«Wir sprechen 2,5 Millionen potenzielle Kunden in der Schweiz an»
16.07.2021 Baselbiet, FinanzenDavid Thommen
Herr Häfelfinger, wie sieht die neue BLKB-Tochterfirma Radicant aus?
John Häfelfinger: Radicant ist ein rein digitaler Finanzdienstleister, der gesamtschweizerisch aktiv sein wird. Angesprochen werden Kundinnen und Kunden, ...
David Thommen
Herr Häfelfinger, wie sieht die neue BLKB-Tochterfirma Radicant aus?
John Häfelfinger: Radicant ist ein rein digitaler Finanzdienstleister, der gesamtschweizerisch aktiv sein wird. Angesprochen werden Kundinnen und Kunden, die an einer nachhaltigen Entwicklung interessiert sind. Diese können in längerfristige Anlagen investieren und ihre alltäglichen Bankgeschäfte – Stichworte sind Zahlungsverkehr oder Kreditkarte – rein digital abwickeln.
Eine Internetbank also, die sich an besonders Umweltbewusste richtet? Eine «grüne» Bank?
Nachhaltigkeit umfasst weit mehr als nur die Ökologie. Kriterien sind auch das Soziale oder eine nachhaltige, verantwortungsvolle Geschäftsführung. Wir richten uns an Kunden, die wie wir glauben, dass sich die Wirtschaft langfristig in allen Bereichen positiv entwickeln muss. Dazu gehört auch die Rendite.
Wie sieht der «Musterkunde» der neuen Bank aus?
Das Angebot richtet sich an Mittelstandskunden, die über ein investierbares Vermögen von 100 000 Franken bis zu 1 Million Franken verfügen. In diesem Segment gibt es laut unserer Marktforschung in der Schweiz rund 2,5 Millionen Menschen. Da wir ein rein digitales Angebot haben, müssen die angehenden Radicant-Kunden eine gewisse Affinität fürs Digitale mitbringen.
Tendenziell sprechen Sie also eher jüngere Kunden an?
Nein, wenn es um die Digitalisierung geht, gibt es beim Alter längst kein Muster mehr. Mein Vater beispielsweise ist Mitte 70 und total digital unterwegs. Umgekehrt gibt es in meinem Freundeskreis deutlich jüngere Leute, die immer noch gerne «hybride» Angebote haben, also neben dem E-Banking auch weiterhin persönliche Beratung in der Filiale wünschen oder zum Telefon greifen. Bei Radicant wird es keine physischen Kontakte geben: Die Bank wird zwar personalisierte Dienstleistungen anbieten, aber weder Filialen mit Bankschaltern noch persönliche Kundenberater haben. Alles läuft auf der digitalen Plattform. Die Zahl der Kundinnen und Kunden, die sich ihre Informationen unabhängig von Bankberatern im Internet beschaffen, wächst stetig.
Nachhaltig tönt nach langfristigen Anlagen. Wie sieht der Horizont aus?
Der zeitliche Horizont ist nicht anders als bei anderen Anlagen auch. Radicant geht beim Angebot aber einen anderen Weg: Das Anlage-Angebot des Unternehmens wird die 17 UNO-Entwicklungsziele bezüglich Nachhaltigkeit abbilden. Wer beispielsweise der Ansicht ist, dass Bildung ein wichtiges Ziel ist, bekommt die Möglichkeit, in diesem Feld zu investieren. Die Kunden können und sollen auf der Plattform eine «Community» bilden, um dort zu interagieren: sich auszutauschen, sich gegenseitig Vorschläge zu machen oder auf interessante Investitionsmöglichkeiten hinzuweisen. Radicant wird auf diese Diskussionen reagieren und die Bedürfnisse mit entsprechenden Investitionsmöglichkeiten abbilden. Haben wir beispielsweise viele Kunden, die am Thema «alternative Energiegewinnung» interessiert sind, so wird Radicant auf geeignete Firmen hinweisen, in die man investieren kann. Dabei wird darauf geachtet, dass es eine gute Risikoverteilung gibt, also ein diversifiziertes Angebot besteht. Nachhaltigkeit heisst auch, dass niemand wegen zu grosser Risiken Geld verlieren soll.
Also nichts für kurzzeitige Spekulationen …
Überhaupt nicht, sogar ganz im Gegenteil. Radicant ist als finanzieller Lebensbegleiter gedacht. Die Kunden haben jederzeit die Möglichkeit, sich dank automatisierter Prozesse Analysen, die auf künstlicher Intelligenz basieren, die Perspektive aufzeigen zu lassen, wie sich ihr Vermögen entwickeln wird. Vorsorge und Langfristigkeit stehen im Zentrum, das sind unserer Meinung nach die grossen Themen der Zukunft.
Was aber nicht nach einer besonders hohen Rendite tönt …
Da täuschen Sie sich. Nachhaltigkeit und Rendite stehen keineswegs im Widerspruch zueinander. Staaten investieren derzeit riesige Summen, um ihre Entwicklungsziele – Stichwort ist beispielsweise das Pariser Klimaabkommen – zu erreichen. Es wird in den kommenden Jahren überproportional viel Geld in nachhaltige Industrien investiert. Das heisst, dass diese Industrien auch überproportional rentabel sein werden. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich habe für meine Kinder vor einem Jahr in den «Klima-Korb» der BLKB investiert, einen «Korb» mit Aktien von Unternehmen, die darauf spezialisiert sind, den Klimawandel zu stoppen. Meine Kinder hatten innerhalb eines Jahres eine Rendite von 35 Prozent! Zugegeben, die Aktienmärkte haben sich insgesamt positiv entwickelt, doch es zeigt sich, dass sich Nachhaltigkeit auch finanziell auszahlt.
Bei der «NZZ am Sonntag» kamen die sogenannt nachhaltigen Anlageformen kürzlich eher schlecht weg: Es würden Aktien von Firmen angeboten, die viel zu einfach zum Label «nachhaltig» kommen. Die Rede war von «Greenwashing» …
In der Tat werden heute rund ein Drittel aller Finanzanlagen in der Schweiz als nachhaltig deklariert – «Nachhaltig» ist leider kein geschützter Begriff. Wir werden für unsere Kunden Transparenz schaffen und enger definieren, was wir unter Nachhaltigkeit verstehen. Beispielsweise werden heute bei gewissen Banken selbst Aktien von Erdölkonzernen als «nachhaltig» angepriesen, weil diese Konzerne auch vermehrt alternative Energien erzeugen. Dies entspricht aber nicht unserem Verständnis.
Das würde bedeuten, dass Radicant eine eigene Nachhaltigkeitsbewertung von Firmen vornehmen müsste. Das wäre eine ziemlich grosse Aufgabe …
Radicant wird als Technologieunternehmen riesige Mengen von Daten auf der ganzen Welt sammeln und so ermitteln, welche Aktien infrage kommen. Das Spektrum an Anlagemöglichkeiten wird gross sein, vermutlich grösser als heute bei der BLKB, die sich recht stark auf Standardwerte fokussiert. Radicant wird Investitionsmöglichkeiten auch in kleinere, beispielsweise im Umweltbereich innovative und hier noch weitgehend unbekannte Unternehmen im Sortiment haben.
Andere Banken fahren ebenfalls bereits auf dieser Nachhaltigkeitsschiene …
Bitte sagen Sie nicht Schiene, das schmerzt mich! Nachhaltigkeit ist bei mir und den BLKB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern mehr als eine «Schiene» – es ist eine tiefe Überzeugung. Ebenfalls beim Kanton als Besitzer, beim Bankrat und bei der Geschäftsleitung. Wir leben das in jedem Bereich vor. Wir sind als Firma und als wichtiger Partner rund der Hälfte aller Baselbieter KMU an einer langfristigen, in jeder Hinsicht positiven Entwicklung interessiert. Und ja, bei der Umwelt ist es so: Wir haben den Klimawandel, und hier können wir als Finanzdienstleister einen enormen Beitrag dazu leisten, um diese Entwicklung umzukehren. Wir wollen, dass auch unsere Kinder noch eine lebenswerte Umwelt haben. Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Element, das bei jedem unserer Geschäfte berücksichtigt werden muss. Seit 2014 empfehlen wir ausschliesslich nachhaltige Anlagen.
Werden Sie BLKB-Kunden, die in entsprechende Anlagen investieren wollen, künftig einfach an Radicant verweisen?
Auf keinen Fall. Wir sind die Bank, welche die Nachhaltigkeit in ihrer DNA hat. Daran wird sich nichts ändern. Der Unterschied ist, dass wir auf dem digitalen Kanal die Kunden schweizweit ansprechen können. Radicant hat keinen regionalen Fokus.
Ähnliche Finanzdienstleister gibt es bereits auf dem Markt. Kommen Sie nicht zu spät?
Um mit einer Metapher zu antworten: Wir als Basellandschaftliche Kantonalbank werden nicht in die Eigernordwand steigen, ohne die Wetterprognose genau zu kennen. Das heisst, wir haben viel Zeit und sehr viel Aufwand in eine genaue Marktanalyse investiert. So haben wir beispielsweise rund 30 000 Kundenmeinungen eingeholt, um die Bedürfnisse genau kennenzulernen und die Dienstleistung von Radicant genau danach auszurichten. Wir sehen, dass sich das Feld der Digitalisierung nach wie vor sehr schnell entwickelt und es enorm viele Kunden gibt, für die unser digitales Modell infrage kommt.
Werden Hypotheken angeboten?
Das ist nicht vorgesehen. Wenn, dann werden wir eine Hypothekenvermittlung machen. Wir möchten den Kundinnen und Kunden das beste Angebot unterbreiten können. Das beinhaltet nicht nur BLKB-Hypotheken, sondern auch Angebote von anderen Banken.
Ist das tatsächlich klug, wenn die Tochtergesellschaft der BLKB Hypotheken von anderen Banken vermittelt?
Die Realität ist die: In unserem Stammgebiet in der Region Basel haben wir als BLKB ein ungeheures Fachwissen. Die Kunden, deren finanzielle Verhältnisse wir kennen, erhalten neben der Hypothek viel spezifische Beratung. So können wir beispielsweise den Kaufpreis einer Liegenschaft in unserem Gebiet zuverlässig verifizieren. Aber auf nationaler Ebene – zum Beispiel bei Kunden im Tessin – haben wir das nötige Know-how nicht, da kennen sich andere Anbieter besser aus. Wenn wir als schweizweit agierende digitale Bank nur BLKB-Hypotheken im Angebot hätten, wäre dies nicht glaubwürdig. Kommt hinzu:Radicant will gar keine Kredite vergeben. Es wäre sonst eine deutlich höhere Kapitalisierung nötig, um die Risiken abzusichern.
Gleichwohl: Die BLKB macht sich mit der neuen Bank selber Konkurrenz.
Wie gesagt: Mit der neuen Plattform können wir 2,5 Millionen potenzielle Kunden in der Schweiz ansprechen. Zweifellos werden auch heutige BLKB-Kunden am Angebot interessiert sein. Da Radicant aber eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der BLKB ist, spielt uns das keine Rolle: Der Ertrag der neuen Tochter fliesst an die BLKB als Muttergesellschaft zurück. Wir machen uns also keine Konkurrenz.
Die Schweizer Kantonalbanken decken seit 100 Jahren ihre jeweiligen Gebiete ab. Sie sprengen nun diese Aufteilung.
Wir hatten bislang einen beschränkten Raum. Im Wesentlichen handelt es sich um das Baselbiet, Basel-Stadt, das Fricktal und das Solothurner Gebiet nördlich des Juras. Bei Lösungen im digitalen Bereich werden die Grenzen automatisch weiter.
Tun dies andere Kantonalbanken ebenfalls?
Das ist der Trend. Rund die Hälfte der Kantonalbanken hat oder plant solche Angebote. Der Kanton Baselland als unser Haupteigentümer hat alles Interesse daran, dass wir auch in zehn Jahren noch eine der führenden Banken sind. Dazu gehört eine Entwicklung. Werden wir im digitalen Geschäft nicht selber aktiv, überlassen wir anderen Anbietern dieses Feld. Es wäre fast schon fahrlässig, wenn man die Möglichkeiten der Digitalisierung nicht nutzen würde.
Die Freude der anderen Kantonalbanken dürfte sich vermutlich gleichwohl in Grenzen halten …
Wir haben bei der Bekanntgabe unserer Pläne signalisiert, dass sich andere Kantonalbanken zu einem späteren Zeitpunkt an Radicant beteiligen können. Denn die Konkurrenz, die sich die Kantonalbanken gegenseitig machen, ist letztlich marginal. Vielmehr drängen im digitalen Bereich andere, auch internationale Dienstleister mit ähnlichen Angeboten auf den Markt. Nicht nur Banken, sondern auch Private oder Versicherungen, die Hypotheken anbieten. Durch die Digitalisierung hat sich der Wettbewerb in den vergangenen fünf bis zehn Jahren stark verändert. Wir müssen uns also bewegen. Die BLKB gehört zu den grössten Banken in der Schweiz und ist so gut kapitalisiert, dass wir diesen Schritt ohne Risiko machen können. Kleinere Kantonalbanken, die ein solches Vorhaben nicht selber stemmen können, werden interessiert sein, sich mittelfristig anzuschliessen.
Eine neue Bank braucht viel Startkapital. Kann sich die BLKB das wirklich leisten?
Absolut. Für den Aufbau des Unternehmens haben wir einen Betrag von 50 Millionen Franken aus unserem Eigenkapital vorgesehen. Im Verhältnis zum Gesamtkapital der BLKB ist diese Summe minim. Wir verfügen heute über eine Eigenkapitalisierung von 20 Prozent und gehören damit zu den zehn bestkapitalisierten Banken in ganz Europa. Die 50 Millionen Franken entsprechen einem Eigenkapital von einem halben Prozent. Sollten wir im allerschlimmsten Fall einen Totalabschreiber machen müssen, betrüge unser Eigenkapital immer noch 19,5 Prozent. Wir würden damit immer noch zu den Allerbesten gehören. Das Risiko ist also höchst überschaubar. Das grössere Risiko wäre es meiner Meinung nach, diese Investition, die für uns eine grosse Chance bedeutet, nicht zu tätigen.
Weshalb gründen Sie eine neue Bank und starten diese digitale Offensive nicht innerhalb der bestehenden Bank?
Wir möchten Radicant extrem schnell entwickeln und wollten daher auf der «grünen Wiese» beginnen. Bei einer gewachsenen Bank wie der BLKB sind die Strukturen manchmal schwerfälliger und die Entscheidungswege etwas länger. Eine Bank wie die unsrige ist wie ein grosser Dampfer – mit allen Vor- und Nachteilen. Das neue Technologieunternehmen hingegen wird eher wie ein Schnellboot sein. Kommt hinzu: Die BLKB als Universalbank soll den bisherigen Fokus auf das regionale Geschäft nicht verlieren. Diese Gefahr hätte bestanden, wenn wir das neue Angebot hausintern aufgebaut hätten. Solche Vorhaben binden viel Energie und benötigen viel Aufmerksamkeit. Das hätte uns abgelenkt, was wir nicht wollten. Wir geniessen hier eine riesige Akzeptanz und ohne falschen Stolz darf ich sagen, dass die Basellandschaftliche Kantonalbank schweizweit über die besten Kundenberaterinnen und -berater verfügt. Daran soll sich nichts ändern.
Der Hauptsitz der neuen Tochtergesellschaft der Basellandschaftlichen Kantonalbank ist nicht Liestal, sondern die Finanzmetropole Zürich. Weshalb?
Als neues Technologieunternehmen sind wir auf IT-Spezialisten angewiesen. Wir haben hier in Liestal bei der BLKB ebenfalls einen IT-Bereich und bieten auch entsprechende Lehrstellen an, in der Region Basel ist es jedoch deutlich schwieriger, das nötige Fachpersonal zu finden. Radicant hat seinen Hauptsitz dort, wo wir am raschesten die besten Leute rekrutieren können.
Die neue Tochterbank läuft ausserhalb der Staatsgarantie durch den Kanton. Warum das?
Wir schliessen Radicant, wie alle unsere anderen Tochtergesellschaften, aus der Staatsgarantie aus. Das hat nur Vorteile: Die BLKB profitiert vom Erfolg von Radicant, denn die Gewinne der Tochter gehen an die BLKB. Gleichzeitig limitieren wir das Risiko, sollte es einmal zu Verlusten kommen. Die Steuerzahler laufen nicht Gefahr, Verluste decken zu müssen.
Gutachten in anderen Kantonen zeigen, dass bei einer Pleite von Tochterbanken von Kantonalbanken die Staatshaftung wohl dennoch zum Tragen käme.
Bei uns liegt der Fall anders, weil Radicant keine Kredite vergibt, sondern nur Finanzdienstleisterin ist. Das heisst, dass beispielsweise bei einem Immobiliencrash oder sonstigen Kreditausständen auch keine Verbindlichkeiten entstehen. Wie gesagt, unser Verlustrisiko ist im Wesentlichen auf die Anfangsinvestition limitiert.
Verstehen wir das richtig: Allfällige Gewinne der neuen Bank werden nicht bei der Tochtergesellschaft bleiben, sondern via BLKB weiterhin dem Kanton und den Inhaberinnen und Inhabern der BLKB-Zertifikate zugutekommen?
Die BLKB schüttet derzeit auf den Monat umgerechnet rund 5 Millionen Franken Gewinn und Abgeltung für die Staatsgarantie an den Kanton aus. Selbstverständlich hoffen wir, dass dieser Betrag dank Radicant noch grösser wird. Jede Baselbieterin und jeder Baselbieter wird über unsere Einzahlung in die Staatskasse indirekt am Gewinn der neuen Bank partizipieren. Und selbstverständlich werden auch die Inhaberinnen und Inhaber unser Partizipationsscheine über die Dividende profitieren.
Wobei das BLKB-Zertifikat als «Volksaktie» an Wert verloren hat: Im Jahr 2011 beim Höchststand lag der Wert bei 1375 Franken, mittlerweile hat es seit Jahren noch etwas mehr als 900 Franken wert …
Unsere Zertifikatsinhaber haben heute eine Rendite von rund 4 Prozent, was sehr viel ist. Kaufen Sie heute eine Staatsanleihe, dann werden Sie Negativzinsen von 0,75 Prozent zahlen müssen … Aber in der Tat ist es so, dass sich der Kurs unseres Partizipationsscheins wenig bewegt. Das Papier wird kaum gehandelt, weil es die Inhaber wegen der guten Rendite behalten wollen. Das ist ein grosser Vertrauensbeweis für die BLKB. In einem Umfeld, in dem mangels Verkäufen kaum ein Handel stattfindet, beweget sich auch der Aktienpreis nur schwach.
Werden Sie als CEO der BLKB ebenfalls eine direkte Rolle bei Radicant einnehmen?
Nein. Das neue Unternehmen hat seinen eigenen Verwaltungsrat und CEO.
Das heisst, dass Radicant auch ein Stück weit der Aufsicht durch die Baselbieter Politik entzogen wird?
Die BLKB darf – ja soll – sich innerhalb ihres Leistungsauftrags entwickeln. Ich sehe es aber nicht so, dass die neue Bank der Kontrolle des Kantons entzogen wird. Die BLKB als 100-prozentige Aktionärin ist im Verwaltungsrat von Radicant stark vertreten, auch einer unserer Bankräte nimmt dort Einsitz.
Und ab wann legt die neue Bank los?
In der zweiten Hälfte 2022. Das Gesuch bei der Finanzmarktaufsicht für den Erhalt einer Banklizenz läuft. Wir gehen von einer Prüfungszeit von 12 bis 18 Monaten aus.
Wie viele Angestellte sind vorgesehen?
Heute arbeiten rund 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Aufbau mit. Wie viele Mitarbeiter es im Endausbau sein werden, ist noch unklar. Sehr viele werden es nicht sein, da Radicant gewisse Leistungen im technischen Bereich zusammen mit externen Partnern wie der Swisscom erbringen wird. Das Unternehmen soll so schlank und kostengünstig wie möglich betrieben werden können, was den Kunden finanziell zugutekommt. Im digitalen Raum sind die Angebote von ähnlichen Dienstleistern sehr gut vergleichbar.
Was bedeutet «Radicant»?
tho. Zwar ist die neue digitale Tochterbank der BLKB noch nicht operativ tätig, im Internet ist sie aber bereits präsent. Der aussergewöhnliche Name des neuen Finanzdienstleisters wird dort so erklärt:
«In der Biologie zeichnen sich radikante Pflanzen durch ihre ausgeprägte Fähigkeit zur Anpassung an neue Umgebungen und Bedingungen aus. Sie schlagen während des Wachstums immer neue Wurzeln und können sich darüber hinaus von alten Wurzeln, die sie nicht mehr benötigen, trennen. ‹Radicant› symbolisiert für uns eine bahnbrechende Veränderung in der Anpassungsfähigkeit von Finanzdienstleistungen, die tief in der Nachhaltigkeit verwurzelt ist.»
Als CEO für den Aufbau des neuen Finanztechnologie-Unternehmens zeichnet Anders Bally (55) verantwortlich. Der gebürtige Norweger, der im Kanton Zürich lebt, gilt als Spezialist für die Auswertung von Daten aus dem Internet, speziell aus den Sozialen Medien. Zuvor gründete «Datenschürfer» Bally das Unternehmen Sentifi. Dieser Wirtschaftsinformationsdienst liefert laut «Bilanz» alles an Daten über Firmen, die sich finden lassen: Aus 200 Millionen Datenquellen im Internet hätten Bally und sein Team 15 Millionen relevante Influencer identifiziert und werte mit künstlicher Intelligenz deren News, Tweets und Blogs aus. Die Algorithmen könnten «mit der Kombination von Milliarden ausgelesener Datenpunkte Zusammenhänge identifizieren, welche ein einzelner Mensch nicht erkennen kann», wird Bally in der «Bilanz» zitiert. Dies erlaube «bessere Geldanlageentscheide». Die neue BLKB-Tochter Radicant wird sich auf nachhaltige Anlagen konzentrieren.
Zur Person
tho. John Häfelfinger (49) ist seit 2017 CEO der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB). Er löste damals Beat Oberlin ab, der in Pension ging. Häfelfinger ist ein schweizerisch-italienischer Doppelbürger; er ist Bürger von Gelterkinden. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern (1, 12 und 16 Jahre alt).
Er startete seine Karriere mit einer Banklehre bei der damaligen Regiobank beider Basel (vormals Basellandschaftliche Hypothekenbank) und wechselte danach zur Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG), der heutigen UBS. Anschliessend arbeitete er in verschiedenen Funktionen bei der Credit Suisse, wo er zuletzt in der Geschäftsleitung des International Wealth Managements war und den global tätigen Bereich «Firmenund Spezialfinanzierungen» leitete.
Die im Jahr 1864 gegründete Basellandschaftliche Kantonalbank verfügt über eine Bilanzsumme von rund 30 Milliarden Franken und zählt gut 850 Mitarbeitende. Die Basellandschaftliche Kantonalbank erzielte im Vorjahr einen Jahresgewinn von 138,1 Millionen Franken. Die Ausschüttung an den Kanton Baselland betrug 60 Millionen Franken.