegend Milchwirtschaft. Christine Meier ist Vorstandsmitglied des Naturschutzvereins Hellikon und setzt sich auch dort stark für die Fledermaus-Populationen ein. Daneben hält sie seit ein paar Jahren Alpakas, mit denen sie Trekkings anbietet und aus deren Wolle sie Kappen, Schals und andere Gegenstände spinnt.
Erste Hilfe für Batman
bbu. Idealer Sommer heisst: Auf kühle, regnerische Nächte folgen sonnige, warme Tage. Fledermäuse hingegen würden bei solchem Wetter kaum überleben, fänden sie doch genau in derartigen Nächten kaum Nahrung, die vor allem aus Insekten, Laufkäfern und Nachtfaltern besteht. Fliegen sie dennoch aus, kommt es vor, dass wir ein völlig durchnässtes Tier auffinden.
Erste Hilfe leisten wir, indem wir die Fledermaus mit Küchenpapier trocken tupfen. Keinesfalls wärmen. Dadurch würde das Tier zu viel Energie verlieren und sterben. Auf fledermaus.ch findet sich die Notfallnummer 079 330 60 60. Hier erhält man die Nummer der zuständigen Person seiner Region, die den Findling aufnimmt. Auch Fledermausbabys erleiden dieses Schicksal. Für deren Pflege ist in unserer Region Ueli Schaffner aus Gelterkinden zuständig. Jedes Jahr zieht er unzählige Fledermausjunge unterschiedlicher Arten auf.
Aktion Flederfreund
emg. Im Projekt «Fledermaustal» fördert der Jurapark Aargau Aktivitäten zum Wohl der Fledermäuse. Um das Angebot von Fledermausquartieren zu verbessern, haben die Naturschutzvereine Hellikon und Zeiningen die Aktion «Flederfreund» ins Leben gerufen. Bisher wurden 230 Fledermaus-Höhlen aufgehängt, finanziert über Patenschaften. Nun sollen Fledermäuse, die Spalten bewohnen, in Holzkästen platziert werden. Die Stiftung Salzgut stellt das Geld zur Verfügung. In Hellikon, Wegenstetten, Zeiningen und Zuzgen sind alle eingeladen, die Kästen zusammenzuschrauben. Nähere Angaben unter nsv-hellikon.ch.